Braunschweig. Interview zum Gemeinsam-Preis unserer Zeitung: Dunja McAllister, Gattin des niedersächsischen Ministerpräsidenten, erklärt, wie einfach sich jeder für andere Menschen engagieren kann.

Dunja McAllister ehrt am 4. Juni im Braunschweiger Dom die Gewinner des Gemeinsam-Preises. Die Ehefrau des niedersächsischen Ministerpräsidenten ist Schirmherrin der Stiftung Opferhilfe in Niedersachsen und der Stiftung „Bethel im Norden“. Mit ihr sprachen Chefredakteur Armin Maus, Redaktionsleiter Henning Noske und Cornelia Steiner.

Fra McAllister, ehrenamtliches Engagement spielt in Ihrem Leben eine wichtige Rolle. Wie kam es dazu?

Die beiden Schirmherrschaften habe ich angenommen, nachdem mein Mann Ministerpräsident geworden ist. Bis dahin beschränkten sich meine Aktivitäten auf mein direktes Wohnumfeld. Da bin ich wie selbstverständlich hineingewachsen – durch Schule und Vereinsleben –, so wie das wohl bei den meisten ehrenamtlich engagierten Menschen geschieht.

Wer zum Beispiel als Kind in einem Verein Sport betreibt, wird irgendwann Jugendvertreter, und ehe man sich versieht, ist derjenige schon im Vereinsvorstand. Oder jemand hat Freiräume, weil er oder sie gerade in Elternzeit gegangen oder in den Ruhestand getreten ist, und diese Zeit sinnstiftend ausfüllen möchte. Vielfach wird die Tätigkeit im Verein, der Kirche oder der Jugendarbeit aufgenommen, weil die sprichwörtliche „Not am Mann“ war.

Das klingt nach Spontanität und Hemdsärmeligkeit.

Ehrenamtliche Tätigkeit entsteht mitten im Leben. Wer etwas in seinem Umfeld gestalten oder ändern möchte und feststellt, dass es eine Lücke gibt, die geschlossen werden sollte, wird aktiv. Zahlreiche ehrenamtliche Initiativen belegen, dass sich bürgerschaftliche Organisationen an einer neuen Aufgabenverteilung zwischen Staat und Gesellschaft beteiligen und Verantwortung übernehmen wollen. Zum Beispiel betreibt eine Genossenschaft mit ehrenamtlichem Personal ein Hallenbad, „Bürgerbusvereine“ unterstützen den öffentlichen Nahverkehr in ländlichen Regionen, und einige Bibliotheken sind ebenfalls in „bürgerschaftliche Hände“ übergegangen.

Es gibt die Kritik, dass sich der Staat in zu vielen Bereichen zurückzieht und Ehrenamtliche staatliche Aufgaben übernehmen, also zum Lückenfüller werden. Wie sehen Sie das?

Zumindest nicht so konfrontativ, wie Sie es formuliert haben. Denn der Staat sind wir alle, die in dieser Gesellschaft leben. Lediglich aus den sich verändernden Lebensnotwendigkeiten entscheidet eine Gesellschaft, welche Schwerpunkte aus den Steuermitteln bezahlt werden sollen und für welche andere Möglichkeiten gefunden werden müssen. Darüber wird in einer Demokratie gerungen. Das ist oft ein lang andauernder Prozess.

Wer sich ehrenamtlich engagiert, hat in erster Linie nicht das Ziel, den Staat zu entlasten. Bürgerschaftliches Engagement entsteht, weil etwas Sinnvolles erhalten oder weiterentwickelt werden soll, das einen gesellschaftlichen Nutzen und Wert hat – und zwar zeitnah und unbürokratisch.

Die oben erwähnten Beispiele sind „Mutmacher“ zur verstärkten Einbindung von bürgerschaftlichen Organisationen bei der kommunalen Daseinsfürsorge. In den Bereichen Bildung, Kunst und Kultur sind ehrenamtliche Initiativen nicht mehr wegzudenken. Es geht dabei ja auch nicht um ein Gegeneinander, sondern um gegenseitige Unterstützung. Bund, Land und Kommunen haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um ehrenamtlich tätige Bürgerinnen und Bürger zu unterstützen: So wurden die Lücken im Versicherungsschutz für Ehrenamtliche geschlossen, die Ehrenamtskarte eingeführt und Qualifizierungsmaßnahmen auf den Weg gebracht. Der „Freiwilligenserver“ im Internet hilft Ehrenamtlichen, sich besser zu vernetzen und informieren zu können.

Meinen Sie, dass sich in Niedersachsen schon genügend Menschen ehrenamtlich engagieren?

Es geht nicht um „genügend“. Jeder Einzelne, der sich ehrenamtlich engagiert, ist wichtig. In Niedersachsen ist das Ehrenamt sehr gut aufgestellt: 2,8 Millionen Bürgerinnen und Bürger tun etwas in ihrer Freizeit für andere Menschen. Wir Niedersachsen sind bundesweit spitze.

Wo mangelt es aus Ihrer Sicht an Engagement? Wo müsste dringend mehr geschehen?

