Von der Schule zum Zirkus, von einer Hamburger Kneipe zur großen Karriere – 1000 Lieder im Repertoire

Rainer Anders: Sie haben mal für die Fernsehlotterie gesungen in Braunschweig vor dem Bahnhof, erinnern Sie sich daran?

Ja, das ist neulich gewesen, vor 40 Jahren. "Mit ein bisschen gutem Willen dem andern einen Wunsch erfüllen". Hab’ ich selber geschrieben das Lied damals.

Ilse Bierwisch: Sie haben einen Löwen hier getauft.

Ja, den haben sie aus dem Zoo geholt. Mit Frank Elstner war das.

Alfred Ristau: Sie haben lange "Heimweh nach St. Pauli" gespielt. Würden Sie das heute gern noch mal spielen?

Nein. Das ist abgespielt. Leider. Die Hauptrolle kann ich ja nicht mehr spielen. Das ist ja ein Junger, der in Amerika Karriere macht, verstehen Sie? Irgendwann hört das auf. Mit 40 darf man noch einen 14-Jährigen spielen, aber mit 70 nicht mehr.

Ristau: Wie kamen Sie als geborener Wiener – ich war da mal ein halbes Jahr im Lazarett – nach Hamburg und dazu, Seemannslieder zu singen?

Erstmal darf ich korrigieren: Seemanslieder sind ein winziger Teil meines Repertoires.

Ristau: Ach so.

Hamburg-Lieder und Norddeutschland-Lieder machen höchstens 20 Prozent aus! "Hundert Mann und ein Befehl" ist kein Seemannslied, "Brennend heißer Wüstensand" ist auch kein Seemannslied, "Heimatlos" ist kein Seemannslied, "Der Boss ist nicht hier" ist kein Seemannslied. Also Sie müssen da mein Repertoire schon ein bisschen besser kennen.

Zu der anderen Frage: Meine Mutter war Journalistin in Hamburg und hat meinen Vater getroffen, und leider gab es da etwas, was damals sehr verpönt war, da gab es eine schreckliche Geschichte: Eine Frau mit einem kleinen Bäuchlein, sie war damals schlimmer als ’ne Verbrecherin, verstehen Sie, was ich meine? Ich bin zwar in Hamburg gezeugt, aber da meine Großmutter aus Tschechien kam und Böhmin war und in Wien lebte, ist meine Mutter zu ihr geflüchtet. Mein Großvater war übrigens Ire. Alles ohne Trauschein! Alles furchtbar, ich weiß es. Ich bin ein Kind der Sünde, heute sagt man: ein Kind der Liebe!

Lange Zeit, als ich Hamburg-verrückt war, weil ich Hamburg liebe, habe ich gesagt: Ich bin ein Geburtsfehler. Das haben mir aber die Wiener sehr übel genommen. Und es ist auch nicht wahr. Ich hatte und habe so viele Erfolge in Österreich

Ilse Bierwisch: Ich bin Mitglied einer Seniorengemeinschaft, die nennt sich "Lange aktiv bleiben", ich soll auch schön grüßen von allen. Weil wir ja alle lange aktiv bleiben wollen, soll ich Sie fragen: Was machen Sie, wenn Sie jetzt mit Ihrer Tournee aufgehört haben, Sie machen doch sicher weiter Musik?

Musik mache ich nicht mehr, nein, keinesfalls. Aber ich warte auf Angebote wie "In aller Freundschaft", da habe ich eine schöne Rolle gespielt. Und in "Erben mit Herz" habe ich auch eine schöne Rolle gespielt – ohne Gesang. Das ist mein Beruf, ich meine, ich habe die Schauspielerei gelernt, zwei Jahre lang. Sänger auch. Also es ist nicht so, dass ich hier nur opportun so’n bisschen singe und alles andere wird von der Technik gemacht.

Wenn Sie heute die Shows sehen, da ist hauptsächlich Feuerwerk, dazu nackte Mädchen oder halbnackte und schwarze Chorleute und so – nur das Spektakuläre zählt. Was die wirklich singen, kommt ohnehin alles Playback. Das wird im Studio gemacht und heute ist die Studiotechnik so gut, dass Sie aus ’nem Frosch einen Opernsänger machen können.

Bierwisch: Ich habe Sie immer sehr bewundert, wenn Sie spanische Lieder gesungen haben.

Na gut, ich bin sehr international aufgewachsen.

Ja, hat mir sehr imponiert.

