Osterode/Lerbach. Die alte Grube Weintraube in Lerbach im Harz hätte eigentlich eine Attraktion für Osterode werden können. Doch nun ist das Bergwerk für Besucher gesperrt.

Sie stand kurz davor, in einen besonderen Rang aufzusteigen und für den alten Bergort Lerbach bei Osterode zu einer Attraktion im Harz zu werden. Am Ende der Ortschaft liegt dicht an der Kreisstraße 26 hinauf zum Heiligenstock die Grube „Weintraube“, die einzige Erzgrube, die im nördlichen Lerbacher Revier noch weitgehend „befahrbar“, also begehbar ist. Im Jahr 2014 sollte sie zum Schaubergwerk werden. Doch daraus wurde nichts, und das in letzter Minute.

Frank Koch führt durch die Grube.
Frank Koch führt durch die Grube. © HK | Michael Paetzold

Bergwerk im Harz: „Lebensgefahr, Bergbaugelände“

„Lebensgefahr, Bergbaugelände“: Die Warnung auf einem Schild vor dem Mundloch ist eindeutig, Betreten verboten, zumindest ohne fachkundige Führer. Na ja, das wäre bei dem schweren Eisengitter ohnehin nicht möglich, das Rolf-Dieter Specht zur Seite wuchtet. Zusammen mit dem ehemaligen Ortsbürgermeister von Lerbach und Harzklubvorsitzendem Frank Koch kümmert er sich um diesen besonderen Ort der Montangeschichte. Koch ist schon seit einigen Jahrzehnten dabei. Beide kennen die Grube in und auswändig, das weitläufige Netz aus Stollen, Schächten und Hallen auf mehreren Etagen.

Der Frosch, ein altes Geleucht der Bergleute. 
Der Frosch, ein altes Geleucht der Bergleute.  © HK | Michael Paetzold

„Früher mussten die Studenten der Technischen Universität Clausthal bei ihren Exkursionen durch eine 80 Zentimeter breite Röhre einfahren“, erinnert er an den späteren Ausbau des Mundlochs durch die Heimatstube Lerbach mit Unterstützung von Bingo Lotto im Jahr 1998. Bis dahin war der abschüssig zwischen zwei Mauern verlaufende Zugang bis auf die Röhre verfüllt. Bagger- und Betonarbeiten waren notwendig, die Kosten damals: 14.000 Mark. Es fogten die Erneuerung des Türstocks, der Stützmauern und die Beleuchtung im Bergwerk selbst.

Untersuchungsschacht mit Eisentreppe.
Untersuchungsschacht mit Eisentreppe. © HK | Michael Paetzold

Etwa 150 Meter gehen wir jetzt teils gebückt in den Berg in einem schmalen Stollen. Schnell wird deutlich warum Helm, Grubenlicht und derbes Schuhwerk vonnöten sind. Es tropft von der Decke, Wasser sammelt sich am Grund. Und bloß Vorsicht mit dem Kopf. Rund 100 Jahre war die Weintraube ab 1783 in Betrieb, geschürft wurde etwas Kupfer und Silber, aber vor allem der begehrte Eisenstein, der in zahlreichen Gruben des Lerbacher Reviers gewonnen wurde. Weit zurück geht die Monatangeschichte des Ortes bis ins 15. Jahrhundert. Das Eisenerz liegt im sogenannten Oberharzer Diabaszug mit entsprechenden Lagern, der sich von Osterode bis nach Bad Harzburg quer durch den Harz erstreckt. Der Lerbacher Eisensteinlehrpfad erschließt heute die Thematik und führt entlang an vielen ehemalgen Gruben, teils verstürzt, teils aber auch erhalten.

Blick in den großen Saal. 
Blick in den großen Saal.  © HK | Michael Paetzold

GZeitreise in die Harzer Bergbaugeschichte

Von weitem dringt Lichtschein durch das Dunkel, während wir unseren rutschigen und nicht immer ebenen Weg noch ausleuchten müssen. Dann stehen wir in einem großen Saal, iluminiert durch mehrere Strahler. Es ist ein beeindruckender Anblick, das hohe Gewölber wird gestützt durch mächtige steinerne Pfeiler, alles schimmert rötlich, oxidiert im Zusammenspiel des Wassers mit dem erzhaltigen Gestein. Es ist eine Zeitreise in die Bergbaugeschichte: „Vieles ist so geblieben, wie es damals verlassen wurde“, schwärmen Koch und Specht, kein Bagger habe hier jemals gearbeitet.

1862 hatte der Inhaber Ludwig Müller den Grubenbetrieb eingestellt (spätere Besitzer Harzer Union und Mathilden Hütte). Allein mit Muskelkraft wurden zuvor die Gänge und Säle geschaffen, mit Schlägel und Eisen zig Tonnen von Gestein gelöst. Koch entzündet einen sogenannten Frosch, ein historischer Typ von Öllampen, der seit Ende des 16. Jahrhunderts im Bergbau als Grubenlampe (Geleucht) verwendet wurde. Im 19. Jahrhundert wurden dann mehrere neue Lampentypen wie Gas-, Kerosin und Karbidlampen entwicket. „Was müssen das für Arbeitsbedingungen gewesen sein“, fragen wir uns, heute ist das kaum mehr vorstellbar.

