Berlin. Nur die Hälfte von dem, was in der gelben Tonne landet, wird wiederverwertet. Der Rest wird verbrannt. Das hat Folgen für die Umwelt.

Bierdose, Milchkarton, Joghurtdeckel – all das gehört in die gelbe Tonne. Das bisweilen mühsame Sortieren des Mülls lohnt sich, denn was dort landet, wird recycelt – das glauben die meisten Verbraucher. Doch die Annahme stimmt nicht, zeigen die Zahlen des Umweltbundesamtes.

In Deutschland werde nur knapp die Hälfte der Verpackungen, die in der gelben Tonne landen, tatsächlich wiederverwertet. Der Großteil werde hingegen verbrannt, mit teils nicht absehbaren Folgen für die Umwelt. Ein neues Gesetz soll Abhilfe schaffen. Experten sehen darin jedoch den falschen Ansatz.

„Wir könnten eigentlich bis zu 90 Prozent der Plastikverpackungen wiederverwenden“, sagt Henning Wilts vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. „Doch Verbrennen ist einfach billiger.“ Plastik eigne sich wegen seines Erdölanteils besonders gut zum Verfeuern.

Seine Aufbereitung sei dagegen deutlich teurer. „Dazu tragen entscheidend die riesigen Müllverbrennungsanlagen der Kommunen bei“, so der Experte für Kreislaufwirtschaft.

Überangebot an Verbrennungsanlagen

Ein Bericht des Bundestages vom Mai 2018 zeigt, dass es in Deutschland bislang ein Überangebot solcher Verbrennungsanlagen gab. Allein zwischen 1998 und 2003 wurden acht neue Anlagen gebaut. Damals ging man von wachsenden Müllbergen aus.

So landet Plastikmüll in der Umwelt

Dieser Igel kämpft mit einem Plastikring, in dem Getränkedosen transportiert werden können. Bis zu 250 Millionen Tonnen Plastik werden jährlich weltweit hergestellt. Viel davon landet in der Umwelt. Mit fatalen Folgen.
Dieser Igel kämpft mit einem Plastikring, in dem Getränkedosen transportiert werden können. Bis zu 250 Millionen Tonnen Plastik werden jährlich weltweit hergestellt. Viel davon landet in der Umwelt. Mit fatalen Folgen. © imago/Nature Picture Library | imago stock&people
Selbst Pinguine bleiben in den Dosenhaltern stecken.
Selbst Pinguine bleiben in den Dosenhaltern stecken. © imago stock&people | imago stock&people
An diesem Strand in Indien sucht ein Hund in Abällen nach Fressbarem.
An diesem Strand in Indien sucht ein Hund in Abällen nach Fressbarem. © imago stock&people | imago stock&people
Tiere verheddern sich in Plastikteilen ...
Tiere verheddern sich in Plastikteilen ... © imago/Bluegreen Pictures | imago stock&people
... oder verschlucken sie, weil sie den Kunststoff für Futter halten.
... oder verschlucken sie, weil sie den Kunststoff für Futter halten. © imago/blickwinkel | imago stock&people
Überall auf der Welt sind die Folgen der Kunststoffgesellschaft zu sehen. Selbst Trauminseln wie Hawaii sind längst mit Plastik vermüllt.
Überall auf der Welt sind die Folgen der Kunststoffgesellschaft zu sehen. Selbst Trauminseln wie Hawaii sind längst mit Plastik vermüllt. © imago/All Canada Photos | imago stock&people
Wie diesem Albatross ergeht es Millionen von Tieren, weil in ihren Mägen das unverdaubare Plastik liegen bleibt und sie somit verhungern.
Wie diesem Albatross ergeht es Millionen von Tieren, weil in ihren Mägen das unverdaubare Plastik liegen bleibt und sie somit verhungern. © imago/Nature Picture Library | imago stock&people
Ein Wal aus Plastik und Müll: Diese Installation stammt von der Umweltaktivistengruppe Greenpeace – „gestrandet“ an der Manilabucht in der philippinischen Provinz Cavite.
Ein Wal aus Plastik und Müll: Diese Installation stammt von der Umweltaktivistengruppe Greenpeace – „gestrandet“ an der Manilabucht in der philippinischen Provinz Cavite. © REUTERS | Erik de Castro
Das norwegische Universitätsmuseum in Bergen zeigt in einer Ausstellung große Mengen Plastik aus dem Magen eines Wals. Das sechs Meter lange Tier war im Januar an der norwegischen Westküste bei Sotra gestrandet und musste getötet werden. Im Magen des Tieres waren mehr als 30 Plastiktüten und andere Gegenstände aus Kunststoff. Der Darm hingegen war leer, der Wal war am Verhungern. Das Plastik hatte vermutlich einen Pfropfen im Magen gebildet.
Das norwegische Universitätsmuseum in Bergen zeigt in einer Ausstellung große Mengen Plastik aus dem Magen eines Wals. Das sechs Meter lange Tier war im Januar an der norwegischen Westküste bei Sotra gestrandet und musste getötet werden. Im Magen des Tieres waren mehr als 30 Plastiktüten und andere Gegenstände aus Kunststoff. Der Darm hingegen war leer, der Wal war am Verhungern. Das Plastik hatte vermutlich einen Pfropfen im Magen gebildet. © dpa | Siri Skretting Jansen
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Neue Strategien zur Abfallvermeidung und –wiederverwertung führten jedoch dazu, dass die Mengen langsamer stiegen als erwartet. Um die Anlagen kostendeckend zu betreiben, müssen sie ausgelastet sein – und das über 20 bis 50 Jahre. Müll, der eigentlich recycelt werden könnte, wird daher verbrannt.

