Braunschweig. Die Leser haben einen jungen Umweltschützer zum Sieger des 13. Gemeinsam-Preises gewählt. Timo Engel ist nicht der einzige Gewinner des Abends.

Was Bert Brecht vom Gemeinsam-Preis unserer Zeitung gehalten hätte, wissen wir nicht. Der berühmte deutsche Dramatiker hat aber schon 1928 in seiner Dreigroschenoper ein Phänomen beschrieben, dem sich auch die Preisverleihung im Braunschweiger Dom verpflichtet fühlt. So heißt es in der Moritat von Mackie Messer:

Denn die einen sind im Dunkeln/Und die andern sind im Licht/Und man siehet die im Lichte/Die im Dunkeln sieht man nicht...

„Er zeigt uns allen: Nicht nur die Starken und Mächtigen verändern die Welt. Jeder kann etwas tun.“
Armin Maus in seiner Laudatio auf den Preisträger Timo Engel

Der Gemeinsam-Preis, den unsere Zeitung zusammen mit dem Braunschweiger Dom seit 2004 verleiht, will sich nicht die von Brecht kritisierten gesellschaftlichen Umstände zu eigen machen. Nein. Aber er will Menschen für einen Tag aus dem Schatten ins Licht holen, weil ihre Anstrengungen Vorbild für andere sein sollten. Ob Timo Engel, der 12-jährige Umweltschützer aus dem Kreis Peine, Flüchtlingshelfer Samuel Seferino aus dem Kreis Wolfenbüttel, die Braunschweiger Selbsthilfegruppe Angehöriger psychisch erkrankter Menschen oder die anderen 25 Nominierten – nicht alle konnten gewinnen, aber alle hatten es verdient, im Brecht’schen Sinne ins Licht gerückt zu werden.

Festredner Klaus Allofs, Geschäftsführer Sport beim VfL Wolfsburg, betonte die Bedeutung des Ehrenamts auch für den Profisport. Dieses würde die Basis für die Erfolge der Profis, die oft im Rampenlicht stünden, legen. Deutschland könne sich aber nicht nur im Fußball glücklich schätzen, so viele freiwillige Helfer zu haben, ohne die die vielen großen gesellschaftlichen Herausforderungen nicht zu bewältigen seien. Allofs verwies auf die Flüchtlingskrise: „Während in der politischen sowie medialen Öffentlichkeit noch kontrovers diskutiert wurde, wie oder ob Deutschland dies überhaupt schaffen kann, haben zigtausende Deutsche, ohne groß ein Wort darüber zu verlieren, spontan mit angepackt und meiner Meinung nach vortrefflich bewiesen, wie viel Potenzial wirklich in unserer Gesellschaft steckt“, sagte Allofs. Wer sich nachhaltig für seine Mitmenschen einsetze, wem ein Danke, ein Handschlag oder ein Kinderlächeln reiche, sei ein Vorbild und automatisch ein Sieger.

Der erste Preisträger

Mit erst 12 Jahren ist Timo Engel wohl der jüngste Sieger, den der Gemeinsam-Preis bisher hervorbrachte. Unsere Leser würdigten mit ihrem Votum das Engagement des Broistedters für den Umweltschutz. Er pflanzt Bäume und finanziert das unter anderem über den Verkauf von Schokolade. Überall, wo er ist, hat er seine Spendenbox dabei. Überall versucht er, Mitstreiter für das Projekt zu gewinnen, das unter dem Namen „Plant-for-the-Planet“ weltweit verbreitet ist.

Armin Maus, Chefredakteur unserer Zeitung, stellte den Geehrten als personifizierte „Antithese zur gefühlten Mutlosigkeit in der Gesellschaft“ vor. „Viele von uns sehen die Probleme der Welt, sehen Krieg, Umweltzerstörung, Raffgier, Krankheiten und kapitulieren. Das ist alles so riesig. Und wir sind so klein. Unser Kandidat denkt anders. Er klagt nicht, er handelt. Mit seinen Mitteln, aber mit großer Ausdauer.“

Am Beispiel des Jungen aus dem Kreis Peine sollte man sich orientieren. „Er zeigt uns allen: Nicht nur die Starken und Mächtigen verändern die Welt. Jeder von uns kann etwas tun“, sagte Jury-Mitglied Maus. Engel selbst kündigte nach der Preisverleihung weitere Aktionen an. „Ich mache weiter, bis Broistedt zugepflanzt ist. Niedersachsen muss grüner werden.“ Bisher habe er mehr als 50 Bäume gepflanzt.

Der zweite Preisträger

Samuel Seferino ist ein mutiger Mann. So beschrieb Thomas Hofer, Oberlandeskirchenrat der Evangelischen Landeskirche Braunschweig und Jury-Mitglied, den Zweitplatzierten. Seferino floh vor Gewalt, Terror und Krieg aus dem Südsudan und kam als Fremder in den Kreis Wolfenbüttel. Aber er ließ sich nicht einschüchtern von all dem Neuen, das ihn erwartete, sondern lernte schnell Deutsch. Eine Grundvoraussetzung dafür, heute anderen bei der Integration zu helfen.

