Bad Sachsa. Bausünden ließen die St. Nikolai-Kirche verschimmeln, die Glocken verstummen. Jetzt erstrahlt das älteste Bauwerk von Bad Sachsa in neuem Glanz.

Ein schwarzer Turm ist es nicht geworden: Aber mit seinen neuen dunklen Schieferbehang und dazu den vergoldeten Spitzen der vier Uhrengauben ist der Turm der St.-Nikolai-Kirche in Bad Sachsa eines absolut: imposant. Das älteste Bauwerk der Stadt Bad Sachsa – der Bau wird zwischen die Jahre 1180 und 1200 datiert – ist seit jeher ein optischer Dreh- und Angelpunkt der Kommune. Das markante Gebäude thront auf seinem Kirchberg über den angrenzenden Straßen, Häusern und Geschäften und ist in seinem neuen Äußeren noch deutlicher sichtbar wie bisher. Hinter dem Wandel vom weißen zum dunklen Turm liegt allerdings auch ein langer und ebenso teurer Weg. Hightech am zum Einsatz, Bausünden wurden beseitigt – und am 29. Oktober will die Evangelische Kirchengemeinde all dies gebührend feiern.

Schock im Jahr 2016: Darum mussten die Glocken der St. Nikolai-Kirche in Bad Sachsa umgehend schweigen

Der Anfang der Geschichte liegt dabei in der Stille und einem Rätsel für die Einwohnerschaft. Im September 2016 schwiegen auf einmal die Glocken der St. Nikolai-Kirche. Bei einer Routine-Begehung der Kirche und vor allem des Kirchturms durch das Amt für Bau- und Kunstpflege in Göttingen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover stellte man Erschreckendes fest. Der Glockenstuhl, also die hölzerne Aufhängung, die das Glockengestell trägt, waren extrem marode. Wasser und vor allem Käfer hatten den Holzbalken arg zugesetzt – und das mit weitreichenden Folgen. Das Glockengeläut wurde umgehend stillgelegt, Notsicherungsmaßnahmen eingeleitet.

„Es folgte ferner eine grundlegende Untersuchung des gesamten Gebäudes. Unter anderem wurden dabei mit der sogenannten Radio-Carbon-Methode das Alter der Eichenbohlen bestimmt“, führt Hans-Christian Metzger vom Kirchenvorstand beim Termin vor Ort aus. Allein dieses Gutachten habe 40.000 Euro gekostet.

Hightech aus Bayern: Elektronik simuliert das Glockengeläut im Südharz

Neben der eigentlichen Sanierung des Gebäudes beschäftigte den Kirchenvorstand und den damaligen Pastor Bernd Menzel aber auch eines: Wie kommt man wieder an Glockengeläut? Knapp ein Jahr dauerte es, bis man Gemeindemitgliedern, Einwohnern, aber auch Gästen die Lösung präsentieren konnte: Hightech aus Bayern in Form einer elektronischen Anlage mit passenden Lautsprechern lässt seitdem die Glocken der Kirchengemeinde wieder erklingen – „fast mit dem gleichen Klang wie das Original“, wie Pastor Bernd Menzel Ende Dezember 2017 bei einem Termin mit unserer Redaktion vor Ort erläuterte. Lob für diese Lösung gab es damals vor allem für den Kirchenvorstand Dietmar Hermann aus, der als Elektromeister auch die Installation der Anlage übernommen hat. „Wir mussten uns hier etwas einarbeiten, gerade das Küsterehepaar, das die Anlage vorrangig bedienen muss“, erläuterte der Geistliche. Denn an Optionen bieten die elektronischen Glocken eigentlich alles – und sogar einiges mehr, wie das eigentliche Glockengeläut. Sogar per Fernbedienung hätte man den Klang, der aus zwei 200 Watt starken Lautsprechern kommt, steuern können. Doch mit dem Hightech soll bald Schluss sein. „Wir freuen uns darauf, am 29. Oktober erstmals wieder richtig die Kirchenglocken schlagen lassen zu können“, zeigt sich der heutige Pastor.

Doch der Weg bis zu diesem Freudentag war lang. In den Zeiten der Corona-Pandemie wurden alle Bauprojekte erst einmal auf Eis gelegt, da speziell im ersten Corona-Jahr auch die Kirche nicht wusste, ob oder wie Gelder künftig zur Verfügung stehen“, erklärt Urs Ebenauer.