Zwar entsteht dabei auch Energie – immerhin vier Prozent des bundesweiten Bedarfs. Dennoch ist es deutlich umweltschädlicher, die für die Herstellung notwendigen Rohstoffe, vor allem Erdöl, Kohle und Erdgas, neu abzubauen, statt die wertvollen Materialien wiederzuverwenden.

Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik zeigen, dass bis zu 70 Prozent mehr CO2 freigesetzt wird, wenn neues Plastik hergestellt wird statt altes zu recyceln.

Schlacke wird häufig im Straßenbau eingesetzt

Zudem verschwindet der Müll nicht, wenn er in den Öfen landet. Rund ein Drittel bleibt als Schlacke und Feinstäube übrig. Während die Schlacke häufig im Straßenbau eingesetzt wird, werden die Feinstäube als hochgiftiger Sondermüll meist in unterirdische Lagerstätten gebracht.

Allein 400.000 Tonnen jährlich. Die weltgrößte Sondermülldeponie unter der Erde liegt in Herfa-Neurode in Osthessen. „Ähnlich dem Atommüll stellt sich die Frage: Ist man die Stoffe damit für immer los?“, so Wilts. „Auch hier haben wir nur Zwischenlager, keine endgültige Lösung.“ Er fordert, dass es teurer werden muss, Müll zu verfeuern.

Eine Verbrennungssteuer etwa könne helfen.Verbesserungen soll das neue Verpackungsgesetz bringen, das am 1. Januar 2019 in Kraft tritt. Es sieht vor, dass hierzulande mehr recycelt wird: 58 Prozent aller Verpackungen müssen dann wiederverwertet werden – statt der bisher vorgeschriebenen 36 Prozent. Ab 2022 sollen es 63 Prozent sein.

Plastikmüll hat sich in zehn Jahren knapp verdoppelt

Aus Wilts Sicht setzt das Gesetz jedoch die falschen Anreize. Zwar sollen Verpackungen, die Recyclingmaterial enthalten oder gut recycelbar sind, ab 2019 weniger kosten. Die Hersteller werden dennoch nicht dazu angehalten, Verpackungen zu sparen. „Besser als Plastik noch mal zu verwenden ist, weniger davon zu verbrauchen“, sagt Wilts.

