Tettenborn. Nach 113 Jahren steht der Tettenborner Männergesangverein Harmonie vor dem Aus. Der aktuelle Vorsitzende Burkhard Schmidt zieht Bilanz.

Seit dem Jahr 1910 gibt es den Männergesangverein Harmonie in Tettenborn. Es war einer von vier Gesangvereinen in Tettenborn, jeweils zwei im Dorf Tettenborn und zwei auf der Kolonie. Der Verein hatte in den Gründungsjahren ca. 20 Sangesbrüder und im Laufe der Jahre konnte der Verein auf über 30 Sänger zurückblicken.

Junger Chor verliert sieben Mitglieder durch den 1. Weltkrieg

Die erste Bewährungsprobe musste der junge Verein bereits nach einigen Jahren machen, durch den 1. Weltkrieg verlor der junge Verein bereits sieben Sangesbrüder, 15 Jahre nach Kriegsende wurde die Singtätigkeit des Arbeitergesangverein Harmonie von den Nationalsozialisten zunächst eingeschränkt. 1935 wurden noch zwölf Gründungs-Sangesbrüder für 25jährige Mitgliedschaft geehrt. Ab 1942 ruhten die wöchentlichen Gesangsübungsabende vollständig. Trotz der hohen Verluste an Sängerstimmen gründeten die ca. 20 aus dem Krieg und der Gefangenschaft heimgekehrten Sangesbrüder 1946 den Verein neu.

Vor der Gründung des Arbeiterverein MGV Harmonie gab es seit dem Jahr 1846 bereits im Dorf den Gesangverein „Liederhort“ in denen die Bauern, Handwerker und Kaufleute sangen. Aus Nachwuchsmangel wurde dieser Verein bereits 1970 aufgelöst.

MGV Harmonie fängt Sänger aus anderen Vereinen auf

Mit dem Wachsen des Ortsteils Tettenborn-Bahnhof, später hieß er dann Tettenborn Kolonie, entstand in den 1920 Jahren ein Werksgesangverein in der aufstrebenden Harzer-Holzwarenfabrik Gebr. Lohoff. Dieser ging dann 1933 in dem neugegründeten Gesangverein Liederhort auf. Auch dieser Verein konnte sich aus Mangel an Sängern nur bis in die 1980rt-Jahre retten.

Das 40-jährige Jubiläum des MGV wird im Jahr 1950 mit großem Festzelt auf dem Schützenplatz gefeiert. 
Das 40-jährige Jubiläum des MGV wird im Jahr 1950 mit großem Festzelt auf dem Schützenplatz gefeiert.  © FMN | MGV Tettenborn

Bereits damals begann das langsame Sterben der Männergesangverein und die Tettenborner Harmonie war teilweise Auffangstation für Sänger der anderen Tettenborner Gesangvereine bzw. von Sängern aus den aufgelösten Gesangsvereinen von Bad Sachsa. Einen kleinen Aufschwung gab es dann nach der Grenzöffnung, als Sangesbrüder aus den Nachbargemeinden Mackenrode oder Clettenberg dem Verein beitraten.

Zu Hochzeiten werden 50 Sangesbrüder gezählt

Die Hochzeiten wie in den 1950-Jahren zum 40-jährigen Jubiläum mit 50 Sangesbrüdern kamen jedoch nie wieder zurück.

Was über viele Jahre gepflegt wurde waren die Vereinsfahrten, die die Sänger und deren Ehefrauen durch ganz Deutschland führte. Es ging an den Rhein, in die Voralpen, ins Erzgebirge, an Nord- und Ostsee, an die Weser und viele andere schöne Orte die man in den Lieder so oft besungen hatte. Mit zu den letzten schönen Fahrten ging es nach Lubmin zum 60. Geburtstag vom Sangesbruder Dr. Berry einem aus Haiti stammenden Mediziner.

Allmählich rächte sich die Verweigerung einen gemischten Chor aufzubauen. Über kurze Zeit als es in der Sangesstimme des Tenors, zu einem Engpass kam, sprang die Tochter des Vereinswirts ein und unterstützte den Chor.

Besondere Plakette für die Pflege des deutschen Liedgutes

Im Jahre 2010 konnte der Verein noch die Zelter Plakette, eine Auszeichnung für Gesangsvereine, vom Bundespräsidenten in Empfang nehmen, die über 100 Jahre das deutsche Liedgut pflegen.

Sommerfeste feierte der MGV Harmonie in Tettenborn gern.
Sommerfeste feierte der MGV Harmonie in Tettenborn gern. © Verein | Verein

Der Chor gehörte bei vielen Veranstaltungen einfach dazu. Es waren die Auftritte bei den Weihnachtsfeiern der Senioren in den Altenheimen des Südharzes oder im DGH, den musikalischen Begleitungen bei Gottesdiensten im Dorf, der Andacht am Ehrenmal der Gefallenen beider Kriege, dem Schützenfest oder den Dorffesten. Diese Auftritte wurden dann auch teilweise mit Orgel, Gitarre, Flöte, Trommel oder Querflöte begleitet. Das gehört jetzt mit der Auflösung der Vergangenheit an. Gerne wird auch an die Chorauftritte zu den Sängerwettbewerben in Salzgitter, Goslar und vielen anderen Orten im Harzvorland oder den Südharzer Sängertagen einem Chortreffen über die einstigen Grenzen nach Thüringen gedacht.

Corona-Pandemie beschleunigt den Niedergang

Mit der Pandemie zeichnete sich das allmähliche Ende des letzten Gesangsvereins im Stadtgebiet der Stadt Bad Sachsa ab. Der Altersdurchschnitt näherte sich fast der 80 und dann macht das Atmen nicht mehr mit und der Gesang ebbt langsam ab. Selbst die monatlichen Treffen zum gemütlichen Beisammensein konnten von vielen nicht mehr wahrgenommen werden oder wurden durch die Einschränkungen zu Nichte gemacht. Ein Versuch mit dem Walkenrieder Sägern in eine Singgemeinschaft zu bilden, scheiterte ebenfalls.

Auf der letzten Jahreshauptversammlung beschloss die Mehrheit eine Auflösung des Vereins. Seit vielen Jahren konnten auch nur noch zwei der Vorstandsposten, Vorsitzender und Kassierer, besetzt werden. Der 1. Vorsitzende Burkhard Schmidt ist auch das letzte Familienmitglied aus 4 Gesangsgenerationen die dem Verein über Jahre die Treue gehalten haben, sein Urgroßvater Karl Eilhardt war einst Gründungsmitglied des Vereins.

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