Zorge. Seit 20 Jahren engagiert sich die Alzheimer-Gesellschaft Region Harz ehrenamtlich für Demenzkranke und deren Familien. Ein Rück- und Ausblick.

Sie hören zu, vermitteln Hilfe, bieten Entlastung und vor allem: Sie hören nicht damit auf, das Thema Demenz und Alzheimer aus der Tabu-Zone heraus zu holen und in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Die Rede ist von den Mitgliedern des gemeinnützigen VereinsAlzheimer Gesellschaft Harz. Seit nunmehr 20 Jahren engagieren diese sich jetzt bereits, um Aufklärung, Informationen und eben vor allem Hilfe rund um die tückische Krankheit und ihre vielen Erscheinungsformen zu bieten. Der runde Geburtstag wird mit zwei Aktionen am Wochenende 6. und 7. Oktober begangenen. Im Gespräch geben der 1. Vorsitzende Klaus-Günter Lamm und die Beisitzerin Manuela Oehler einen Einblick in die Arbeit des Vereins.

Auftakt für die Feierlichkeiten ist am 6. Oktober mit einem Empfang für geladene Gäste im Seniorenzentrum Lamm in Zorge. Dort will man ebenso mit den Kooperations- und Netzwerkpartnern sich austauschen, wie auch mit Sponsoren, Förderern und den Mitgliedern und Helfern der Gesellschaft. Als Besonderheit können alle Teilnehmenden einen Einblick darin erhalten, wie es sich anfühlt, unter Demenz zu leiden. Der Sozialdienst des Landkreises Göttingen wird vor Ort sein, mit fünf besonderen Boxen. In diesen müssen Teilnehmer Aufgaben erledigen, die aufgrund ihrer Bauart so beschaffen sind, „dass man einen Einblick erhält, wie es einem Erkrankten ergeht. Die Aktion wird deshalb auch begleitet, da sie emotional schon fordernd sein kann“, erklärt Klaus-Günter Lamm.

Einige Daten aus der Geschichte des Vereins

Gegründet wurde die Alzheimer Gesellschaft Region Harz im Jahr 2003.

Ein Jahr später, also 2004 bot man erstmals den Kurs „Hilfe beim Helfen“ für Angehörige von Demenzerkrankten an. Dieser wird bis heute jährlich mit Unterstützung der Barmer Krankenkasse angeboten.

Im gleichen Jahr wurde auch das Demenzcafé initiiiert und die Wohnung Sternstunde eröffnet.

Im Jahr 2017 wurde die Gesellschaft im Rahmen der bundesweiten Initiative Demenz Partner als Modellregion ausgewählt. Im Fokus hier steht die Sensibilisierung und die Information der Menschen, die im Alltag vermehrt Kontakt mit Menschen mit Demenz haben.

Einen Tag später, am 7. Oktober, wird ab 14 Uhr in die Kinowelt Herzberg, Hauptstraße 42a, in Herzberg eingeladen. Dort wird - „dank der Unterstützung des Kinos“, betont Lamm - der Film „Blauer Himmel, weiße Wolken“ gezeigt. Zur Handlung: Die Filmemacherin Astrid Menzel und ihr Bruder unternehmen eine Reise mit ihrer demenzkranken Großmutter. Während der zehntägigen Kanufahrt über norddeutsche Gewässer kommt sich die Familie auf besondere Weise näher, wobei der Ausgang ungewiss ist. Der Eintritt hierzu ist kostenlos. „Wir hoffen auf viele Interessierte, mit denen man im Anschluss natürlich noch gern ins Gespräch kommen möchte“, führt Manuela Oehler weiter aus.

Statt Blumen oder Geschenken: Gesellschaft bittet um Spenden zur Finanzierung ihrer Arbeit

Ganz wichtig ist dem Vorstand der Gesellschaft aber eines: Statt Blumen oder Geschenken, bitten sie um Spenden für die Arbeit des gemeinnützigen Vereins auf dessen Konto, IBAN: DE75 2789 3359 0060 3303 20 unter dem Stichwort „20 Jahre“.

