Dr. Oskar Prinz von Preußen sprach mit Lesern über die Johanniter, den Adel im 21. Jahrhundert und sein großes Familien-Vorbild

Anlässlich seines Besuches zum 25-jährigen Bestehen des Johanniter-Hauses Braunschweig sprach der Hohenzollern-Prinz, ein Urenkel Kaiser Wilhelms II., mit Lesern unserer Zeitung. Seit 1999 ist er der 37. Herrenmeister – der oberste Repräsentant – des Johanniter-Ordens. Seit 1696 stellt das Haus Hohenzollern die Herrenmeister der Johanniter.

Renate Heuer: Königliche Hoheit, wie stehen Sie verwandtschaftlich zu Prinz Heinrich von Hannover? Mir ist nämlich aufgefallen, dass Sie die gleichen Namen für Ihre Kinder gewählt haben.

Ist das so?

Heuer: Ja. Albert und Julius. Nur die Mädchen heißen anders. Ihre Tochter heißt Wilhelmine.

Die Namen sind nicht ganz identisch. Unser Ältester heißt Oskar, was in unserer Familie in der vierten Generation üblich ist – also in meiner persönlichen Familie. Der Jüngste heißt Albert und die Tochter Wilhelmine.

Heuer: Ich weiß nicht, ob Sie wissen, dass der Welfenbund die Grabstellen in Langensalza restauriert hat. Langensalza war ja 1866 Schauplatz für den Krieg der Preußen gegen Hannover. Es ist ein riesiges Schlachtfeld, und das soll auch so erhalten bleiben. Uns ist aufgefallen, dass die Preußen gar kein Interesse an diesen Grabstellen zu haben scheinen. Allerdings ist das ja auch schon lange her.

Ich finde Ihre Arbeit beachtenswert und ganz wichtig. Ich gestehe zu meiner Schande, dass ich mir bisher darüber nicht sehr viele Gedanken gemacht habe. Aber ich werde den Gedanken an den jetzigen Familienchef Georg Friedrich weiterleiten, denn Sie haben natürlich Recht, dass das Gedenken an die Toten auf allen Seiten von entscheidender Bedeutung ist.

Heinrich Denecke: Sie sind der höchste Repräsentant des Johanniter-Ordens. Es wäre interessant von Ihnen zu hören, welche Entwicklungen des Ordens es hier in Deutschland und weltweit gibt.

Ein weites Feld. Aber ich werde versuchen, mich kurz zu fassen.

Der Johanniter-Orden mit seiner 900 Jahre alten Tradition hat einen doppelten Ordens-Auftrag. Das ist das Eintreten für den protestantischen christlichen Glauben, und die Diakonie, also die Hilfe am Nächsten.

Heute machen wir das in unterschiedlich großen Ordens-Werken. Sie alle kennen wahrscheinlich die Johanniter-Unfallhilfe, die auch weltweit im Katastrophenschutz tätig ist. Sie war mit einem Team in Birma an Ort und Stelle und auch in China nach dem Erdbeben. Die Johanniter-Unfallhilfe betreut unter anderem aber auch 200 Kindertagesstätten.

Dann haben wir die Johanniter-Schwesternschaft, die in unseren stationären Einrichtungen ihren Dienst versieht, weil für uns der Bestandteil der Pflege auf christlicher Grundlage eine außerordentliche Bedeutung hat.

Vor kurzem haben wir eine Trägergesellschaft gegründet, in der wir alle stationären Einrichtungen bündeln. Wir betreiben 63 Altersheime, davon ist eines das St.-Anna-Stift hier in Braunschweig, und wir betreiben 16 Krankenhäuser und Tageskliniken. Wir Johanniter müssen sehen, dass wir uns in einem sehr umkämpften Markt, der zunehmend auch von privaten Anbietern erfolgreich abgedeckt wird, effizient aufstellen.

Inzwischen macht auch eine gemeinnützige Einrichtung wie unsere ungefähr eine Milliarde Euro Umsatz jährlich, und verwaltet im Wesentlichen fremdes Geld. Damit müssen wir gewissenhaft umgehen, um möglichst effizient helfen zu können.

Denecke: Für die Johanniter gibt es das Bekenntnis zum christlichen Glauben, das heißt auch, zur Festigung des christlichen Glaubens beizutragen. Wie ist es möglich, bei einer großen Zahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und vor allem auch Ehrenamtlichen, diesen Gedanken zu erfüllen?

Das ist eine unserer vordringlichsten Aufgaben unter dem acht-spitzigen Kreuz der Johanniter, was übrigens die acht Seligpreisungen symbolisieren soll. Wir arbeiten mittlerweile mit etwa 55 000 haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern in allen Einrichtungen. Für diese Mitarbeiter finden regelmäßig Seminare, auch Glaubensseminare, statt.

Ebbo Schröder: Sie haben Geschichte studiert und Ihre Doktorarbeit über Kaiser Wilhelm II. geschrieben. Ich selbst beschäftige mich mit dem Niedergang Wilhelms II. vor 1914. Es gab damals eine Opposition gegen den Kaiser. Bestätigen Sie das?

