Statt des Themas “Energiepolitik im Wandel“ beschäftigen sich Schüler der Neuen Oberschule mit Demoskopie

Eigentlich sollten sich die Elftklässler der Neuen Oberschule im Politk-Leistungskurs dieser Tage den Kopf über die Energiepolitik im Wandel zerbrechen – so will es der vom Kultusministerium vorgegebene Lehrplan.

Doch ihr Lehrer Michael May ist ausgeschert und hat kurzerhand den für Klasse zwölf geplanten Themenblock "Demokratie und Wahlen" vorgezogen.

"Das macht doch auch Sinn in einem Wahljahr. Wir haben hier die große Chance, mal mit dem realen Leben von Politik und Meinungsforschung in Berührung zu kommen. Das gibt es im Unterricht ja leider nicht so oft", sagt der Pädagoge.

Er hat gleich zwei Leistungskurse, auch jenen des zwölften Jahrgangs, zum Projekt "Schüler als Wahlforscher" bei unserer Zeitung angemeldet.

Die Pennäler von der Beethovenstraße sowie zwei Kurse des Gymnasiums Hoffmann-von-Fallersleben-Schule werden eine Prognose für Braunschweig zum Ausgang der Bundestagswahl erstellen – so wie es die bekannten Wahlforschungsinstitute auch tun.

Dazu werden die Jugendlichen am nächsten Samstag und den nachfolgenden Tagen Haushalte in der ganzen Stadt anrufen, werden in Interviews Fakten und Meinungen sammeln.

Die größte Sorge der Schüler bringt Henrike Heiser auf den Punkt: "Es gibt so viele Telefonumfragen, dass viele wahrscheinlich gleich auflegen und gar nicht erst mitmachen." Sie ist von ihrem Kurs als Pressesprecherin für das Projekt auserkoren worden.

Eine ihrer Mitschüler aber hat die Hoffnung nicht aufgegeben: "Wir erklären ja auch, dass wir dieses Projekt für die Schule und für unseren Unterricht machen. Das unterscheidet uns ja auch irgendwie von den üblichen Telefon-Interviewern. Ich glaube schon, dass viele das überzeugen wird, um mitzumachen."

Lehrer Michael May, der den Kurs nach Ferienende übernommen hat, zögerte nicht lange, als die Anfrage unserer Zeitung kam. Er hatte schon länger mit der Meinungsforschung als Unterrichtsthema geliebäugelt. "Aber es hat sich irgendwie nie ergeben."

Das Projekt, sagt er, sei anspruchsvoll, fordere die Schüler über das normale Maß hinaus. "Nicht bezogen auf den Aufwand, wohl aber auf die Auseinandersetzung. Aber es bringt den Schülern etwas. Man sieht, welchen Zugang sie zu Politik haben oder wie sie einen solchen aufbauen."

Ein Effekt, der schon eingetreten ist. "Ich gehe jetzt ganz anders an politische Themen heran", sagt Henrike Heiser. Und ihre Tischnachbarin ergänzt: "Ich lese jetzt vor allem politische Meldungen in der Zeitung, weil ich die Themen ja für den Unterricht benötige."

Für die Schüler geht es in der Befragung aber nicht nur um die möglichst wirklichkeitsgetreue Vorhersage des Wahlergebnisses, sondern auch um das Erkennen politischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge.

Am Montag haben sie in Gruppenarbeit Hypothesen zur Wählerbefragung formuliert, haben Vermutungen angestellt, wie sich Bildungsabschluss, Alter oder Geschlecht auf Wahlverhalten oder politische Interessen auswirken könnten. Und sie sind gespannt auf die Auswertung, ob ihr Gespür sie getrogen hat oder sie richtig lagen.

Selbst wählen darf am 27. September noch keiner aus dem Leistungskurs des elften Jahrgangs, trotzdem werden sie an jenem Abend nach 18 Uhr ganz genau hinschauen, wenn die Ergebnisse aus dem Rathaus eintrudeln. "Wir haben natürlich den Ansporn, das Ergebnis so genau wie möglich vorherzusagen."

Neben der NO beteiligen sich auch Schüler des Hoffmann-von-Fallersleben-Gymnasiums.