Braunschweig. Alstom und Siemens Mobility geben ihre Fusion bekannt. Braunschweig und Salzgitter sollen sich nicht sorgen.

Es war ein Paukenschlag – für die ganze Zugbranche wie für unsere Region, die damit aber wohl auch ihre Position als Mobilitätsstandort stärken wird. Am späten Abend des 27. September, nach einer außerordentlichen Sitzung des Aufsichtsrates, teilte Siemens mit, was selbst Mitarbeiter überraschte: Der Konzern will seine Bahnsparte mit dem französischen Konkurrenten Alstom zusammenlegen. Der neue Bahn-Riese Siemens-Alstom soll nicht weniger werden als der Weltmarktführer der Zugbranche, wie sein künftiger Chef Henri Poupart-Lafarge zwei Wochen später im Interview mit unserer Zeitung ankündigte. In unserer Region werden mit dem geplanten Zusammenschluss knapp 6000 Menschen neue Kollegen bekommen.

Siemens beschäftigt in Braunschweig rund 3000 Mitarbeiter, die auf Signaltechnik und Bahnautomatisierung spezialisiert sind. Alstom baut in Salzgitter mit rund 2500 Mitarbeitern Züge; der weltweit größte Alstom-Standort ist der Hauptsitz in Deutschland und zugleich das internationale Kompetenzzentrum für Nahverkehrszüge. Hinzu kommt ein Service-Standort in Braunschweig. Ihre Jobs sollen alle Mitarbeiter behalten – zumindest zunächst. Wenn die Kartellbehörden zustimmen, soll ab dem endgültigen Zusammenschluss in der zweiten Hälfte 2018 eine vierjährige Standort- und Beschäftigungsgarantie beginnen.

„Ich ziehe es vor, der erste zu sein, der den besten Partner wählt – statt den, der auf der Tanzfläche übrigbleibt.“
„Ich ziehe es vor, der erste zu sein, der den besten Partner wählt – statt den, der auf der Tanzfläche übrigbleibt.“ © Henri Poupart-Lafarge, Alstom-Chef und künftiger Chef von Siemens-Alstom

Dementsprechend fiel das Echo in unserer Region positiv aus. Selbst die Arbeitnehmer zeigten sich optimistisch. Denn Hintergrund der „Hochzeit“ ist die erstarkende Konkurrenz aus China. Wobei Poupart-Lafarge, zurzeit Alstom-Chef, gegenüber unserer Zeitung betonte, der Zusammenschluss werde nicht davon diktiert. Grund sei die Notwendigkeit zu investieren, um die beste Lösung für den Markt anzubieten. „Wir agieren aus der Position der Stärke“, sagte der Franzose.

Doch das Ziel von Fusionen sind immer auch Synergien. „Es wird Entlassungen geben“, gab Siemens-Konzernchef Joe Kaeser unumwunden zu. In Paris demonstrierten Gewerkschafter Anfang Dezember vor dem Wirtschaftsministerium – aus Sorge vor Jobverlusten. Poupart-Lafarge hingegen betonte im Interview, die vier Jahre seien „keine Mauer“. So lange werde es dauern, bis die beiden Unternehmen eines bilden. Danach gehe das Leben weiter – „mit mehr Möglichkeiten“.

Salzgitter und Braunschweig sollen dabei sogar eine „besonders starke Rolle“ spielen. Denn sie liegen nicht nur nah beieinander, sondern ergänzen sich auch. „Es besteht kein Grund zur Angst vor Rationalisierung“, sagte der 48-Jährige. Auch bei der neuen gemeinsamen Unternehmenskultur sollten Braunschweig und Salzgitter eine große Rolle spielen. Künftig werden etwa 33 000 Mitarbeiter von Alstom und 27 000 von Siemens zusammenarbeiten. Siemens soll 51 Prozent der Anteile halten, die Zentrale in Paris sein. Welche Rolle die Standorte in unserer Region tatsächlich spielen werden, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.

Global hat Poupart-Lafarge eine Vision mit zwei Elementen: zum einen eine kritische Größe auf allen Kontinenten, also eine starke Präsenz auf dem Weltmarkt zu erreichen; zum anderen will der neue Bahn-Riese komplette Mobilitätssysteme anbieten. Die globalen Lösungen sollen sowohl die Steuerung des Schienennetzes einschließen als auch das Management zwischen Zugverkehr, Bussen, Taxis oder autonomen Autos.

Siemens-Alstom soll eine Plattform-Strategie verfolgen, das bedeutet gemeinsame Produktionsprozesse. Das Portfolio soll aber deshalb laut Poupart-Lafarge nicht kleiner werden. Das werde nicht allzu komplex, denn es gebe kaum Überschneidungen bei den Produkten. Siemens und Alstom konkurrierten bisher nur bei etwa zehn Prozent.

Einen anderen Konkurrenten könnte die Fusion hingegen unter Druck setzen: den kanadischen Bombardier-Konzern, der auch einen Standort in Braunschweig hat. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire erwartet sogar, dass aus Siemens-Alstom über kurz oder lang ein Dreier- oder gar Viererbündnis wird. Poupart-Lafarge äußerte sich dazu zurückhaltend. Doch auch er geht von weiteren Fusionen in der Branche aus: „Ich glaube, am Ende werden ein paar wenige globale und ein paar regionale Player miteinander konkurrieren.“

Siemens war auch an Bombardier interessiert, und auch Alstom hatte Gespräche mit Bombardier geführt. Einig wurden sich Siemens und Alstom. Poupart-Lafarge: „Ich ziehe es vor, der erste zu sein, der den besten Partner wählt – statt den, der auf der Tanzfläche übrigbleibt.“