Diese Frage ist die falsche Herangehensweise. Das Glas ist nicht halb leer, sondern halb voll. Es ist gut, dass wir so viele Menschen haben, die sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich engagieren. Darüber sollten wir uns freuen.

Aber wo wird noch Hilfe gebraucht?

Wer aufmerksam und mit offenen Augen durchs Leben geht, wird sehen, wo Hilfe benötigt wird. Jeder Mensch lebt in seiner besonderen Lebenswirklichkeit. Als Mutter eines Kindergarten- und eines Schulkindes liegt der Themenfokus meist auf diesen Gebieten: gesundes und ausreichendes Frühstück für alle Kinder (Schulfrühstück/Frühstücksbuffet im Kindergarten), Teilhabe an Ausflügen und Veranstaltungen, Lerndefizite ausgleichen, Hausaufgabenhilfe, gegenseitige Unterstützung bei Betreuungslücken und so weiter.

Die Zukunft liegt – so glaube ich – nach wie vor bei den ehrenamtlichen Tätigkeiten, die auch schon von der vorherigen Generation ausgeübt wurden. Diese erleben vielleicht sogar eine Renaissance, weil der Bedarf einfach da ist, etwa die Pflege.

Finden Ehrenamtliche Ihrer Meinung nach genügend Anerkennung und Entschädigung?

Ich kenne keinen Ehrenamtlichen, der das macht, um irgendwelche Vorteile für sich zu bekommen oder im Rampenlicht zu stehen. Für viele bedeutet es schon genug Anerkennung und Motivation, wenn sie in glückliche Kindergesichter blicken, einen sportlichen Erfolg gemeinsam erleben, an dem sie mitgearbeitet haben, oder hören, wie sich andere über die auf dem Verkehrskreisel gepflanzten Blumen freuen.

Es ist dennoch nachvollziehbar, dass diese Menschen nach Jahren der ehrenamtlichen Tätigkeit auch eine öffentliche Anerkennung für das Geleistete brauchen. Und eine solche Auszeichnung ist der „Gemeinsam-Preis“. Es ist eine besondere Wertschätzung. Auch die Landesregierung lobt seit einigen Jahren einen ähnlichen Preis aus.

Viele Ehrenamtliche stehen nicht gern im Rampenlicht. Warum halten Sie eine öffentliche Würdigung dennoch für so wichtig, dass Sie bei der Verleihung des Gemeinsam-Preises die Festrede halten werden?

Solch eine Würdigung hat drei Aspekte: Erstens werden viele Projekte erst dadurch einem großen Publikum bekannt – dann finden sich Nachahmer, potenzielle Sponsoren und Unterstützer werden aufmerksam gemacht. Zweitens erfahren diejenigen, die Hilfe brauchen, welche Angebote es überhaupt gibt. Man muss im Leben nicht alles selber machen, auch wenn viele das meinen. Ein gutes Beispiel ist die Altenpflege: Pflegende Angehörige leisten den Großteil der Arbeit und vergessen oft sich selbst. Dabei gibt es viele Angebote, die entlasten – auch im ehrenamtlichen Bereich.

Und drittens: Wenn ehrenamtlich Aktive für ihre Tätigkeiten ausgezeichnet werden, belegt dies die hohe gesellschaftliche Anerkennung für ihr Engagement. Es ist wichtig, dass wir dies tun und sie damit wertschätzen. Der „Gemeinsam-Preis“ Ihrer Zeitung ist eine schöne Geste, die den Dank an die ehrenamtlich Aktiven unterstreicht.

Erleben Sie Dunja McAllister im Braunschweiger Dom!

Zum neunten Mal ehrt unsere Zeitung zusammen mit dem Braunschweiger Dom in diesem Jahr bürgerschaftliches Engagement mit dem Gemeinsam-Preis.

23 Kandidaten haben wir in den vergangenen Wochen in unserer Zeitung vorgestellt. Am Samstag präsentieren wir die Finalisten, unter denen unsere Leser ihre Favoriten per Telefonabstimmung und im Internet wählen können.

Wer die meisten Stimmen erhalten hat, wird am Montag, 4. Juni 2012, um 18.30 Uhr beim Festakt im Braunschweiger Dom bekanntgegeben.

Wir laden unsere Leser herzlich ein, in diesem Moment dabei zu sein.

Die Festrede wird Dunja McAllister halten. Wenn Sie ihre Rede live miterleben wollen, rufen Sie an.

Die Telefonnummern sind von Mittwoch bis Donnerstag, 20 Uhr, durchgehend geschaltet. Rufen mehr Interessenten an, als es Plätze gibt, entscheidet das Los. Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt und bekommen ihre Eintrittskarten für die Preisverleihung zugeschickt.

Wenn Sie eine Karte für den Festakt haben möchten, wählen Sie Tel. 01378 / 90 11 18*

Wenn Sie zwei Karten für den Festakt haben möchten, wählen Sie Tel. 01378 / 90 11 19*

(*0,50 Euro /Anruf aus dem dt. Festnetz, abweichender Mobilfunktarif)