Berlin. Russland leidet unter der Klimakrise: Rekordhitze, Brände, der Permafrostboden taut. Doch durch den Ukraine-Krieg ist es isoliert.

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine war wenige Tage alt, als Oleg Anisimow sich entschuldigte. „Im Namen aller Russen“, so berichteten es später Teilnehmer, bat der Klimaforscher aus St. Petersburg um Verzeihung, „für die Unfähigkeit, diesen Konflikt zu verhindern“. Sein Publikum für die Rede waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie er.

Eigentlich waren die Fachleute aus 195 Mitgliedstaaten des Weltklimarats IPCC zusammengekommen, um den Bericht des Rats zu Klimafolgen abzuschließen. Doch auch in den Kampf gegen den Klimawandel drängte sich der Krieg, und übertönte, was die Forschenden zu sagen hatten.

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Weltgemeinschaft muss zusammenarbeiten – auch mit Russland

Will die Weltgemeinschaft die schlimmsten Auswirkungen des Temperaturanstiegs verhindern, so eine zentrale Botschaft des IPCC, muss sie jetzt zusammenarbeiten, um Emissionen zu senken. Auch mit Russland.

Nach China, den USA und Indien lag das Land 2020 auf Platz vier der größten Emittenten von Treibhausgasen. Es deckt seinen Energieverbrauch fast ausschließlich aus fossilen Quellen, erneuerbare Energien spielen praktisch keine Rolle. Und auch international trägt Russland zu den immer noch steigenden Emissionen bei – Öl, Gas und Kohle gehören zu den wichtigsten Exportgütern.

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Unterstützung des Westens darf Moskau nicht erwarten

Doch Russland befeuert die Krise nicht nur. Das Land, in dem die Durchschnittstemperatur deutlich schneller steigt als im globalen Schnitt, wird auch hart getroffen von den Folgen der Erderhitzung. 2020 überrollte eine Rekord-Hitzewelle Sibirien. Im Juni 2020 wurden in der Kleinstadt Werchojansk, rund 100 Kilometer nördlich des Polarkreises, 38 Grad gemessen. Ein Jahr später folgten riesige Waldbrände: Mehr als 17,6 Millionen Hektar standen in Flammen, eine Fläche halb so groß wie Deutschland.

Die Erwärmung erreicht immer tiefere Schichten des Bodens – der Permafrost, in dem sich fast zwei Drittel der russischen Landmasse befinden, taut. Der absackende Boden zieht Infrastruktur mit sich, die ausgelegt war auf ewiges Eis. Gebäude, Bahnlinien, auch Pipelines nehmen immer häufiger Schaden. Zudem verstärkt die Krise sich selbst: Die Waldbrände setzen große Mengen CO2 frei, aus dem tauenden Permafrost entweichen CO2 und das noch wesentlich stärker wirkende Treibhausgas Methan.

Moskau zeigt keine ambitionierte Klimapolitik

Nichts davon hat die Regierung in Moskau bislang zu ambitionierter Klimapolitik motivieren können. Stattdessen verlegten sich die Wirtschaft, regionale Verwaltung und die Regierung auf gegenseitige Schuldzuweisungen, analysiert der amerikanische Thinktank Center for Stategic and International Studies.

Dem Pariser Klimaabkommen ist das Land zwar beigetreten, doch das schlägt sich kaum nieder. „Russland hat zwar Klimaziele nach dem Pariser Abkommen eingereicht, aber diese sind völlig unzureichend“, sagt Kira Vinke, Leiterin des Zentrums für Klima und Außenpolitik bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

Russland: Großes Potential für grüne Energie

Das Land tue kaum etwas, um sein Energiesystem zu transformieren. „Stattdessen versucht es, mit Rechentricks Ziele zu erreichen, indem es den Schutz seiner riesigen Waldflächen als Senken gegenrechnet.“ Zwar habe das Land ein großes Potenzial für grüne Energie. Dem Regime von Wladimir Putin fehle es aber an Transformationskraft, um dieses zu nutzen.

Und auf Unterstützung aus dem Westen kann Russland nicht mehr setzen. Politisch und wirtschaftlich ist das Land seit dem Angriff auf die Ukraine isoliert, selbst wissenschaftliche Kooperationen sind fast gänzlich auf Eis gelegt.

Aufmerksamkeit von Klimakrise richtet sich auf Ukraine-Krieg

Dabei wird es vorerst auch bleiben: Die Bekämpfung des Klimawandels sei die größte globale Herausforderung des 21. Jahrhunderts, heißt es auf Anfrage aus dem Auswärtigen Amt. „Deshalb erwarten wir, dass Russland seinen internationalen Verpflichtungen zum Klimaschutz nachkommt.“ Doch sämtliche Kooperations- und Dialogformate auf Regierungsebene seien ausgesetzt. Für politische Kooperationen „bleibt die Beendigung des Angriffskrieges Voraussetzung“, so das Ministerium.

Sowohl innerhalb Russlands als auch außerhalb bindet der Krieg Ressourcen. Zeit, Geld und Aufmerksamkeit, die sonst auf den Kampf gegen die Klimakrise hätten verwendet werden können, fließen nun in den Ukraine-Krieg. Die Bundesregierung etwa wollte im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft vor allem die Gründung eines internationalen „Klima-Clubs“ vorantreiben. Jetzt sind die Wirtschaftsmächte vor allem mit Schadensbegrenzung beschäftigt.

Transformationsdruck auf Russland dürfte wachsen

In Russland könnte ausgerechnet der Krieg am Ende die Transformation beschleunigen, sagt DGAP-Expertin Kira Vinke. Denn Deutschland und andere europäische Staaten, die auf Jahre hinaus geplant hatten, russisches Gas, Öl und Kohle zu importieren, tun jetzt, was sie können, um sich aus der Abhängigkeit von Moskau zu befreien. Andere Absatzmärkte gibt es zwar, doch die logistischen Hürden, um russisches Gas etwa nach China zu transportieren, sind hoch. Auf Russland kommen wirtschaftliche Einbußen zu, und das früher als gedacht, sagt Vinke. „Der Transformationsdruck auf Russland dürfte wachsen, wenn die Absatzmärkte in Europa verschwinden.“

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