Berlin. Die Ampel-Koalition will eine Bremse beim Gas einziehen. Sie wählt dabei eine trickreiche Lösung – deren Ausgestaltung unklar bleibt.

Es ist ein bitterer Rekord, den viele Bürgerinnen und Bürger längst täglich spüren: Die allgemeine Teuerungsrate liegt 10 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Nie war die Inflation im wiedervereinigten Deutschland höher. Es ist eine Preissteigerung, wie es sie selbst in den 70er Jahren, als Deutschland in die Stagflation rutschte, die gefürchtete Mischung aus niedrigem Wirtschaftswachstum gepaart mit hoher Inflation, nicht gab. Der Haupttreiber der Teuerung ist und bleibt die Energie, die fast 44 Prozent mehr kostet als vor einem Jahr und sich auf die anderen Preise auswirkt.

Die Bundesregierung zieht nun die Reißleine: Bis zu 200 Milliarden Euro stellt sie für die Zeit bis zum Winterende 2024 zur Verfügung, um die Energiekosten zu senken – neben der Strompreisbremse soll eine Gaspreisbremse kommen. Hinzu kommt noch die abgesenkte Mehrwertsteuer auf Gas. Nach dem „Wumms“ der „Bazooka“ in der Corona-Pandemie holt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum „Doppel-Wumms“ aus.

Gas- und Energiekrise: Wirtschaftsstandort droht schwerer Schaden

Die Bundesregierung hat kaum eine andere Wahl. Zu viel steht auf dem Spiel. Schon jetzt befürchten führende Wirtschaftsinstitute eine Rezession in Deutschland. Unternehmen aus allen Gewerken schlagen Alarm. Ein kombinierter wirtschaftlicher Abschwung mit einer überbordenden Inflation, die sich aufgrund psychologischer Erwartungshaltungen verfestigt, droht, dem Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig schweren Schaden zuzufügen.

Trotz der beispiellosen Ausgaben während der Corona-Pandemie hat Deutschland finanzielle Reserven. Sie in der jetzigen Lage nicht einzusetzen, wäre eine fatale Entscheidung gewesen. Das musste am Ende auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) einsehen, der sich bis zuletzt gegen neue Schulden gestemmt hat.

Er wählt nun ein vermeintlich gesichtswahrendes Konstrukt: Die neuen Schulden sollen über den sogenannten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) aufgenommen werden. Der WSF hat sich bereits in der Banken- und Coronakrise bewährt. Während der Pandemie schlüpften unter den Rettungsschirm Unternehmen wie die Lufthansa, an deren Rettung der Staat am Ende sogar verdiente.

Tobias Kisling, Wirtschaftsredakteur.
Tobias Kisling, Wirtschaftsredakteur. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Gasumlage geht als Chaos-Idee in die Annalen ein

Nun wird der WSF vom Unternehmensrettungsschirm zum Allzweckwerkzeug umgebaut. Die Schuldenbremse aber bleibt bestehen – und damit eines der wenigen Aushängeschilder, das die FDP in der Koalition derzeit zu bieten hat. Nur bleibt die Frage, was die Schuldenbremse angesichts der vielen Schattenhaushalte, die mittlerweile parallel zum regulären Haushalt laufen, überhaupt noch wert ist.

Während der FDP-Chef zufrieden ist, fragen sich viele, was der „Doppel-Wumms“ nun konkret bedeutet. Das ist in vielen Punkten nach wie vor unklar. Immerhin: Die Gasumlage ist vom Tisch. Sie gehe in die Annalen der Geschichte ein, das spare Bürokratie, erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Was er nicht sagte: In die Annalen geht sie als Chaos-Idee der Ampel-Koalition ein. Eine Idee, die die Bürokratie erst hervorgerufen hat, die nun wieder beseitigt werden muss.

Keine falschen Anreize bei der Gaspreisbremse

Noch wichtiger aber ist, dass nun schnell Klarheit zur Gaspreisbremse kommt. Zum pauschalen Deckel darf sie nicht werden. Denn der Gasverbrauch der Privathaushalte lag zuletzt um 14,5 Prozent höher als in den Vorjahren – die Appelle zum Sparen scheinen vor allem bei Unternehmen, nicht aber in den Haushalten anzukommen.

Wirksam wäre es, einen Grundbedarf im Preis zu begrenzen, der wirksam entlastet, aber zum Sparen anreizt. Und dabei im besten Fall solange die Inflation dämpft, bis sich die Energiepreise beruhigt haben.