Darum muss sich das Erscheinungsbild der Kirche in Bad Sachsa so drastisch ändern

Zudem erwiesen sich die Schäden im Turm als ein größeres, grundlegendes Problem wie erwartet– verbunden mit dem heute bekannten Wechsel des Erscheinungsbildes der Kirche. Der Grund für diese Veränderung sind Bausünden der Vergangenheit. „In den 1970er-Jahren hielt man Zement und Beton – wie auch Stahl – für Baustoffe, die die Ewigkeit überdauern und alle baulichen Probleme lösen. Leider stellt sich seitdem der in die Mauern des Turms verpresste Beton eher als Teil des Problems und weniger als Beitrag zu einer Lösung statischer Probleme heraus“, verdeutlichte der heutige Pastor der Ev. Kirchengemeinde, Urs Ebenauer, bei einem Termin Anfang August 2022. Die Folge: Im Innern des Mauerwerks liefen chemische Reaktionen zwischen dem Beton und dem Gipsmörtel des Mauerwerks ab, wenn Regen das Mauerwerk durchfeuchtete. Diese Prozesse führten zur Salzbildung und dadurch zu Rissen in Putz und Mauerwerk, die den Turm grundlegend gefährdeten. So wurde zwischenzeitlich ein Eckstein am Turm bereits teilweise herausgedrückt und musste aufwendig gesichert werden.

Insofern war eine der dringlichsten Aufgaben der Sanierung, die die Außenhaut des Turms vor Regen zu schützen. Die Frage nach dem Wie sorgte dann für Diskussionen innerhalb der Gemeinde, des Kirchenvorstands, dem Amt für Bau- und Kunstpflege in Göttingen, der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover, wie auch dem Landesamt für Denkmalpflege. Letzten Endes stellten alle fest, dass im Harz Schieferplatten genutzt werden, um solche Probleme mit Regen zu vermeiden. „Das macht man bei uns im Harz seit Jahrhunderten so“, erklären Urs Ebenauer, Hans-Christian Metzger und Dietmar Hermann unisono beim Termin vor Ort. Doch die Schieferplatten sind leicht schwarz, die Folge: Der bekannte, markante weiße Kirchturm ist verschwinden und durch einen dunklen ersetzt. Die Entscheidung dafür, sei damals allen nicht leicht gefallen, „sie ist aber die einzige Option, um den Turm zu retten“, äußerte sich Pastor Urs Ebenauer damals noch erklärend. Beim jüngsten Termin vor Ort zeigt sich das Trio aber stolz auf das Ergebnis. „Es passt doch gut und sieht gut aus“, so ihr einhelliges Fazit. Und dies wird auch von einem Ehepaar, dass zufällig während des Gesprächs an der Kirche vorbeiläuft, bestätigt.

Goldene Spitzen, restaurierte Uhren - der Turm der St.-Nikolai-Kirche erstrahlt nicht nur in Schwarz

Die letzten Außenarbeiten sind mittlerweile aber alle abgeschlossen, die Außenhaut des Turmes erneuert und seit dem 13. Juli dieses Jahres erstrahlen auch wieder die neu vergoldeten Spitzen der vier Uhrengauben. Zudem wurden die Zifferblätter neu verglast, der Turm somit weiter optisch aufgewertet. „Den Tipp, diese Arbeiten im Zuge der Sanierung auszuführen, hat uns das Amt für Denkmalpflege gegeben – und das war wirklich gut“, betont Urs Ebenauer.

Lange hat es zwar gedauert – und auch knapp 800.000 Euro gekostet, wobei auch die Kirchengemeinde in Bad Sachsa ca. 50.000 Euro selbst besteuerte. Das Ergebnis hat für den Pastor aber auch etwas mit Nachhaltigkeit zu tun. „Ohne die Schieferplatten müssten wir wohl alle 15 Jahre die Kirche streichen lassen. Bedenkt man, dass allein der Gerüstbau uns 60.000 Euro gekostet hat, und dass die Schiefern mindestens 80 Jahre halten sollen, sparen wir mit dieser Sanierung auch Gelder ein.“ Er wie auch der gesamte Kirchenvorstand ist auch dankbar darüber, dass mit Ausnahme einer Firma alle Gewerke extrem gut gearbeitet haben – „und es ist auch zu keinem Unfall gekommen“. Dass man nicht immer ortsansässige Unternehmen bei dem Projekt habe beauftragen können, sei, so das Trio, der Tatsache geschuldet, dass es sich zum Teil um Spezialarbeiten gehandelt habe. Jetzt aber freuen sie sich auf den 29. Oktober. Ab 11 Uhr wird der Festgottesdienst beginnen, eingeläutet von den Kirchenglocken von St. Nikolai – ein Klang, auf den die Einwohnerinnen und Einwohner von Bad Sachsa seit dem Jahr 2106 warten mussten.

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