Berlin. Die Römer vermuteten im Emsbachtal große Silber-Vorkommen und bauten ein Lager. Am Ende scheiterten sie wohl – an wenigen Metern Erde.

  • Archäologen entdecken römischen Bergbau rund um Bad Ems, in Rheinland-Pfalz
  • Die Römer suchten in der Region nach Silber und errichteten befestigte Lager
  • Der Fund enthält Hinweise darauf, dass das große Lager und das kleine Kastell systematisch geplündert und niedergebrannt wurden

Es ist eine bemerkenswerte Geschichte, die Archäologen der Landschaft um Bad Ems entrissen haben. Stück für Stück haben sie zusammengepuzzelt, was sich in der Mitte des 1. Jahrhunderts unweit von Lahn und Rhein zugetragen haben muss. Am Ende steht eine Erzählung über harte Arbeit im Bergbau, die Hoffnung auf Reichtum und eine gehörige Portion Pech. Schon der römische Geschichtsschreiber Tacitus hat darüber berichtet.

Beginn dieser Entdeckungsreise ist das Jahr 2016. Von einem Hochsitz aus bemerkt Jäger Jürgen Eigenbrod Farbunterschiede in einem Getreidefeld im Emsbachtal. Eigenbrod ist Denkmalpfleger. Er ahnt, dass er auf etwas Besonderes guckt. Drohnenaufnahmen aus der Luft bestätigen: Den Acker durchzieht eine Spur, die von einem riesigen Traktor stammen könnte. Eigenbrod informiert die Behörden.

Silberschatz: Forscher enträtseln misslungene Suche der Römer in Germanien

Diese Spuren zeigen die Reste zweier parallel verlaufender Wehrgräben des Römerlagers bei Bad Ems.
Diese Spuren zeigen die Reste zweier parallel verlaufender Wehrgräben des Römerlagers bei Bad Ems. © Goethe-Uni Frankfurt | Goethe-Uni Frankfurt

Die Spuren entpuppen sich als Reste zweier paralleler Wehrgräben, angelegt vor fast 2000 Jahren. Peter Henrich, Bezirksarchäologe aus Rheinland-Pfalz und Römerfachmann, erkennt das Potenzial – und er leitet jene Arbeiten ein, an denen sich Forschende der Goethe-Universität in Frankfurt, der Direktion für Landesarchäologie in Rheinland-Pfalz, des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Erlangen-Nürnberg sowie der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft systematisch beteiligen werden.

Archäologen finden Münzen, Wehrspieße, Geschirr und Keramik

Drei Sommer lang wird im Emsbachtal gegraben. Die Wissenschaftler finden Münzen, hölzerne Wehrspieße, Spuren von Holzpfosten, Gräben und Gruben, Geschirr, Keramik und Schlacken. Dann werden Fundstücke und Topografie ausgewertet und mit Quellen verglichen. Sieben Jahre später ergibt sich eine Indizienkette, „die relativ dicht ist“, erklärt Prof. Markus Scholz, Archäologe und Experte für die Geschichte der römischen Provinzen an der Goethe-Universität.

Was also könnte sich zugetragen haben zwischen Lahn und Rhein? Bisherigen Erkenntnissen zufolge ließ sich eine Abordnung des römischen Statthalters Curtius Rufus um 50 n. Chr. auf der Suche nach Silber hier nieder. „Für den römischen Staat war es entscheidend, an alle Arten von Rohstoffen zu gelangen. Das Römische Reich hatte einen riesigen Bedarf. Bei der Rohstoffprospektion griff man auch über die Reichsgrenzen aus“, sagt Scholz. Silber ist ein krisenfestes Edelmetall, der Silberdenar ist die Leitwährung der römischen Kaiserzeit, auch das Militär wird in Silber bezahlt. Über die Soldaten kommen Währung und Edelmetall auch in die Provinzen.

Der Silberdenar zeigt den römischen Kaiser Claudius. Er regierte vom 24. Januar 41 n.Chr. bis zu seinem Tod im Jahr 54.
Der Silberdenar zeigt den römischen Kaiser Claudius. Er regierte vom 24. Januar 41 n.Chr. bis zu seinem Tod im Jahr 54. © Dirk Sonnenwald/Münzkabinett, Staatliche Museen zu Berlin | Dirk Sonnenwald/Münzkabinett, Staatliche Museen zu Berlin

Durch den Kontakt mit einheimischen Germanen, so die Vermutung, erfahren die Römer, dass sich unweit des heutigen Bad Ems große Vorkommen von Silbererz im Boden befinden sollen. Um dies zu überprüfen, fangen sie an zu graben und errichten unweit der Stollen ein befestigtes Kleinkastell für etwa 40 Personen. Später folgt der Bau eines weiteren Lagers in etwa zwei Kilometern Entfernung: eine fast acht Hektar große Anlage mit rund 40 Türmen aus Holz.

Lager wurden systematisch abgeräumt und niedergebrannt

Die Ausgrabungen verraten, dass das große Lager, vielleicht ein Militärlager oder Teil einer bewachten Bergbausiedlung, wohl nie fertiggestellt wird. Brand- und Bodenspuren zeigen, dass es wenige Jahre nach Baubeginn zusammen mit dem Kleinkastell systematisch abgeräumt und niedergebrannt wird.

Hinweise für diese Version der Geschichte finden die Wissenschaftler in den historischen Quellen: Geschichtsschreiber Tacitus beschreibt dort, wie unter Statthalter Curtius Rufus im Jahr 47 n. Chr. der Versuch abgebrochen wurde, zwischen Lahn und Rhein Silbererz abzubauen. Tacitus berichtet auch von den Strapazen der Soldaten im Bergbau unter Tage.

Statthalter wollte womöglich dem Kaiser imponieren

Tatsächlich konnten Scholz und sein Team im Emsgraben ein Schacht-Stollen-System identifizieren, das auf römische Herkunft schließen lässt. „Die archäologischen Funde passen sehr gut zusammen“, sagt er. Womöglich habe der ehrgeizige Statthalter dem Kaiser in Rom imponieren wollen.

Die Stollen liegen dabei nur wenige Meter über dem sogenannten Bad Emser Gangzug, der noch berühmt werden sollte. Denn Hunderte Jahre später, bestätigte Quellen gibt es für die Zeit der Stauffer im Hochmittelalter, wurde dort das Silbererz von Bad Ems ausgebeutet. Die im Boden enthaltenen Mengen waren ergiebig. Selbst in der Neuzeit sind dort laut Goethe-Universität noch etwa 200 Tonnen Silber aus dem Boden geholt worden.

Nachgestelltes Bild des Lagertors der Römer.
Nachgestelltes Bild des Lagertors der Römer. © Firma „Digitale Archäologie“: | Firma „Digitale Archäologie“:

Blei und Zink: Schlacke-Reste zeugen von Funden

Die Hoffnung der Römer auf einen lukrativen Fund von Edelmetallen würde auch die Anwesenheit des Militärs in Lager und Kastell erklären: Man wollte sich gegen Überfälle zur Wehr setzen können, die angesichts des wertvollen Rohstoffes wahrscheinlich waren.

Und so hat sich aus der Beobachtung eines Jägers eine Geschichte von Versuch und Irrtum entwickelt. Zwar hätten die Römer beim Graben durchaus Metalle gefunden, wie Schlacke-Reste nahelegen, doch handelte es sich dabei wohl um Blei und Zink. Archäologe Scholz sagt: „Die Römer hatten offensichtlich Pech. Wir haben den Eindruck, dass ihre Schächte schlicht nicht tief genug gingen.“