Der Weltklimarat warnt in seinem neuen Bericht vor katastrophalen Folgen der Klimakrise. Für Europa definiert er vier große Risiken.

Milliarden Menschen spüren schon jetzt die Folgen des Klimawandels, und das Zeitfenster, noch gravierendere Zerstörungen als bisher abzuwenden, schließt sich. Am Montag veröffentlichte der Weltklimarat IPCC das zweite Kapitel seines sechsten Sachstandsbericht zur Klimaerwärmung. Nach dem ersten Kapitel, das im vergangenen Jahr veröffentlicht und die naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels betrachtet, fokussiert sich der neue Bericht auf die konkreten Folgen der Erwärmung und die Frage, wie die Menschheit sich daran anpassen kann.

Schon jetzt sind die Auswirkungen der Erhitzung dramatisch: 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen seien durch ihre Lebensumstände bereits besonders stark vom Klimawandel gefährdet, berichtete die Arbeitsgruppe des Weltklimarats. „Die Auswirkungen, die wir heute sehen, treten viel schneller auf und sind zerstörerischer und weitreichender als vor 20 Jahren erwartet“, so der Weltklimarat.

Für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten geht es angesichts des Klimawandels bereits ums Überleben. Schon bei einer Erderwärmung um 1,5 Grad besteht laut dem Bericht für bis zu 14 Prozent der Arten an Land ein „sehr hohes“ Risiko auszusterben, bei drei Grad sogar für 29 Prozent. Da Artenvielfalt und Ökosysteme im Kampf gegen die Klimakrise eine wichtige Rolle spielen, sprach sich der IPCC dafür aus, 30 bis 50 Prozent der Land- und Meeresgebiete unter Schutz zu stellen.

Das Ahrtal in Rheinland-Pfalz wurde 2021 von einer Flut über weite Teile zerstört. Der Klimawandel erhöht die Wahrscheinlichkeit und Intensität von Extremwetter.
Das Ahrtal in Rheinland-Pfalz wurde 2021 von einer Flut über weite Teile zerstört. Der Klimawandel erhöht die Wahrscheinlichkeit und Intensität von Extremwetter. © dpa | Boris Roessler

Unter den 18 Kapitel des Berichts finden sich auch mehrere, die auf die konkreten Auswirkungen für einzelne Regionen blicken. In Europa werden die Regionen des Kontinents unterschiedlich betroffen sein, vor allem Südeuropa spürt die Folgen des Klimawandels. Doch Extremwetterereignisse treffen auch den Norden, wie im vergangenen Jahr das katastrophale Hochwasser im Ahrtal und anderen Teilen Deutschlands. In der europäischen Arktis sind laut Report traditionelle Lebensweisen bedroht.

Die wichtigsten Botschaften für Europa und Deutschland im Überblick:

Es wird heiß. Die Temperaturen werden auch weiterhin in Europa schneller steigen als im Rest der Welt. In Deutschland ist es bereits jetzt 1,6 Grad wärmer als in vorindustrieller Zeit, global liegt der Schnitt bei 1,5 Grad. Hitzewellen nennt der Weltklimarat deshalb als eines von vier zentralen Risiken für den Kontinent, neben negativen Auswirkungen auf die Landwirtschaft, Wassermangel und Überflutungen.

Die Temperaturen stellen für vulnerable Gruppen wie kleine Kinder und alte Menschen eine ernste Bedrohung dar. Sollte die globale Erwärmung nicht auf 1,5 Grad begrenzt werden, wie im Pariser Klimaabkommen vorgesehen, sondern auf 3 Grad steigen, würde das laut IPCC in Europa doppelt bis dreifach so viele Todesfälle durch Hitze bedeuten.

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Städte werden zu Hotspots. Schon jetzt lebt mehr als die Hälfte der Menschheit in Städten, bis Mitte des Jahrhunderts wird sich dieser Trend noch verstärken. Laut IPCC konzentrieren sich urbanen Räumen auch die Risiken, die durch den Klimawandel entstehen. Sollte die globale Erwärmung zwei Grad übersteigen, drohen Folgen für Infrastruktur und Unternehmen, unter anderem bei der Energieversorgung und beim Verkehr. Der Wasserbedarf würde steigen, mehr Gebäude müssten klimatisiert werden.

