Berlin. Der Druck auf Kanzler Scholz nimmt zu, der Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine zuzustimmen. Offenbar stellt er dafür Bedingungen.

In der Panzerfrage nimmt der Druck auf die Bundesregierung zu. An diesem Donnerstagmorgen kommt es für den neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) Schlag auf Schlag: Am Morgen erhält er seine Ernennungsurkunde von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, danach leistet er seinen Amtseid im Deutschen Bundestag ab. Im Anschluss kommt die erste internationale Bewährungsprobe für den Niedersachsen – die Begegnung mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin.

Die Amerikaner hatten bisher alles vermieden, um die Bundesregierung öffentlich in Zugzwang zu bringen, Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Doch hinter den Kulissen ist die Marschrichtung klar. „Wir rechnen mit einer Ausweitung der westlichen Militärhilfe an die Ukraine – die Lieferung von Kampfpanzern ist Teil der Diskussion“, sagte ein hochrangiger US-Diplomat unserer Redaktion.

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Seit Dezember wird im Westen über die Lieferung von Kampfpanzern diskutiert

Das gelte auch mit Blick auf das Treffen der Ukraine-Unterstützerländer an diesem Freitag im rheinland-pfälzischen Ramstein. Dort solle auch über die bessere Koordinierung internationaler Waffenhilfe geredet werden, hieß es weiter.

Nach Angaben amerikanischer Regierungskreise sprechen Vertreter der Vereinigten Staaten, Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens seit vergangenem Dezember über mehr schwere Waffen für die Ukraine, einschließlich Kampfpanzern. Der britische Premierminister Rishi Sunak hatte kürzlich angekündigt, 14 Kampfpanzer vom Typ Challenger 2 in die Ukraine zu entsenden.

Bislang hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern in die Ukraine mit dem Hinweis abgelehnt, dass Deutschland „keine Alleingänge“ in dieser Frage unternehmen wolle. Dieses Argument verliert zunehmend an Gewicht.

Erst am Dienstag hatte er mit US-Präsident Joe Biden telefoniert. Laut "Süddeutsche Zeitung" sagte er eine Leopard-Lieferung unter der Bedingung zu, dass die USA ihrerseits der Ukraine Kampfpanzer vom Typ Abrams zur Verfügung stellten. Biden legte sich in dem Gespräch dem Bericht zufolge allerdings nicht fest.

Scholz: Deutschland verschickt weiterhin „große Mengen an Waffen“ Richtung Kiew

Beim Weltwirtschaftsforum in Davos ging der Kanzler nicht auf die Panzerfrage ein. „Wir werden die Ukraine weiterhin unterstützen – so lange wie notwendig“, sagte er in seiner Rede am Mittwoch. Damit Russland mit seinem Angriffskrieg scheitere, liefere Deutschland „fortlaufend“ und in enger Absprache mit den internationalen Partnern „große Mengen an Waffen“, erklärte Scholz.

Am Dienstag hatte der Kanzler bereits mit US-Präsident Joe Biden telefoniert

Auf eine Frage aus dem Publikum, warum Deutschland keine Leopard-Kampfpanzer in die Ukraine entsende, antwortete er ausweichend: Die Bundesrepublik sei nach den USA und Großbritannien der drittgrößte Waffenlieferant. Scholz hob die Lieferung der Panzerhaubitze 2000 und des Luftabwehrsystems Iris-T hervor.

Gleichzeitig betonte der Kanzler: „Wir werden verhindern, dass dies zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato wird.“ Nach Einschätzung amerikanischer Diplomaten sind Scholz‘ öffentliche Erklärungen vor allem für das deutsche Publikum bestimmt.

Scholz hatte sich bisher gegen die Lieferung der Leopard-Panzer an die Ukraine gesträubt. Als Argument nannte er, dass es keinen deutschen Alleingang geben dürfe. Inzwischen wollen allerdings Polen und weitere EU- und Nato-Staaten eigene Leopard-Panzer an die Ukraine liefern und dringen auf die dafür erforderliche Genehmigung des Herstellerlandes Deutschland.

Selenskyj: Verteidigungswaffen müssen schneller greifen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj appellierte beim Davoser Weltwirtschaftsforum eindringlich an die Welt, schneller Militärgüter an sein Land zu liefern. „Verteidigungswaffen müssen schneller greifen als die Angriffspakete Russlands“, sagte er in seiner per Video übertragenen Rede. Gleichzeitig warb er um eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine.

Unterdessen machte das EU-Parlament mit einem ungewöhnlichen Beschluss Druck auf Scholz: Die Abgeordneten forderten mit großer Mehrheit den Kanzler auf, die Weichen für die Leopard-Lieferung zu stellen. Scholz solle ein „europäisches Konsortium relevanter europäischer Länder initiieren, um ohne weitere Verzögerung Leopard-2-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern“.

Zuvor hatten der polnische Präsident Andrzej Duda, sein litauischer Amtskollege Gitanas Nauseda und der finnische Außenminister Pekka Haavisto an Scholz appelliert, die Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine zu genehmigen. Alle drei Länder verfügen über das in Deutschland hergestellte Militärgerät, brauchen jedoch für eine Lieferung die Zusage aus Berlin.