Kurse und Schulungen können für ein besseres Verständnis der Demenz sorgen und damit den Pflegealltag erleichtern.
Kurse und Schulungen können für ein besseres Verständnis der Demenz sorgen und damit den Pflegealltag erleichtern. © dpa-tmn | Jens Kalaene

Rück- und Ausblick: Der Vorstand im Interview:

20 Jahre Alzheimer Gesellschaft Harz sind eine lange Zeit. Ist das Thema genug in der Öffentlichkeit - oder immer noch ein Tabu?

Manuela Oehler: Es ist weiterhin ein Tabu. Wir haben zwar mit dem Verein viel erreicht, viele Informationen gegeben, Hilfe vermittelt und auch selbst Betroffene und Angehörige unterstützt, aber die Krankheit ist immer noch mit viel Scham besetzt bei allen Beteiligten.

Woran genau merkt man das?

Manuela Ohler: Allen voran, dass die Menschen meist viel zu lange warten, ehe sie sich Hilfe beispielsweise bei uns suchen. Niemand will gern ein Familienmitglied abschieben - und man muss auch offen sagen, dass die Kosten für eine Pflegeeinrichtung natürlich auch eine Rolle spielen.

Klaus-Günter Lamm: Wir hatten erst jüngst ein gutes Beispiel. Eine Familie rief privat bei uns daheim am Samstag an, dass ihr Familienmitglied umgehend bei uns einen Platz kriegen muss. Von einem Tag auf den anderen sei die Person völlig anders geworden. Wir konnten nur mitteilen, dass wir ab Montag in Ruhe reden müssen, wir aber erst einmal nur einen Platz auf einer Warteliste haben. Als wir dann noch nachhakten, ab wann genau derjenige denn „komisch“ geworden sei, teilte man uns kleinlaut mit, dass dies schon eine ganze Zeit so gewesen sei.

Genau hier kommt dann aber doch die Arbeit des Vereins ins Spiel?

Klaus-Günter Lamm: Genau. Unser wichtiges Ziel ist es seit jeher, dass wir versuchen, mit den Hilfsangeboten, die es gibt und dem Wissen, dass wir vermitteln können, dafür zu sorgen, dass die Demenzkranken wirklich möglichst lange in ihrem eigenen Umfeld bleiben können. Natürlich mit dem Blick darauf, wie es vertretbar für alle Beteiligten ist.

Manuela Oehler: Den meisten Menschen hilft allein schon das erste Gespräch mit uns weiter. Dass sie jemanden haben, der ihre Situation, ihre Probleme versteht - aber auch weiß, wie sie sich helfen können. Manchmal kann so ein Erstkontakt so viel Input an den anderen vermitteln, dass dieser über Jahre mit der Situation umgehen kann, ehe dann weitere Hilfe nötig ist. Aber am Ende sind es immer Einzelfälle.

Wie wurde der Verein im Harz überhaupt gegründet?

Klaus-Günter Lamm: Dr. Manutscher Daneschdar aus Wieda war der Initiator für den Verein. In einem Ärztekreis, dem er angehörte, kam das Thema immer stärker auf damals. Zudem sah er auch einen stetig steigenden Anstieg der Erkrankungsfälle in seiner Praxis. Da gerade hier im ländlichen Raum Aufklärung fehlte, wollte er dort ansetzen. Gerade seine guten Kontakte zu anderen Medizinern nach Hannover oder Göttingen haben in der Anfangszeit der Gesellschaft geholfen, damals waren auch viele Ärzte Mitglieder des Vereins.

Apropos Ärzte und Medizin. Viele hoffen ja auf die Forschung zur Heilung von Demenz und Alzheimer.

Klaus-Günter Lamm: Natürlich. Aber stand jetzt gibt es keine Pille, kein Heilmittel. Wir können nur lernen, mit den Menschen und deren eigener Welt, die durch die Krankheit entsteht, umzugehen.

Wagen wir zum Abschluss einen Blick in die Zukunft: Wie wird sich die Arbeit des Vereins entwickeln? Wann sollte man ihn in Anspruch nehmen?

