Wolfenbüttel. Gravierende Schäden richtet das Hochwasser im Kreis Wolfenbüttel und im Harz an. Im Herbst folgen Stürme.

15 Zentimeter. Nur 15 Zentimeter hätten gefehlt und das Juli-Hochwasser hätte das Fachwerk-Juwel Hornburg überschwemmt. In Schladen hätten gar nur 10 Zentimeter mehr gereicht und es wäre zur Katastrophe gekommen. Der Oker-Pegel stand dort bei historischen 3,56 Metern; in Hornburg an der Ilse war der Pegel nicht einmal mehr zu sehen. In Ohrum stand das Wasser bei 4,40 Metern. Zum Vergleich: Bei dem verheerenden Hochwasser 2007 lag der Oker-Pegel bei 3,10 Metern.

Endloser Dauerregen und die Zuflüsse aus dem Harz hatten im Sommer dieses Jahres die Orte in der Gemeinde Schladen-Werla im Landkreis Wolfenbüttel massiv bedroht. „Es war schrecklich“, erinnert sich Bürgermeister Andreas Memmert. 21 000 Säcke waren befüllt und verteilt worden. Im Kieswerk Heiningen gab es am Ende keinen Sand mehr.

Bürgermeister Memmert ist dankbar für all die freiwilligen Helfer, die tagelang mit anpackten. Trotzdem forderte die Flut ihren Tribut: Allein in der Gemeinde Schladen Werla waren 280 private Haushalte betroffen, kommunale Schäden in Höhe von rund 75 000 Euro sind entstanden. Schäden, die nach Memmerts Meinung teilweise vermeidbar gewesen wären.

In der gesamten Region war die Feuerwehr im Dauereinsatz. Vollgelaufene Keller, überflutete Straßen und Felder, gesperrte Supermärkte und mancherorts evakuierte Häuser prägten das Bild der letzten Juli-Woche in Südniedersachsen.

Bevor die Flut den Landkreis Wolfenbüttel erreichte, hatte sie im Harz die Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Die Wassermassen rissen in Bad Harzburg alles mit, was nicht niet- und nagelfest war und hinterließen dort eine Spur der Zerstörung. Alle Hauptverkehrswege waren blockiert und der Bahnhof gesperrt.

In Goslar trat die Abzucht über die Ufer und setzte große Teile der Altstadt unter Wasser. Derlei hatte es im Harz seit Jahrzehnten nicht gegeben. Die Kreisverwaltung rief den Katastrophenalarm aus. Ein Altenheim und ein Hotel in Goslar mussten evakuiert werden.

Dann erreichte die Flut Wolfenbüttel. Teile der Innenstadt standen unter Wasser, die Oker trat an vielen Stellen über die Ufer. Das Grundwasser drückte zudem von unten in die Keller. Am 27. Juli um 21.21 Uhr ruft die Landrätin Christiana Steinbrügge den Katastrophenalarm aus. Sie übernimmt die politische Verantwortung. Die operativ-taktische Einsatzführung übernimmt der Katastrophen-Schutzstab. Laut Stadt waren die Helfer der Feuerwehr Wolfenbüttel nach tagelangem Dauereinsatz am Ende ihrer Kräfte. Durch die Auslösung des Katastrophenfalls war es möglich, frische Kräfte aus anderen Bereichen zu bekommen.

Über 600 Helfer kämpften gegen die drohende Flutkatastrophe. Häuser wurden evakuiert und die Bewohner eines Altenheims in Sicherheit gebracht. Zahlreiche Räume des Gymnasiums Große Schule liefen voll mit Wasser. Am 28. Juli um 15.50 Uhr wurde der Katastrophenfall beendet.

Für die Betroffenen bedeutete das Hochwasser eine große Belastung – nicht nur emotional und physisch, sondern auch finanziell. Der Landkreis Wolfenbüttel und unsere Zeitung riefen deswegen zu einer gemeinsamen Spendenaktion auf, um den Opfern der Flut zu helfen. Unsere Leser spendeten mehr als 138 000 Euro.

Landrätin Steinbrügge freut sich über die Spendenbereitschaft der Menschen: „Die Spendenaktion „Das goldene Herz“ dieser Zeitung hat den vom Hochwasser betroffenen Menschen sehr geholfen. Ich bin den Leserinnen und Lesern sehr dankbar für ihre Spenden.“

Laut Landkreis wurden die Gelder für die Soforthilfe für hochwassergeschädigte Privathaushalte und die Spendengelder aus der Aktion „Das Goldene Herz“ bereits ausgezahlt. Insgesamt gibt es 84 bewilligte Anträge (davon 46 für die Spendenaktion).

Doch wann kommt das nächste Hochwasser? Für Andreas Memmert, Initiator des Hochwasserschutzmodells Nördliches Harzvorland, ist es kurz vor zwölf. Schon 2018 könnte die nächste Flut unsere Region erreichen. „Wir brauchen endlich die versprochene Unterstützung vom Land, damit wir mit den Maßnahmen beginnen können. Wir können keine Mauern mehr bauen, wir müssen den Flüssen endlich Raum geben.“ Auch der Landkreis sieht Handlungsbedarf. Künftig soll die Hochwasser-Prognose verbessert werden. Daher sei ein optimiertes Pegelinformationsnetz geplant, das digital verfügbar ist. Steinbrügge: „Mit diesen Daten können die Gemeinden den Hochwasserschutz besser planen und Einsatzkräfte die Lage besser vorhersehen. Im Haushalt 2018 sind die dafür nötigen Mittel eingeplant.“

Herbststürme legen Bahnverkehr im Norden lahm

Anfang Oktober zieht Orkan Xavier von der Nordsee mit Böen von bis zu 115 Stundenkilometern und heftigen Regenfällen über Norddeutschland. Sieben Menschen kommen hier zu Tode, zwei weitere in Polen. In der Region gibt es Verletzte und Sachschäden. Wegen umgestürzter Bäume muss der Bahnverkehr im ganzen Norden tagelang teils komplett eingestellt werden.

Kurz danach ist wieder Sturmalarm: „Herwart“ fegt über Nord- und Mitteleuropa und richtet große Schäden an. Allein in Deutschland kommen mindestens drei Menschen zu Tode. Die Region kommt dieses Mal glimpflich davon, es gibt keine Verletzten. Bahnkunden allerdings trifft der Sturm hart: Der Fernverkehr wird in sieben Bundesländern für längere Zeit gestoppt. Viele Kunden sind wütend. Es folgen Diskussionen, wie nahe Bäume überhaupt an den Gleisen stehen sollten.