Festnahme im Fall Yasmin Stieler beschäftigt die Vechelder – Bernd Rübesamen fand vor zwölf Jahren den Torso

VECHELDE. Zwölf Jahre ist es her, seit Bernd Rübesamen den Torso von Yasmin Stieler in einem Erdloch entdeckte. Es war Gras über die Sache gewachsen. Doch mit der Verhaftung eines Verdächtigen kommen die Erinnerungen zurück. Es sind keine guten Erinnerungen.

Das Gras war auch im wahrsten Sinne des Wortes über die schrecklichen Ereignisse aus dem Oktober 1996 gewachsen. Das Erdloch, in dem der Mädchentorso gelegen hatte, war zugeschüttet. Es hob sich fast gar nicht mehr von dem sonstigen Wildwuchs am Vechelder Bahndamm ab.

Doch das Gras ist weg. Dieses Frühjahr rückte eine Polizei-Eskorte an und hob das Loch wieder aus. Sie war dem vergangene Woche verhafteten 41-jährigen Vechelder auf der Spur. Ihn belasten Zeugenaussagen und mehrere Indizien. Als zentrales Beweisstück soll ein Spaten mit Erdanhaftungen vom Fundort dienen. Ein Lacksplitter von diesem wurde im Erdloch entdeckt.

"Es liegt nahe, dass wir die Anhaftungen am Spaten auch mit aktuellen Erdproben vergleichen wollten", sagte Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe gestern zu dem erneut ausgehobenen Erdkrater. Bernd Rübesamen hatte die Polizisten über den Acker hinter seinem Haus gehen sehen. Genau diesen Weg müsste auch damals der Täter zurückgelegt haben, als er die Leichenteile Yasmin Stielers versteckte. Rübesamen wurde wieder an die Zeit erinnert, in der er ungewollt für Hauptkommissare und Dokumentarfilmer interessant geworden war.

Bernd Rübesamen hatte sich drei Tage nach der Tat gewundert, wer da im Gebüsch frisch gegraben hatte. Die Stelle liegt nur 20 Meter von seiner Gartenpforte entfernt. "Ich dachte erst, das waren die Jungs, die in der Nähe eine Butze gebaut hatten. Der Boden gab an dieser Stelle unheimlich nach", erzählt der 68-Jährige gefasst.

An diesem Tag der Entdeckung wurde Rübesamen aber noch nicht tätig. Die 18-jährige Uelzenerin Yasmin Stieler wurde bereits über Zeitungsaufrufe gesucht, aber in Vechelde vermutete sie keiner. Bernd Rübesamen vergaß seine scheinbar harmlose Beobachtung kurzfristig, doch dann trieb ihn die Angelegenheit wieder um. Eine Woche später machte er sich erneut zum Erdloch auf – mit einer Forke in der Hand.

Nur wenige Zentimeter Erde bedeckten den Müllsack, den er mit einem Zacken der Forke aufriss. "Was zu sehen war, war weiß. Mir schoss der Gedanke in den Kopf: Das ist ein Kind, da hat jemand ein Kind ermordet."

Erstmal war es nur ein schrecklicher Verdacht. Rübesamen ging in seinem Wohnzimmer auf und ab. Hatte er sich getäuscht? Nach zehn Minuten verständigte er die Polizei, ging mit zwei Beamten zum Fundort. Diese gruben den Torso aus, zogen ihn auf den Weg, zerstörten ungewollt wertvolle Spuren. Es war der Auftakt einer gigantischen polizeilichen Ermittlung, die ein Dutzend Jahre andauern sollte.

Und dann kam das, was im Krimi meistens nicht zu sehen ist. Wenn der Hauptkommissar sich bedankt und von dannen zieht, dann sitzt der Zeuge, der Leichenfinder in der Stille seiner Wohnung. "Ich war geschockt. Ich wusste nicht, wie mir geschah. Ich bin zu meiner Frau gefahren, die in Braunschweig bei der Arbeit war", erzählt Rübesamen ehrlich. Er wollte jetzt nicht allein sein.

Der Schock habe lange angehalten, habe ihm monatelang kaum Ruhe gelassen. Dem Ehepaar und seinen Nachbarn war unheimlich zu Mute, wie sie erzählen. Bernd Rübesamen bat seine Frau, sich in seiner Abwesenheit nicht auf die Terrasse zu legen. Nur ganz allmählich geriet der Herbst ‘96 in Vergessenheit – bis zur Festnahme des Tatverdächtigen.

"Der Fall Stieler ist jetzt Ortsgespräch, das ist ja klar", erzählt Bernd Rübesamen. Der Mordfall vor der eigenen Haustür ist noch bedrückender geworden, denn nicht nur der Torso wurde in Vechelde gefunden – auch der Täter soll plötzlich aus der Nachbarschaft kommen.