Manuela Oehler: Wir werden uns vor allem darauf einstellen müssen, dass Demenzerkrankte immer jünger werden. Es ist heute schon klar,dass eine Depression die Chance verstärkt zu erkranken. Bedenkt man, wie viele, vor allem junge Menschen bereits an Depressionen leiden, kommt auf uns in der Zukunft eine regelrechte Welle an Demenzkranken zu. Und zur Frage, wann man kommen soll: Auch das ist wieder individuell. Unser Tipp: Lieber einmal mehr nachfragen.

Ein Klebezettel mit dem Schriftzug „Herd aus?“ klebt an einem Herd neben den Drehknöpfen. Demenzerkrankungen bedeuten für die Betroffenen, aber auch für Angehörige und Pflegepersonal eine große Belastung.
Ein Klebezettel mit dem Schriftzug „Herd aus?“ klebt an einem Herd neben den Drehknöpfen. Demenzerkrankungen bedeuten für die Betroffenen, aber auch für Angehörige und Pflegepersonal eine große Belastung. © dpa | Jens Kalaene

Diese Hilfen bietet die Alzheimer Gesellschaft Region Harz Erkrankten und deren Angehörigen:

  • Alzheimer Telefon: Fragen nach dem Krankheitsbild, zum Umgang mit schwierigen Verhaltensweisen, rechtliche Angelegenheiten oder der Wunsch, ganz persönliche Probleme können hier auch anonym angesprochen werden. Es können auch persönliche Kontakte und Hausbesuche vereinbart werden. Das Telefon ist unter der Nummer 05586-8040 täglich von 9 bis 15 Uhr zu erreichen.
  • Angehörigentreff: Angehörigen von an Demenz-Erkrankten können sich in der Gruppe unter fachlicher Anleitung in einer Selbsthilfegruppe treffen, um sich gegenseitig durch Informations- und Erfahrungsaustausch zu unterstützen und zu entlasten. Parallel zur Angehörigengruppe wird eine Betreuungsgruppe für die betroffenen Partner angeboten.
  • Demenzcafé Sternstunde: In der Wohnung „Sternstunde“, Waldsaumweg 20, in Zorge erleben die Demenzerkrankten bei Kaffee und Kuchen einen unbeschwerten Nachmittag. Ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer sind für die Erkrankten unter fachlicher Anleitung Vertrauensperson: sie tanzen, erzählen oder singen mit ihnen.
  • Häusliche Betreuung: Zum Helferkreis der Gesellschaft gehören ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche demenzerkrankte Menschen in ihrem häuslichen Umfeld stundenweise betreuen oder sie bei Unternehmungen begleiten - aber nicht pflegen. Die Ehrenamtlichen werden in Schulungen auf ihre Aufgabe vorbereitet und anschließend in der Praxis fachlich unterstützt. Vor dem ersten Einsatz lernen sich Helfer, Erkrankte und deren Angehörige kennen.
  • Meine Gedächtnisstütze: Dies ist eine beschwingte Aktivierungsstunde für Menschen mit Demenz im Frühstadium. Sehr gern können auch Partner sowie Interessierte, die mit Humor etwas gegen die alltägliche Vergesslichkeit tun möchten, teilnehmen.
  • Tagesbetreuung Sternstunde: Jeden Mittwoch wird in der Wohnung Sternstunde von 10 bis 16 Uhr eine Tagesbetreuung für Menschen mit Demenz an. Angehörige haben an diesem Tag die Möglichkeit, den Freiraum für sich zu nutzen. Geschulte HelferInnen begleiten die Demenzerkrankten über den Tag.
  • Treffpunkt Demenz: Hierbei handelt es sich um Beratungsangebote für Angehörige, Familien und betroffene Menschen. Eine persönliche Beratung hier in Bad Sachsa sowie in den Räumen vom Palliativstützpunkt St. Vitus Seesen, Sieberstraße 2, in Herzberg (gegenüber vom Finanzamt). Für beide Orte ist eine vorherige Anmeldung bzw. Absprache notwendig.
  • Weitere Informationen erhalten Interessierte zudem auf der Homepage der Gesellschaft unter www.demharz.de sowie per E-Mal an mail@demharz.de.

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