Die Krise trifft nicht alle gleich. Wie dramatisch die Folgen der Klimakrise ausfallen, liegt nicht nur an den sich verändernden Umweltbedingungen, sondern auch den Ressourcen, mit denen Staaten auf Wetterextreme und -katastrophen reagieren können. Arme Staaten sind deutlich verwundbarer und können ihren Bürgerinnen und Bürgern nach Stürmen, Fluten und anderem Extremereignissen schlechter helfen.

Millionen Menschen seien deshalb jetzt schon als Konsequenz der Klimakrise in der Situation, keinen sicheren Zugang zu Nahrung und sauberem Wasser zu haben, so der IPCC. Das betrifft vor allem Länder in Afrika, Asien, Zentral- und Südamerika und kleine Inselstaaten.

Welt kann sich auf manche Folgen des Klimawandels vorbereiten

Doch auch innerhalb Europas und Deutschlands setzt sich Ungleichheit bei den Auswirkungen fort, sagt Daniela Schmidt, Paläobiologin an der Universität Bristol und Leitautorin des Europa-Kapitels. „Jemand, der ein Haus gebaut hat in einem Überflutungsgebiet, kann nicht so einfach wegziehen, wenn sich das Haus nicht verkaufen lässt“, erklärt sie. „Ältere Menschen und Menschen, die nicht so mobil sind, kommen schlechter an Informationen und können der Gefahr weniger gut ausweichen, wenn sie da ist.“ Und auch wenn viele einfach in den Supermarkt könnten um Nahrung zu kaufen, gebe in Europa Menschen, die direkt abhängig seien von dem, was die Natur produziert.

Wir können etwas tun. Neben den Folgen, die zum Teil bereits jetzt unabwendbar sind, will der Bericht ganz gezielt auch aufzeigen, wie die Welt sich auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten kann. Die Möglichkeiten zur Anpassung wachsen, heißt es im Bericht. In Städten etwa können Grünflächen und Fassadenbegrünung die Hitze mildern, Ernteerträge können gesichert werden durch den Anbau anderer Feldfrüchte. Werden Ökosysteme, zum Beispiel Moore, geschützt, erhält das auch ihre positive Klimawirkung.

„Wir können etwas tun“, betont Schmidt. „Wenn wir umsetzen, was wir gelernt haben, dann kann Klimaanpassung uns nicht nur schützen, sondern die Welt auch zu einem gerechteren Ort machen.“

Allerdings: Noch besteht eine große Lücke zwischen dem, was an Anpassungsmaßnahmen geplant ist, und dem, was nötig wäre. Das gilt in Europa und anderswo.

Und die Anpassungsmaßnahmen müssen gut überlegt sein, sagt Schmidt. „Für vieles, was wir jetzt tun müssen, ist nur begrenzt Wasser da und nur begrenzt Land“, erklärt sie. „Wir werden Entscheidungen treffen müssen, und wir müssen wissen, welche Entscheidung die beste ist.“

Verschiedene Lösungsansätze – doch Anpassung hat Grenzen

Noch sei die Datenbasis dafür nicht ausreichend. Grünflächen in Städten etwa seien als Lösungsansatz bekannt und würden auch schon umgesetzt. Doch gebe nicht genug systematisch erfasste Informationen über ihre Wirkung: „Wie viele Grünflächen, wie viele Bäume, welche Arten von Bäumen, was funktioniert am besten? Und was passiert, wenn eine Grünfläche wegfällt, weil ein Wohnhaus gebaut wird?“ All das müsse beantwortet werden.

Anpassung hat Grenzen. Die Autorinnen und Autoren des Berichts zeigen bewusst Lösungswege auf. Doch sie sagen auch, dass auch Anpassungsmaßnahmen katastrophale Folgen nicht verhindern können, sollte die Temperatur wie bislang ungebremst steigen.

Es gelte deshalb, so viel Erwärmung wie möglich zu verhindern. „Ambitionierter Klimaschutz und Anpassung müssen Hand in Hand gehen“, sagte der deutsche Klimaforscher Hans-Otto Pörtner, einer der Leitautoren des Berichts. „Wir haben ein schrumpfendes Zeitfenster.“