Capdepera. VW führt seinen Bestseller ins digitale Zeitalter und lässt ihn sogar schon teilautonom im Stop-and-go-Verkehr auf Autobahnen rollen.

Winter auf Mallorca. Blauer Himmel und milde 16 Grad, leere Hotels und vor allem – leere Straßen. Beste Voraussetzungen, um den Golf zu testen, der einem Update unterzogen wurde. In der Optik hat sich der Golf VII (Debüt 2012) nur unwesentlich verändert, doch ein erheblicher Fortschritt fand unter dem Blech statt und markiert einen großen Schritt hinein in die digitale Welt.

Während früher bei Modellpremieren die technischen Höhepunkte der Motorwelt präsentiert wurden (wie etwa Vierventiltechnik oder Syncro-Antrieb), geht es nun um Connected Community, um Vernetzung von Mensch, Auto und Umfeld. Es ist der Umschwung vom Motorzeitalter hinein in die Epoche vielfältiger Mobilitätsdienstleistung und des automatisierten Fahrens. Der vor Jahren geprägte Begriff vom
„I-Phone auf Rädern“ ist beim Golf des Jahres 2017 nun Wirklichkeit.

Wischen über den Touchscreen

Dr. Frank Welch, Entwicklungsvorstand der Marke VW, sprach bei diesen Tests vom „beliebtesten Auto auf der beliebtesten Insel“. Das stimmt. Aber Welch will mit Wolfsburgs Bestseller (über
33 Millionen verkaufte Autos seit 1974) auch weiter „Maßstäbe setzen und den Golf komplett digitalisieren“. Das mag vielleicht ältere Kunden schrecken, ist aber – so Welch – „unabdingbar“. So bringt das Infotainment-System im Golf durch die „Gesten-Steuerung“ die Zukunft an Bord. Es gibt nun keine Tasten, Regler oder Knöpfe mehr (auch nicht für Radio oder Navi), sondern man bewegt sich mit Wisch-Gesten der Hand über den – deutlich größeren – Touchscreen durch die Menüs.

Das Angebot der Onlinedienste und Apps vergrößerte sich enorm. Zum Beispiel kann man über „MirrorLink“ und „Door Bird“ aus dem fahrenden Auto heraus einem Familienmitglied, Nachbarn, Handwerker die Haustür öffnen oder die Heizung anstellen. Erstmals bietet VW auch ein Dienstepaket an („Security and Service“). Automatische Unfallmeldung, Pannenruf, Notruf (bei Auslösung des Airbags) – all das ist möglich. Wer einen Fahranfänger in der Familie hat, der könnte eine „Gebietsbenachrichtigung“ schätzen – also die Info, wo derjenige oder diejenige sich gerade befindet. Infos über Wetter, Parkplätze (mit Verfügbarkeit und Preis), Hotels, Tankstellen,
Ticketkauf sind ja ohnehin selbstverständlich. Mehr Sicherheit bescheren neue „Assi-Systeme“. Auf Basis von „Lane-Assist“ (Spurhaltung) und ACC (Abstandsregelung) hat VW den Stau-Assistenten entwickelt. Er ist der erste Schritt hin zum autonomen Fahren, weil es im Golf nun möglich ist, bei Stop-and-go-Verkehr auf Autobahnen (bis 60 km/h) automatisiert zu fahren.

Im Notfall hält das Auto von allein

Kein Kuppeln, Schalten, Bremsen – der Golf rollt in der Kolonne alleine dahin. Weitere Top-Entwicklungen sind die City-Notbremsfunktion (erkennt Verhalten von Fußgängern), der „Trailer-Assist“ (parkt Auto mit Hänger ein) und ebenso der „Emergency-Assist“, der merkt, wenn der Fahrer plötzlich ausfällt (durch Übermüdung oder Herzanfall). Nach dem Wachrütteln folgt als nächste Stufe der automatische Nothalt am Straßenrand mit Einschaltung der Warnblinkanlage.

Das sind nur einige der unzähligen „elektronischen Heinzelmännchen“ im Golf. Der Golf 2017 bietet viel. Natürlich auch neue Motoren, zum Beispiel den besonders effizienten 1.5 TSI Evo, einen Turbobenziner mit 150 PS/110 kW und Durchschnittsverbrauch von 4,8 Litern auf 100 Kilometer. Die Preise für den Golf beginnen bei rund 24 000 Euro.

Hohes Qualitätsniveau

Die Typen-Palette reicht vom GTD, GTE und e-Golf (Elektrowagen) bis hin zum R und zum Publikumsliebling GTI, jetzt mit satten 230 PS/169 kW unter der Bughaube). Unser Tests bewiesen auch, was in dieser düsteren VW-Zeit nicht vergessen werden darf: das herausragende Qualitätsniveau vom Golf. Weder BMW noch Mercedes, auch kein Koreaner oder Japaner sind da besser als VW. Klar: ein Erbe vom „Spaltfugenpapst“ Martin Winterkorn.

Der Weg zur Stil-Ikone

Der Golf bleibt ein Phänomen. Weil er klassenlos ist, einer für alle. Alle 40 Sekunden entscheidet sich – rein rechnerisch – irgendwo auf der Welt ein Mensch für den Golf. Nein, er hat sich optisch nicht viel verändert. Doch gerade diese Kontinuität ist eine Stärke. Von 1974 bis jetzt ist der Golf
stets behutsam weiter entwickelt worden. Chefdesigner Klaus Bischoff, geboren in Hamburg und heute am Elm sesshaft, betont: „Autos, bei denen über Jahrzehnte eine Evolution des Designs gelingt, haben das Potenzial, eines Tages als Ikone gefeiert zu werden.“ Vielleicht ist der Golf längst eine Stil-Ikone. Wie der Porsche 911, die Cola-Flasche (1915), die Bauhaus-Lampe (1923) oder der Lounge-Chair (1956).