Das tue ich heute noch. Und wenn Sie mich nach Lieblingsliedern fragen: La Paloma gehört mit Sicherheit dazu. Weil es eine Geschichte ist, die mich sehr betrifft. Weil ich den Hintergrund des Komponisten kenne. Das war ein Spanier, der sich in eine Kubanerin verliebte und des Landes verwiesen wurde, weil es vor 170 Jahren scheinbar da auch schon Rassismus gab. So Hintergrundgeschichten sind sehr wichtig für mich. Wenn ich die kenne, kann ich mich ganz genau reinsteigern.

Aber mein Repertoire umfasst über 1000 Titel. Aufgenommen habe ich etwa 980. In 12 Sprachen. Ich habe überall auf der Welt, in jedem Kontinent, gearbeitet. Bei einer Tournee in Australien habe ich zum Beispiel Helmut Schmidt kennen gelernt, den damaligen Bundeskanzler. Da haben wir gemeinsam den deutschen Tag bestritten. Schmidt war sehr beeindruckt, dass ich auch australische Lieder kannte. "Walzing Mathilda" und so weiter.

Bierwisch: Wie halten Sie sich fit?

Ich esse gern Chinesisch, das hat wenig Fette und wenig Cholesterine. Und auf Tournee ist das Dickwerden sowieso kein Thema, da hat man Stress und da nimmt man ab, und deshalb kann ich meine Hosen von vor zwanzig Jahre immer noch tragen.

Bierwisch: Und wir kennen Sie ja auch als Akrobat

Ich bin ja von der Schule weggelaufen und bin in einem Zirkus groß geworden. Da habe ich natürlich das gelernt, was die Artisten eben haben: Disziplin, Ehrfurcht, Demut vor dem Publikum. Die bezahlen das Geld, und wir haben die absolute Verpflichtung, dem Publikum zu dienen. Und das ist mein Lebensmotto immer in dieser Branche gewesen.

Anders: Wie ist Freddy überhaupt zur Musik gekommen?

Tja, ich war immer musikalisch und das war mein Traumberuf. Dann bin ich beim Zirkus gelandet und dann habe ich gesagt: Ohne Ausbildung geht es nicht. Ich war in Hamburg und spielte in ’ner kleinen Kneipe, der Washington Bar, und da kam die High Society und dann habe ich bei der Polydor einen Vertrag unterschreiben dürfen. Aber mit der Auflage, dass ich es lerne.

Das gibt es natürlich heute überhaupt nicht mehr. Eine Plattenfirma schickt heute keine Leute mehr zum Gesangsunterricht. Brauchen die ja ohnehin nicht. Wer heute ein bisschen krähen kann wie dieser Kübelmaier oder Kübelböck

Der Junge ist ja arm, der tut mir Leid. Der denkt, er ist ein großer Star, und dann wird er wie ’ne heiße Kartoffel fallen gelassen. Ist ja schon so weit. Aber wenn er es wirklich will, wenn es wirklich sein Lebensziel ist, Sänger und Schauspieler zu werden, dann muss er sehr viel nachholen und lernen. So einfach ist dieses Geschäft nicht.

Ristau: Wenn so etwa 100 Shantychor-Sänger aus Braunschweig und Vorsfelde Freddy bitten würden? Natürlich nicht das ganze Programm, sondern wir bringen uns ein – wäre das eine Möglichkeit?

Also, ich habe mich immer eingesetzt für Chöre und dergleichen. Aber ich bin in meinem Leben nie zur See gefahren. Ich sage immer: Herr Wussow hat nie operiert.

Ristau: Haben Sie denn schon mal Auftritte mit Seemannschören gehabt?

Aber viele Male! Das ist bei
mir schon ein wichtiger Bestandteil. Ich habe drei maritime LPs ge-
macht.

Bierwisch: Ich habe auch etwas Schönes von Ihnen: Weihnachtslieder.

Das war eine meiner erfolgreichsten LPs. "Weihnachten auf hoher See" und "Weihnachten mit Freddy Quinn".

Bierwisch: Ich soll Ihnen von meiner Gemeinschaft auftragen: Lange aktiv bleiben!

Ich habe für Senioren unwahrscheinlich viel gemacht. Viele Benefiz-Veranstaltungen. Nur habe ich das anders gehalten als die meisten. Die meisten rufen die Zeitung an: Ich gehe jetzt ins Altenheim, würden Sie zwei Fotografen schicken? Nein? Dann gehen sie gar nicht hin. Ja: Dann machen sie’s. Und ich bin immer hingegangen ohne Fotografen. Für die Menschen. Und da bin ich ein bisschen stolz, weil ich das nicht brauchte.

Ristau: Das macht Sie ja auch so volkstümlich.

Ja, schön. Ich bin ja auch volkstümlich. Zwei Drittel der Menschen sind volkstümlich. Ein Drittel ist intellektuell.