Rolf-Dieter Specht erläutert einen Schnitt.
Rolf-Dieter Specht erläutert einen Schnitt. © HK | Michael Paetzold

Doch so ganz unberührt blieb die Grube nach der Schließung dann doch nicht. In den Jahren nach 1936 gab es in der Weintraube noch einmal beschränkte bergbauliche Tätigkeiten, der Hunger nach Rohstoffen im Dritten Reich war hier die treibende Kraft. Ein gemauerter Podest erinnert an die Zeit. Darauf stand die Winde für den Aushub eines heute vollgelaufenen Schachts für Untersuchungsarbeiten, die 1941 aber eingestellt wurden. 22 Lachter, 44 Meter tief hatte man abgeteuft (senkrechter Grubenbau), doch das vorhandene Eisenerz reichte nicht mehr, um die Grube wieder zu öffnen. Die Eisenleiter existiert noch, über die die Berleute einst in die Tiefe stiegen.

Die Bergleute schufen große Hallen.
Die Bergleute schufen große Hallen. © HK | Michael Paetzold

Grube Weintraube im Harz ist in Fachkreisen bekannt

In Bergbaukreisen und unter Geologen ist die Grube Weintraube bestens bekannt. Frank Koch berichtet von einem starken studentischen Interesse und vielen privaten Anfragen, das Bergwerk zu begehen. Verstehen kann er das durchaus, doch bremsen Fragen der Haftung eine über Befahrungen mit wissenschaftlichem Ansatz weiterführende Nutzung weitgehend aus.

Im Herbst und Winter besteht wegen des Schutzes von Fledermäusen, die hier überwintern, ohnehin Betretungsverbot. Letztlich, so berichtet der Harzklubvorsitzende, befinden wir uns im Niemandsland, denn es gibt keine Nachfolge ehemaliger Besitzer: „Die Grube gehört keinem.“ Dabei sei sie ein wahrer Schatz, ein seltenes Kleinod der Montageschichte und unbedingt erhaltenswert „Schließlich ist sie im Oberharz die einzige Grube, in der Besuchern noch der historische Bergbau auf Roteisenstein gezeigt werden könnte.

Ein sogenannter
Ein sogenannter "Hund", wie er in der Grube verwendet wurde. © HK | Michael Paetzold

Und wie war das nun im Jahr 2014, als die Pläne für ein Schaubergwerk in letzter Sekunden ad akta gelegt werden mussten? Zwei Jahre hatte die Stadt Osterode an einem Betriebsplan gearbeitet und so das Vorhaben mit ihm vorbereitet, berichtet Koch. Am 16. April war es dann soweit, vor dem Mundloch lagen die Unterlagen zur Unterzeichnung bereit. Vor Ort Vertreter der Stadt, der Heimatstube, des Naturschutzbundes (Nabu) und vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND. „Alles war vorbereitet, als ein Pkw vorfuhr, dem eine Mitarbeiterin der Unteren Natuschutzbehörde des Landkreises Osterode entstieg und das Vorhaben stoppte“, erinnert sich Koch.

Der Grund: Fledermäuse, die den Stollen möglicherweise im Sommer nutzen könnten. Das müsse vor der endgültigen Genehmigung des Hauptbetriebsplans beim Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Clausthal ermittelt und eine Kartierung vorgelegt werden. Ein Monitoring von April bis Oktober sei erfordelich, um das Fluggeschehen besonders schützenswerter Arten wie dem Großen Mausohr während der Sommermonate zu dokumentieren. Für ein zwölfmonatiges Lichtschrankenmonitoring wären nach Ausagen des Nabu Kosten in Höhe von 4.000 Euro angefallen.

Fledermausschutz: Vom möglichen Schaubergwerk zur Sperrzone

Für den BUND war damals Dr. Friedhart Knolle dabei. Er spricht von Planungsfehlern: „Die Naturschutzbehörde wurde im Vorfeld nicht beteiligt und so versucht, den Naturschutz zu umgehen.“ Letzteres bestreitet Koch. Mit dem Nabu sei man zuvor über die Planungen in engem Austausch gewesen. „Wenn wir damals wider besseren Wissens Wichtiges versäumt haben, warum wurden wir nicht vor dem Unterzeichungstermin darüber informiert“, äußert er seinerseits Kritik.

Eine Dennert-Tanne informiert über die Geschichte. 
Eine Dennert-Tanne informiert über die Geschichte.  © HK | Michael Paetzold

„Herr Frank Koch hat Bedenken, dass bei so einer Untersuchung eventuell einzelne Fledermäuse gefunden würden, die die Naturschutzbehörde veranlassen würde, den bisher geduldeten Zustand der Nutzung der Grube Weintraube für die Heimatstube Lerbach komplett zu untersagen“, heißt es in einem Vermerk der Stadt vom 16. April 2014 über das Treffen.

Die Planungsunsicherheit und die zu erwartenden Kosten bedeuteten letztlich das Ende weiterer Bemühungen, die Akteure gaben ihr Vorhaben auf. Und auch die Stadtverwaltung nahm die für den Rat vorbereitete Vorlage zum Schaubergwerk von der Tagesordnung. Der Harzklubvorsitzende: „Wir haben diese Entscheidung der Landkreisbehörde bis heute nicht verstanden, denn Stollen, die den Tieren als Heimstatt dienen könnten, gibt es in direkter Umgebung reichlich.“ Ob die Grube Weintraube jemals für die breite Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann, ist mehr als fraglich. Denn wer soll es machen, wer soll sich hier ins Geschirr schmeißen, investieren und Verantwortung übernehmen?

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