Seine Schwägerin reagiert am Telefon gereizt. „Das spielt doch keine Rolle, das ist 40 Jahre her. Wie lange wollt Ihr denn noch rumschmieren?“, brüllt sie ins Telefon. Vor 41 Jahren feuerte ihr Schwager, Josef Bachmann, drei Schüsse auf den Studentenführer Rudi Dutschke in Berlin ab.

Davon will die Frau nichts mehr wissen. Sie habe bereits einen Anwalt gegen eine andere Zeitung eingeschaltet, droht sie.
Doch das Attentat auf Dutschke ist wieder ein Thema geworden. Bisher galt Bachmann als irrer Einzeltäter. Vor wenigen Wochen ist die Stasi-Akte des Peiners aufgetaucht, ebenso sind Berliner Polizeiprotokolle der Öffentlichkeit zugänglich geworden. Jahrzehntelang waren sie unter Verschluss. Die Stasi-Akte liegt unserer Zeitung vor. Stasi-Chef Erich Mielke selbst ließ sie anfertigen. Er wollte wissen: Was war das für ein Mann, der Dutschke töten wollte?

Die einst allmächtige Stasi stieß auf Grenzen, sammelte lediglich Zeitungsartikel und stöberte in der DDR-Vergangenheit des Flüchtlings Bachmann. Die Stasi attestierte Bachmann „ungenügenden Intellekt“. Zu Schulzeiten sei er vorlaut und rüpelhaft gewesen.

In einem Punkt stießen die Ermittler aber offensichtlich auf einen wahren Kern: „Die aus der Westpresse zu ersehende Orientierung, Bachmann als Sonderling darzustellen, soll offensichtlich von seiner neofaschistischen Grundeinstellung ablenken.“ Und: „Seine Mutter habe erklärt, dass er schon immer gegen die Kommunisten eingestellt sei, zur NPD tendiere (...). „Bei der Haussuchung wurde in dem von ihm bewohnten Zimmer ein großes Hitlerporträt und ein Bild Napoleons gefunden, die er selbst gemalt hat.“

Die meisten ihrer Erkenntnisse hat die Stasi ihrem V-Mann Hans-Dieter Lepzien zu verdanken, einem Taxifahrer aus Peine, der als Doppelagent auch für den niedersächsischen Verfassungsschutz tätig war.