Berlin/Moskau (dpa) - Deutschland und Russland haben trotz erheblicher Bedenken aus Polen, der Ukraine und Weißrussland den Weg freigemacht für den Bau einer milliardenteuren Erdgas-Pipeline auf dem Grund der Ostsee.

Im Beisein von Russlands Präsident Wladimir Putin und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) unterzeichneten die Vorstandschefs der deutschen Energiekonzerne E.ON und BASF, Wulf Bernotat und Jürgen Hambrecht, sowie des russischen Gasprom-Konzerns, Alexej Miller, in Berlin dazu eine Vereinbarung. Anschließend traf sich Putin mit Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel (CDU).

Schröder sprach von einem historischen Tag. Mit der Vereinbarung sichere sich Deutschland seine Energieversorgung in direkter Partnerschaft mit Russland auf Jahrzehnte. Mit Blick auf die Bedenken einiger ost- und mitteleuropäischer Länder betonte Schröder, die Zusammenarbeit richte sich gegen niemanden und diene russischen und deutschen Interessen. «Ich wüsste nicht, was daran falsch sein sollte.» Putin sprach von einer neuen Qualität der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland auf dem Energiesektor.

Beide verwiesen bei ihrem Treffen zehn Tage vor der Bundestagswahl auf die Errungenschaften bei der Versöhnung von Russen und Deutschen seit Ende des Zweiten Weltkriegs und auf den bevorstehenden 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen am 13. September. «Die Versöhnung zwischen unseren Völkern wurde zu einem Phänomen der Weltgeschichte», sagte Putin. Beide bekräftigten ihre Freundschaft, betonten aber, das gute deutsch-russische Verhältnis sei nicht von persönlichen Beziehungen abhängig.

Merkel versicherte nach ihrem Treffen mit Putin, die strategische Partnerschaft mit Russland sei «ein wichtiger Punkt». Mit Blick auf die Vertragsunterzeichnung sagte sie, der heutige Tag sei «ein guter Tag für die deutsch-russischen Beziehungen». Unionsaußenpolitiker Wolfgang Schäuble (CDU) kritisierte, Putin und Schröder hätten bei der Planung der Pipeline osteuropäische Länder übergangen. Er kündigte im SWR an, eine unionsgeführte Regierung wolle Polen und die baltischen Staaten an der Gaspipeline beteiligen.

Die etwa vier Milliarden Euro teure Röhre soll von 2010 an Erdgas vom russischen Ostseehafen Wyborg bei St. Petersburg bis nach Greifswald befördern. Das Projekt stößt vor allem in Polen, der Ukraine und Weißrussland auf Kritik, die in der neuen Ostsee-Pipeline eine Konkurrenz zu ihren Landleitungen sehen und um ihre Einnahmen aus Transitgebühren fürchten. Der polnische Präsidentschaftskandidat Lech Kaczynski kündigt an, die künftige polnische Regierung werde den geplanten Bau der Ostsee-Pipeline erschweren.

Am Bau der 1200 Kilometer langen Pipeline sind die deutsche E.ON-Tochter Ruhrgas und die konkurrierende BASF-Tochter Wintershall mit jeweils 24,5 Prozent und der weltweit größte Erdgasförderer Gasprom mit 51 Prozent beteiligt. Die Leitung soll eine Transportkapazität von zunächst rund 27,5 Milliarden Kubikmeter und später 55 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr haben. Gasprom will landseitig mit dem Bau bereits im kommenden Herbst beginnen.

Energieexperten in Russland äußerten sich indes skeptisch über die Realisierung des Projekts. So sei etwa die Finanzierung zwischen Ruhrgas und Wintershall sowie Gasprom noch unklar. Zweifelhaft sei zudem, dass bei einer Fertigstellung 2010 überhaupt genügend Gas vorhanden sein werde, um derart gigantische Mengen durchzupumpen.

Russland hofft durch die Pipeline auf eine Ausweitung seiner Förderkapazitäten. Zudem hatte Moskau der Ukraine immer wieder vorgeworfen, illegal russisches Gas aus der Landpipeline für den Eigenbedarf abzuzweigen. Mit dem Bauprojekt sollen auch die aus russischer Sicht überzogenen Transitgebühren umgangen werden.