Wolfsburg. Konzern will sich jahrelange Rechtsstreitigkeiten mit Verbrauchern ersparen. Portal zur Abwicklung bald online.

VW setzt darauf, dass alle dazu berechtigten VW-Kunden, die sich der Klage der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) angeschlossen haben, einen Vergleich mit dem Autobauer abschließen. Der Konzern hofft so – mehr als vier Jahre nach Bekanntwerden des Abgas-Skandals – sich selbst, den Kunden und der Justiz jahrelange Rechtsstreitigkeiten ersparen zu können. Laut einer VW-Hochrechnung sind 262.500 der insgesamt rund 400.000 Kunden, die sich der Klage angeschlossen hatten, vergleichsberechtigt. Die vom Konzern dafür bereitgestellte Summe in Höhe von 830 Millionen Euro soll voll ausgeschöpft werden. Kunden, die einem Vergleich nicht zustimmen, bleibt weiterhin der Weg der Einzelklage gegen den Autobauer.

Das Zeitfenster für die Vergleichsabschlüsse gibt der Konzern mit 20. März bis 20. April an. Wenig später, Anfang Mai, wird zum ersten mal eine Kundenklage vor dem Bundesgerichtshof (BGH) verhandelt. VW hat ein Interesse daran, sich vorher mit den Klägern zu einigen. Denn sollte der BGH VW-Kunden ein Recht auf Entschädigung zusprechen und eine hohe Entschädigungssumme vorsehen, müsste der Autobauer möglicherweise noch tiefer in die Tasche greifen als nun im Vergleichsfall. Allerdings ist völlig offen, wie der BGH entscheiden wird. Folgt er der Argumentation von Volkswagen, steht VW-Kunden mit den betroffenen Fahrzeugen keine Entschädigung zu, weil ihnen demnach gar kein Schaden entstanden wäre.

Ronny Jahn, Teamleiter Musterfeststellungsklage beim VZBV, betont: „Wir wollen für den Verbraucher maximale Wahlfreiheit. Die schafft dieser Vergleich.“ Diejenigen, die die angebotene Entschädigungssumme in ihrem Fall für angemessen halten, könnten dem Vergleich zustimmen. „Diejenigen, die glauben, dass sie in ihrem Fall noch mehr herausholen können und das Risiko eingehen wollen, können Einzelklage erheben, wenn wir die Klage niederlegen“, erklärte Jahn.

Der VZBV will seine Musterfeststellungsklage Ende April zurückziehen. Die Abwicklung der Vergleichsabschlüsse liegt nun in den Händen von VW, wird aber von den Verbraucherschützern stichprobenartig kontrolliert. VW erklärte am Freitag, sich mit der VZBV eine transparente und nachvollziehbare Abwicklung geeinigt zu haben.

So gehen betroffene Kunden vor

Rund 330.000 im Klageregister angemeldete Verbraucher erhalten ab dem 20. März Post von VW. Der Konzern hat den Register mit 400.000 Einträgen von Doppelnennungen und Firmen bereinigt. VW geht davon aus, dass von diesen 330.000 Personen 262.500 Kunden alle Kriterien erfüllen, um vergleichsberechtigt zu sein -- so dürfen sie ihr Auto beispielsweise nicht nach dem 1. Januar 2016 gekauft haben und müssen ihren Wohnsitz zum Zeitpunkt des Kaufs in Deutschland gehabt haben.

Klaus Müller, Vorstand vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), spricht bei einer Pressekonferenz über das Ergebnis der Vergleichsverhandlungen der vzbv mit Volkswagen.
Klaus Müller, Vorstand vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), spricht bei einer Pressekonferenz über das Ergebnis der Vergleichsverhandlungen der vzbv mit Volkswagen. © dpa | Christophe Gateau

Im Brief stehen Benutzername und Pin, mit dem sich Verbraucher ab dem 20. März auf der Plattform www.mein-vw-vergleich.de anmelden können. Der Verbraucher wird laut VW dann gebeten, seine Identifikationsnummer aus dem Fahrzeugbrief einzugeben. Anhand derer prüft das System, ob im Auto auch wirklich der Betrugsmotor EA 189 verbaut war und zudem, ob der Kunde seine Ansprüche nicht schon abgegolten hat, etwa durch ein individuelles Verfahren. Ist alles korrekt, erfährt der Kunde an dieser Stelle bereits seinen voraussichtlichen Vergleichsbetrag – der je nach Modell und Modelljahr zwischen 1350 und 6257 Euro liegt.

Um zu entscheiden, ob der Kunde den Vergleich schließen will oder nicht, kann er sich außerdem von seinem Anwalt auf Kosten von VW – bis 190 Euro netto – beraten lassen. Sollte er sich dafür entscheiden, muss er auf dem Portal einige weitere Fragen beantworten, die belegen sollen, dass er vergleichsberechtigt ist. Als amtlichen Beleg soll der betroffene Kunde außerdem seinen Fahrzeugbrief hochladen (Zulassungsbescheinigung Teil 2), schließlich seine Kontodaten angeben und dieses Gesamtpaket, rechtstechnisch als „Vergleichsangebot“ bezeichnet, absenden.

Vergleichsberechtigte Kunden erhalten die verbindliche Annahme des Vergleichs per E-Mail von Volkswagen. Ihnen steht ab dem 20. April dennoch eine zweiwöchige Widerrufsfrist zu. Der Konzern will innerhalb von zwölf Wochen nach Angebotsannahme sowie Ablauf der Widerrufsfrist zahlen, erste Kunden könnten also schon am 5. Mai ihren Vergleichsbetrag erhalten.

Verbraucher, die Schwierigkeiten mit der Plattform haben, sollen sich außerdem an eine Hotline, die mit mehr als 600 Mitarbeitern besetzt sein soll, wenden können. Außerdem haben sich VZBV und VW auf die Einrichtung einer unabhängigen Ombudssstelle für Streitfälle geeinigt.