Wolfsburg. Im Studio Digital haben Museumsleute aus Wolfsburg und Schüler aus Backnang sich einiges einfallen lassen, um Kunst zu vermitteln und begreifen.

Doch, ja, es macht wirklich Spaß. Da musst du sogar aufpassen, dass du dich nicht zu lange aufhältst in diesem digitalen Studio und die Zeit vergisst. Vor allem, weil man selbst unversehens ins kreative Basteln gerät. Da steht ja zum Beispiel den berühmten Warhol-Roboter des Video-Künstlers Nam-Jun Paik gleich im Eingangsbereich des Kunstmuseums. In dem neuen digitalen Schüler-Projekt gibt es nun die Möglichkeit, sich aus all den Bauteilen dieser Plastik selber einen virtuellen Roboter zu bauen.

Oder gleich daneben, bei der überlebensgroßen Plastik von Jeff Koons, einem riesigen Bären mit buntem Hemdchen, der einen englischen Polizisten um die Schulter prankt: Da kann man sich überlegen,was die beiden wohl zu bereden haben – und dies in eine Sprechblasen-Kommunikation fassen.

Frei für alle Schulen

Bei den rätselhaft erzählerischen Fotografien von Jeff Wall lautet die Aufgabe: „Stelle eine Filmszene in einem Foto nach.“ Bei den großen Geisterfiguren von Thomas Schütte wird ein Quiz geboten. Wer sieben Fragen richtig beantwortet, bekommt ein Zertifikat. Bei der Fotografin Gauri Gill kann man sich mittels Instagram-Filter selbst mit Masken inszenieren. Zu Cindy Shermans „Untiteld Film Stills“ soll man sich Geschichten ausdenken und mit anderen vergleichen. Zu den zarten Porträts von Elisabeth Peyton werden Heikus erwünscht, zu den geometrischen Abstraktionen von Sarah Morris Raster angeboten, die mit Farben auszufüllen sind.

Insgesamt 10 Kunstwerke aus dem Bestand des Museums bilden den Ausgangspunkt des innovativen virtuellen Projekts, welches das Museum gemeinsam mit Schülern des Max-Born-Gymnasiums in Backnang in der Nähe von Stuttgart und deren Lehrerin Sara Dahme gestartet hat und nun frei zugänglich für Schulklassen im deutschsprachigen Raum anbietet (studiodigital.kunstmuseum.de).

Blaupause

Aber Museumsdirektor Andreas Beitin und die Projektleiterin Sarah Groiß haben schon recht,wenn sie bei der Vorstellung feststellen: Dies mache auch Erwachsenen Spaß (stimmt) und sogar Profis aus dem Kunstbereich. Und es ist „Open Source“; jeder kann rein. Die Wolfsburger sind mit dem Projekt nach eigener Auskunft Vorreiter. Groiß sieht es als „Blaupause für das digitale Umdenken in der Museumsarbeit“.

Das Besondere: Das Projekt sei tatsächlich auf Augenhöhe zwischen den Museumsleuten und den Schülern und Schülerinnen aus Backnang entstanden, beteuern alle Beteiligten. Ausgangpunkt seien deren Fragen, Ideen und Wünsche gewesen. Ute Lefahrt, Leiterin der Abteilung Kunstvermittlung in Wolfsburg, bezeichnet den Prozess als eine „Spirale der gegenseitigen kreativen Befruchtung und Bereicherung“.

„Unser Baby!“

Die Backnanger Lehrerin Sara Dahme berichtet mit ziemlicher Emphase, wie die Schüler sich in der Entwicklung von Ideen untereinander befeuert, aber auch kritisch befragt hätten – über verschiedene Altersstufen hinweg und sogar in den Schulferien. Bis am Ende alle stolz gewesen seien in dem Gefühl: „Das ist jetzt unser Baby!“

Neben den sogenannten „Creative Tools“, in welchen die Schüler ausgehend von dem jeweiligen Wolfsburger Werk eigene Objekte schaffen können, gibt es auch eine „Hall of Fame“, wo die jungen Kreativen ihre Arbeiten zur Schau stellen oder über soziale Netzwerke im Freundeskreis herumschicken. können. Hinzu kommen natürlich auch Informationen zu Werk und Künstler, Links zu weiterführender Literatur, Einladungen zu Workshops, Aufgabenblätter oder je ein Podcast, von den Schülern mithilfe eines Musikers selbst hergestellt.

Fun Facts

Außerdem, von den Schülern selbst dringend gewünscht: Fun Facts – also lustige Details. Zum Beispiel , dass die über zwei Meter hohe Bärenskulptur von Jeff Koons nach einem Zeitungsfoto entstand, dass sie ein Oberammergauer Herrgottschnitzer schuf und dass der Künstler ein wesentliches Detail veränderte: Auf dem Foto hat der Bär dem Polizisten das Handy geklaut, nicht die Trillerpfeife. Dass Thomas Schütte vom Komiker Helge Schneider inspiriert ist und von dessen Spruch: „Das Glück liegt auf der Straße – man darf nur nicht reintreten.“ Dass Nam-Yun Paik bei seine Vorlesungen die Schuhe falsch herum trug und immer eine Klopapierrolle in der Hosentasche hatte wegen seines chronischen Schnupfens. Dass Cindy Sherman schon als Kind besonders hässliche Verkleidungen liebte.

Dass die Partnerschule in Baden-Württemberg liegt und nicht in unserer Region, liege keinesfalls am mangelnde Interesse hier vor Ort, betont Ute Lefahrt. Es sei vielmehr der Wunsch des Museum gewesen, eine Schule „gerade nicht in unserer Nähe zu finden, damit wir auch Fragen bekommen von Leuten, die unser Haus nicht kennen“.

So, jetzt wollen wir mal schauen, ob wir den Zeichentrick-Film zum Werk der poetischen Videokünstlerin Katie Armstrong hinkriegen...