In Sickte nennen sie ihn schon das „Goldstück“, weil er immer wieder in den vergangenen Monaten als Dolmetscher eingesprungen ist – wenn Missverständnisse zwischen Flüchtlingen und Kommunen drohten, zu Streitfällen auszuarten. Seferino spricht neben Deutsch, Englisch und seiner Muttersprache Johr auch Arabisch. Das führt dazu, dass er Flüchtlinge auch dorthin begleitet, wo unangenehme oder sehr private Fragen warten, wie beispielsweise zum Arzt.

Hofer sagte, dass Menschen wie Samuel Seferino nicht die Probleme der Politiker lösen könnten. „Es gibt nicht den Knopf, um das Flüchtlingsproblem wieder auszuschalten. Zu den Grundirrtümern gehört ja, dass man Flüchtlinge gerecht sortieren kann. In gute Flüchtlinge, die allein aus politischen Gründen hier sind, und in böse, die allein aus wirtschaftlichen Gründen kommen.“

Menschen wie Seferino würden aber helfen, Ängste in den Köpfen der Menschen abzubauen. Und Hofer zitierte den Schriftsteller Max Frisch: „Mit Mauern und Stacheldrahtzäunen sind noch nie Probleme gelöst worden.“ Wenn er gefragt würde, wie man mit der Flüchtlingskrise umgehen sollte, würde er das Beispiel des Südsudanesen nennen. „Sein Verständnis von einer Gesellschaft, die den Frieden sichert und die Zukunft gestaltet, ist klar: Jeder hilft jedem, alle unterstützen sich gegenseitig. Und seit er bei uns angekommen ist, besucht er Schulen, berichtet von seiner Flucht, beantwortet Fragen, erläutert Hintergründe. Das ist politische Bildung“, lobte Hofer Seferino.

„Der Preis macht mir Mut. Er bestärkt mich, genau so weiter zu machen“, sagte Seferino, nachdem sich das Blitzlichtgewitter der Fotografen gelegt hatte.

Der dritte Preisträger

Monika Döhrmann, Geschäftsführerin des Mütterzentrums Braunschweig, stellte den Drittplatzierten des Gemeinsam-Preises vor. Sie machte das mit eindrucksvollen Worten: „Wer will es nicht: erfolgreich und schön sein, immer gut gelaunt, gesund, allen Anforderungen gewachsen?“, fragte sie, um zugleich den Ist-Zustand der Gesellschaft zu beschreiben: „Doch nicht alle Menschen sind von Geburt an gesund. Einige sind dem gesellschaftlichen Leistungsdruck nicht gewachsen, reiben sich auf zwischen Familie und Beruf oder Pflege, andere finden keinen Platz in unserer effizienten Welt.“

Die Initiative, die Marlis und Norbert Wiedemann vor 25 Jahren in Braunschweig gründeten, hilft den Angehörigen psychisch erkrankter Menschen, mit den Problemen zurechtzukommen, die sich von einem auf den anderen Tag stellen. „Psychische Erkrankungen rufen bei betroffenen Angehörigen Gefühle wie Ratlosigkeit, Ohnmacht, Schuld, Scham und Angst hervor. Familie, Partner und Freunde wollen helfen, geraten aber häufig selbst in den Sog der Krankheit, sind Betroffene der Krankheit“, beschrieb Döhrmann die Schwierigkeiten im Alltag. Man brauche eine enorme Freude am Leben, um bei aller Schwere der Thematik Hilfestellungen zu geben. Dafür stünden die Preisträger, allen voran Marlis und Norbert Wiedemann, als „Herzstück des Vereins“.

Der Sonderpreis der Jury

DIE SIEGER DES GEMEINSAM-PREISES

2004: Eine Jugendgruppe aus Lehre und ihr Einsatz für ein attraktives Heimatdorf.

2005: Das Team der Suppenküche Wolfenbüttel.

2006: Die Braunschweigerin Roswitha Conradi und das Team der Parkbank-Zeitung für den Einsatz gegen Kinderarmut.

2007: Karl Schmidt aus Gifhorn für die jahrzehntelange Pflege seiner schwer kranken Ehefrau.

2008: Jenny Teubner aus Braunschweig für die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“.

2009: Das Ehepaar Krause für die Unterstützung von Blinden und Sehbehinderten.

2010: Besnik Salihi aus Schöppenstedt für sein Tanzprojekt.

2011: Sabine Bracker für ihren Einsatz für verstoßene Tiere.

2012: Der BIK-Kindergarten für sein Integrationskonzept für behinderte Kinder.

2013: Schüler des Sibylla-Merian-Gymnasiums in Meinersen für ihre Lese- und Spielstunden im Seniorenheim.

2014: Thomas Kempernolte aus Schöningen und sein Einsatz für bessere Rad- und Wanderwege.

2015: Christel Ende und Dietmar Kühl aus Schandelah für ihre Flüchtlingshilfe.