Armin Maus über den Neuanfang der FDP

So recht hat die FDP bis heute nicht verstanden, warum sich zwei Drittel ihrer Wähler binnen kürzester Zeit von ihr abwandten. Zögerlich trennte sich Westerwelle vom Parteivorsitz, zäh hängt Brüderle am Sitz in der Parteispitze. Von ihren Ministerämtern mögen beide nicht lassen, obwohl die Regierungsleistung der Liberalen doch ganz offensichtlich der Grund vernichtender Wahlniederlagen und anhaltend verheerender Demoskopie ist.

Durfte man sich da wundern, dass Fraktionschefin Homburger den Pyrrhussieg bei ihrer Wiederwahl zur Landeschefin zum Rückenwind für ihre Arbeit in Berlin umrechnete? Der Vorgang der Verdrängung des vielleicht Unfasslichen, jedenfalls aber Unverarbeiteten ist allzu menschlich, ein wenig wie in Schillers Maria Stuart, wo er die Elisabeth sagen lässt: "Was man nicht aufgibt, hat man nie verloren."

In einem Milieu, das sich seine Niederlage im tiefsten Herzen bis heute nicht eingesteht, soll der künftige Parteivorsitzende Rösler den Aufbruch organisieren. Gemessen an der Unmöglichkeit dieser Aufgabe macht er seinen Job nicht schlecht. Zwar sind die Abstände zwischen jedem notwendigen Schritt so groß, dass man sich an Übungen im Zen-Bogenschießen erinnert fühlt. Aber immerhin ist ihm, um im Bild zu bleiben, der Pfeil noch nicht ins eigene Auge gedrungen.

Die Frage ist nur, ob die FDP und ihr neuer Chef so viel Zeit haben, wie sie sich nehmen. Eine überwältigende Mehrheit der Deutschen glaubt nicht an Röslers Erfolg, und das Scheitern der Freidemokraten bei der nächsten Bundestagswahl wird längst als naheliegende Möglichkeit betrachtet. Das muss mit der bisher beobachteten Diskrepanz zwischen verbaler Anerkenntnis eigener Fehler und fehlender tieferer Einsicht zu tun haben.

Die Partei müsste deutlich mehr programmatische Klarheit zeigen, wollte sie die Frage nach ihrer eigenen Notwendigkeit für das politische System plausibel beantworten. Röslers Strategie müsste Umbruch sein, nicht Ergotherapie. Aber um das umzusetzen, fehlt dem Parteiestablishment die Einsicht – und ihm selbst offenkundig die Macht.