Das ist wirklich ein sehr komplexes Thema, das einen außenpolitischen und einen innenpolitischen Aspekt hat.

Seit seinem berühmten Interview von 1906, das der Kaiser dem "Daily Telegraph" gab, wurde deutlich, dass er außenpolitisch eine weniger wichtige Rolle spielte.

Er war enttäuscht von seinen Beratern, von denen er sich im Stich gelassen fühlte. So kann man auch nicht behaupten, dass Wilhelm II. die Hauptschuld am Ersten Weltkrieg trug.

Innenpolitisch muss man erkennen, dass er ein sehr fortschrittsgläubiger Mensch war.

Das hat ihn der Landbevölkerung und dem Adel in Teilen entfremdet. Wilhelm II. war eine vielschichtige Persönlichkeit in einer Zeit des Umbruchs.

Schröder: Wie sind Adel und Monarchie in der Gegenwart zu bewerten? Erhalten sie einen neuen Stellenwert? In Braunschweig ist das Schloss – zumindest die Fassade – wiedererrichtet worden. Spielt der Adel noch immer eine Rolle?

Generell finde ich den Wiederaufbau alter Gebäude gut. In Berlin, oder Potsdam geht es auch jeweils um das Stadtschloss.

Diese Rekonstruktionen füllen städtebauliche Lücken. Das hat nichts mit dem Adel zu tun. Ich halte das für einen allgemeinen Trend der Nostalgie. Das ist eine Pflege von Tradition und Geschichte, die man nicht einfach in den Orkus schickt. Man muss sich keine Sorgen machen, dass der Adel zurückkehrt.

Schröder: Ist Adel dann so etwas wie Familienangelegenheit?

Vermutlich ist er das. Übrigens ist die Pflege von Traditionen nicht per se etwas Schlechtes. Nehmen Sie den Johanniter-Orden. Der Ordens-Auftrag ist seit 900 Jahren unverändert. Das ist ein Fundament, auf das man aufbauen kann. Das bedeutet, Gutes zu bewahren – ohne Stillstand.

Denecke: Wie man unschwer an meinem Namen erkennen kann, bin ich nicht von Adel und gehöre doch dem Orden an. Und ich finde es gut, dass Menschen aus einer langen Tradition kommen und sie bewahren. Wie ging es dem Orden nach der Wende 1989?

Sie haben Recht. Es gab im Johanniter-Orden das Adelsprinzip, das heißt, dass Nicht-Adlige keinen Zutritt hatten.

Das hat mein Großvater, Oskar Prinz von Preußen, der 35. Herrenmeister, 1948 abgeschafft. Nach 1989 fielen zahlreiche Altenheime und Krankenhäuser an den Orden zurück. Sie waren in katastrophalem Zustand. Aber der Orden hat sie klaglos übernommen und wieder aufgebaut.

Heuer: Was bedeutet eigentlich "Herrenmeister"?

Das Amt gibt es seit vielen Jahrhunderten. Der Herrenmeister wird vom obersten Leitungsgremium gewählt. Seit 1696 liegt das Amt bei einem Mitglied des Hauses Preußen. Manche sagen, der Herrenmeister sei so etwas wie der Bundespräsident der Johanniter. Aber das höre ich nicht gern. Der Herrenmeister repräsentiert den Orden und trägt letztlich sie Verantwortung.

Denecke: Der erste Herrenmeister kommt aus dem Braunschweiger Land. Das war Gebhard von Bortefelde. Und Prinz Albrecht von Preußen, Regent des Braunschweiger Herzogtums, der die Burg Dankwarderode wieder aufbauen ließ, war ebenfalls Herrenmeister.

Da sehen Sie, welchen gesunden Bezug die Johanniter zu Braunschweig haben.

Schröder: Preußen ist in den vergangenen Jahren in Mode gekommen, man könnte sagen, es gibt eine Preußen-Renaissance. Und ich habe den Eindruck, dass sich da eine Schickeria im Preußen-Licht sonnt.

Das ist sicher nur ein Teilaspekt der Rückbesinnung, die Sie da spüren. Ich würde sagen, es gibt gegenwärtig einen unverkrampften Blick auf die deutsche Geschichte. Es gibt endlich einen differenzierten Zugang zur Geschichte. Das wirkt in vieler Hinsicht befreiend.

Denecke: Sagen Sie noch etwas zu den protestantischen Johannitern und den katholischen Maltesern.

Nun, Johanniter und Malteser sind zwei Zweige ein und derselben Wurzel. Wir haben über die Jahrhunderte erkannt, dass wir alle an den selben Problemen arbeiten. Daraus haben sich viele interessante Berührungspunkte und fruchtbare Kooperationen entwickelt.

Schröder: Haben Sie einen Lieblingsvorfahren?

Oh, da gäbe es viele zu nennen. Aber ich glaube, es ist für mich Friedrich der Große. Eine beeindruckende Persönlichkeit, die die Bandbreite vom Feldherrn zum Philosophen umfasste.