Die Deutschen wollen nicht nur ein Stück Fleisch auf ihrem Teller, sondern möglichst auch noch ein gutes Gewissen haben, wenn sie es verzehren. Die meisten lehnen Massentierhaltung ab, greifen im Supermarkt aber zum billigsten Suppenhuhn. Im Leserforum unserer Zeitung fordern Tierschützer ein Verbot der Massenhaltung, das Ministerium verspricht wenigstens bessere Bedingungen. Die wichtigsten Streitpunkte - auch im Video.

Im Braunschweiger Haus der Wissenschaft diskutieren Experten und Leser unserer Zeitung am Dienstagabend über diese Widersprüche. Auch Internetnutzer schalten sich in die Diskussion ein. "Wer kann denn allen Ernstes über 21 Euro für ein Hähnchen ausgeben?", fragt etwa Günter Nehmann via Facebook - und ist damit beim Kernpunkt der Diskussion. Wie können die Bedingungen in den Massenställen verbessert werden? Und welche Macht hat vor allem der Verbraucher?

Aus dem Publikum im Haus der Wissenschaft meldet sich Jutta Berk vom Friedrich-Löffler-Institut für Tierschutz und Tierhaltung in Celle zu Wort. „Die Produktion von Masthähnchen genügt den Ansprüchen des Tierschutzes“, sagt sie und erntet dafür Buh-Rufe von den Zuhörern.

Tatsächlich schreibt eine EU-Richtlinie Mindestvorschriften zum Schutz von Masthühnern für Betriebe mit mehr als 500 Tieren vor. Eine Haltung von 26 Hühnern auf einem Quadratmeter ist danach erlaubt. Hähnchenmäster Rainer Wendt, der in drei Ställen im Kreis Gifhorn 120.000 Tiere hält, behauptet: „Meine Tiere fühlen sich wohl.“ Nur, wenn der Bestand gesund ist, ließe sich auch wirtschaftlich arbeiten . Er sei jederzeit bereit, Besucher durch den Stall zu führen.

Monika Leimbach, die sich in die Diskussion auf unserer Facebook-Seite einschaltet, zweifelt daran, dass es Tieren in Mastbetrieben tatsächlich gut geht. „Wer sich die Tiere auf diesem engen Raum einmal genau anschaut, muss feststellen, dass sich die Hähnchen nicht wohlfühlen“, schreibt sie.

Für einen anderen Internetnutzer, der sich ebenfalls als Gegner von Hähnchenmastanlagen gibt, ist es immerhin „ein Schritt in die richtige Richtung, wenn ein Landwirt zugibt, dass er seine Tiere nur tierschutzgerecht hält.“ Umso mehr, weil es Rainer Wendt, der Präsident des Bundesverbandes bäuerlicher Hähnchenerzeuger sei. Nun könnten sich die anderen Hähnchenmäster wenigstens nicht mehr damit rausreden, dass sie ihre Tiere artgerecht halten. „Es wurde ganz klar gesagt, dass unser Tierschutz nur die Mindestanforderungen abdeckt“, schreibt der Nutzer.

Tierschützer wie Vera Steder oder der Landwirt Eckehard Niemann aus Bienenbüttel sehen die Probleme im System: Große Konzerne beherrschten alle Stufen der Produktion: die Belieferung mit Küken aus eigenen Brütereien und mit Futter aus eigenen Werken, die Abnahme und Verarbeitung der Schlachttiere. Es gebe einen harten Verdrängungswettbewerb.

Sie fordern ein Ende der „Qual-Haltung“. „Die Tiere sind so gezüchtet, dass sie fressen müssen“, sagt Niemann. Ihre natürlichen Triebe wie Scharren, Picken oder Sandbaden könnten sie auf engstem Raum nicht ausleben. Anfangs stünden sie noch auf Stroh, später auf ihrem eigenen Kot. Die Folge seien unter anderem Fußballenentzündungen.

Für Gisela Naxera ist Massentierhaltung deshalb ein Verbrechen an der Schöpfung. „So kann und darf man nicht mit fühlenden Wesen umgehen“, schreibt sie uns via Facebook.

Im Landwirtschaftsministerium arbeitet man angeblich an den Problemen. „Bei der Bekämpfung der Fußballenkrankheit sind wir auf einem guten Weg“, sagt Heidemarie Helmsmüller, Abteilungsleiterin für Verbraucher- und Tierschutz. Die richtige Einstreu, Klima und Licht im Stall – das spiele eine entscheidende Rolle.