Gespräch mit Prof. Achim Enders von der TU Braunschweig über Mess- und Grenzwerte

Experten des TÜV haben die elektromagnetischen Felder in der Nähe von Mobilfunk-Basisstationen gemessen – auch an zahlreichen Messorten in unserer Region. Sie waren von Städten und Gemeinden vorgeschlagen worden – häufig in der Nähe von Schulen oder Kindergärten. Professor Dr. Achim Enders (47) leitet das Institut für Elektromagnetische Verträglichkeit der Technischen Universität Braunschweig. Zugleich ist er Mitglied der Strahlenschutzkommission des Bundesumweltministeriums. Mit ihm sprach Henning Noske.

Wie bewerten Sie die Ergebnisse der aktuellen Messungen in Niedersachsen?

Die Ergebnisse sind eindeutig und reihen sich in andere Untersuchungen ein, die unter anderem bundesweit im Rahmen des Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogrammes in Auftrag gegeben wurden, um flächendeckend die Exposition durch Mobilfunksysteme zu erfassen. Der Tenor bei allen Untersuchungen lautet: Es sind nirgendwo bisher Messwerte festgestellt worden, die von den Feldstärkewerten her höher als 30 Prozent der Grenzwerte ausfallen. Das bedeutet, dass bei den Basisgrenzwerten – das ist die thermische Belastung des Menschen – nur eine Exposition bis maximal 10 Prozent des Grenzwertes gegeben ist.

Bei den Messpunkten in unserer Region ist jedoch herausgekommen, dass die Belastung lediglich Bruchteile von einem Prozent beträgt.

Die Werte, von denen ich Ihnen berichtet habe, sind die Extremfälle. Bei flächendeckenden aufwändigen Untersuchungen nimmt man zum Teil mehrere hundert Messorte. Die genannten Werte sind die Ausreißer nach oben.

Bei den Messungen in unserer Region in Kindergärten, Kinderzimmern und vor Krankenhäusern waren solche Ausreißer nicht dabei. Wie kommen sie denn zustande?

Das kann auf einem Balkon in Sichtweite einer Mobilfunkbasisstation sein.

Das bedeutet: Selbst an solchen Orten werden maximal 10 Prozent des Grenzwertes für die Belastung des Menschen erreicht?

Das ist richtig.

Was bedeutet es, wenn Bruchteile von einem Prozent gemessen werden?

Das bedeutet genauso Sicherheit wie bei diesen 10 Prozent, weil die gesetzlichen Grenzwertbestimmungen alle nachgewiesenen bekannten Effekte berücksichtigen, die im Körper verursacht werden können. Und das sind nun einmal die so genannten thermischen Effekte. Das heißt: Sie berücksichtigen, dass eine Erwärmung des Körpers unter allen Umständen auch im schlimmsten Fall vermieden wird.

Es wird jedoch häufig kritisiert, dass die Grenzwerte zu hoch angesetzt sind.

Das ist ein Streit, den es schon seit mindestens 50 Jahren gibt. Und mit dem Ausbau der Mobilfunknetze hat er zugenommen. Die Bürger sind besorgt, ob es doch eventuell gesundheitliche Gefährdungen unterhalb der heutigen Grenzwertbestimmungen geben könnte.

Dazu gibt es eine extrem umfangreiche Literatur. Wenn ich das in ganz kurzen Worten zusammenfassen soll, lautet der Tenor so: Es hat zwar Einzeluntersuchungen gegeben, die eventuell Hinweise geben könnten auf eine Beeinflussung des biologischen Organismus unterhalb der Grenzwerte. Bis heute gelang es aber nicht, so etwas in mehreren voneinander unabhängigen Untersuchungen zu bestätigen.

Der Wissenschaftler spricht hier von der fehlenden Reproduzierbarkeit als Voraussetzung für anerkannte Resultate. Und dies, obwohl mittlerweile extrem hoher Aufwand und Mittel in die entsprechende Forschung hineingesteckt wurden.

Sie haben von thermischen Wirkungen gesprochen – das ist Wärme. Wie muss sich der Leser das vorstellen?

Das ist wie in der Mikrowelle zu Hause in der Küche. Biologisches Gewebe wird unter der Einwirkung hochfrequenter Strahlung erwärmt. Und das muss natürlich unter allen Umständen vermieden werden.

Bislang haben wir von Mobilfunk-Sendestationen gesprochen. Ich habe so ein Handy jedoch auch am Ohr. Dort tritt die gleiche Wirkung auf. Welche ist größer?

Pauschal gesagt ist die Wirkung des Mobiltelefons, die Sie ansprechen, natürlich wesentlich größer, weil es viel näher am Körper ist. Der Unterschied liegt darin, dass es sich um eine Teilkörper-Exposition handelt. Die Belastung ist also nur im Kopfbereich gegeben. Und sie tritt nur während des Telefongesprächs selbst auf. Doch auch bei der Benutzung des Handys müssen und werden die gesetzlichen Grenzwerte natürlich eingehalten.

Für alte Handys gilt das nicht?

In der Vergangenheit bei früheren Mobil-Telefonsystemen nicht immer, aber selbst dabei ist es nie zu dokumentierten Schädigungen und Beeinflussungen gekommen. Aber die modernen Handys, die in den letzten acht Jahren auf den Markt gekommen sind, die erfüllen alle die gesetzlichen Grenzwertbestimmungen.

Mit Blick auf die Forschung gilt für Handys das Gleiche, was Sie vorhin für die Mobilfunk-Sendestationen gesagt haben?

Richtig, wobei ich mehreren großen epidemiologischen Studien in Europa nicht vorgreifen will, deren Abschlussergebnisse noch nicht vorliegen. Aber Tenor aller Epidemiologen und anderer Fachleute ist: Wenn es ein Restrisiko gibt, was übrigens nie definitiv ausgeschlossen werden kann, dann muss es sehr, sehr klein sein. Sonst hätten wir es schon lange bemerkt.

Gibt es einen sorglosen Umgang mit dem Handy, vor dem Sie warnen müssten?

Ich kann keinen missbräuchlichen Gebrauch bei Handys erkennen. Der Gebrauch ist sicher, so sind die Grenzwerte gemacht – problematischer wird es bei anderen Sicherheitsfragen, zum Beispiel der Beeinflussungsmöglichkeit von Medizintechnik wie Herzschrittmachern durch Handys.

Das ist eine klare Aussage. Kann man also sorglos mit seinem Handy telefonieren? Und muss man sich nicht ängstigen, wenn man in der Nähe einer solchen Mobilfunkstation wohnt?

So ist es, ganz klare Aussage. Panikmache geht fehl und auch ernste Besorgnis, die moralisch immer gut klingt, weil man ja nur das Beste zur Sicherheit des Menschen will, ist unangebracht.

Selbst so genannte Vorsorgemaßnahmen nach der gut gemeinten Leitlinie "Man kann ja nie wissen, ob nicht doch noch reale Risiken unterhalb der Grenzwerte nachgewiesen werden" werden derzeit extrem kontrovers diskutiert – übrigens auch im entsprechenden Expertenkreis der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu diesem Thema.

Unangemessene Vorsichtsempfehlungen führen nämlich unter anderem auch dazu, dass sich Menschen real ängstigen. Deshalb müssen sich die Gegner der Mobilfunksysteme ebenfalls ihrer Verantwortung stellen – Panikmache kann Menschen krank machen.