Luftverpackung: Große Tüte, wenig Inhalt

„Jede Menge Luft nach oben“: Unter diesem Motto deckten die Verbraucherzentrale Hamburg und das Eichamt Fellbach Ende 2016 auf, wie Lebensmittel- und Kosmetikindustrie die Verbraucher täuschen. Bei Kosmetika fielen den Verbraucherschützern vor allem doppelte Böden und dicke Wandungen auf.
„Jede Menge Luft nach oben“: Unter diesem Motto deckten die Verbraucherzentrale Hamburg und das Eichamt Fellbach Ende 2016 auf, wie Lebensmittel- und Kosmetikindustrie die Verbraucher täuschen. Bei Kosmetika fielen den Verbraucherschützern vor allem doppelte Böden und dicke Wandungen auf. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Mit Hilfe von Röntgenbildern zeigen die Verbraucherschützer, das Lebensmittelpackungen durchschnittlich 40 Prozent Luft enthalten. Die Packung „Risotto Porcino di stagione“ von Scotti ist fast zur Hälfte (49 Prozent) mit Luft gefüllt.
Mit Hilfe von Röntgenbildern zeigen die Verbraucherschützer, das Lebensmittelpackungen durchschnittlich 40 Prozent Luft enthalten. Die Packung „Risotto Porcino di stagione“ von Scotti ist fast zur Hälfte (49 Prozent) mit Luft gefüllt. © Verbraucherzentrale Hamburg | Montage: fmg
Zusammen mit dem Risotto landet die Verpackung von „Kellogg’s Frosties“ auf dem Spitzenplatz der geprüften Mogelpackungen.
Zusammen mit dem Risotto landet die Verpackung von „Kellogg’s Frosties“ auf dem Spitzenplatz der geprüften Mogelpackungen. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
49 Prozent Luftanteil stellt das Eichamt bei den Frühstücksflocken fest.
49 Prozent Luftanteil stellt das Eichamt bei den Frühstücksflocken fest. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Nur knapp dahinter landet mit 45 Prozent Luftanteil das „Knusper Früchte-Müsli“ von Netto.
Nur knapp dahinter landet mit 45 Prozent Luftanteil das „Knusper Früchte-Müsli“ von Netto. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Die „Skittles“ fallen doppelt negativ auf.
Die „Skittles“ fallen doppelt negativ auf. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Die Packung enthält nicht nur ziemlich viel Luft, sondern auch unnötig viel Plastik, weil die Bonbons noch einmal zusätzlich in kleinen Tütchen verpackt sind.
Die Packung enthält nicht nur ziemlich viel Luft, sondern auch unnötig viel Plastik, weil die Bonbons noch einmal zusätzlich in kleinen Tütchen verpackt sind. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Der Protein-Drink „Pink Flash“ von Veganz enthält immerhin 29 Prozent Luft.
Der Protein-Drink „Pink Flash“ von Veganz enthält immerhin 29 Prozent Luft. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Die Röntgenaufnahme des Veganz-Protein-Drinks zeigt: Es ist noch Luft nach oben.
Die Röntgenaufnahme des Veganz-Protein-Drinks zeigt: Es ist noch Luft nach oben. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
140 Gramm Salzlakritz sind verhältnismäßig wenig.
140 Gramm Salzlakritz sind verhältnismäßig wenig. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Wie wenig tatsächlich in der Verpackung der „Salz Pastillen“ von Heksehyl enthalten ist, zeigt die Röntgenaufnahme.
Wie wenig tatsächlich in der Verpackung der „Salz Pastillen“ von Heksehyl enthalten ist, zeigt die Röntgenaufnahme. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Auch die Packung Cantuccini „I Morbidi“ von Ghiott könnte besser gefüllt sein.
Auch die Packung Cantuccini „I Morbidi“ von Ghiott könnte besser gefüllt sein. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
39 Prozent Luftanteil stellten die Verbraucherschützer bei der Kontrolle des italienischen Gebäcks fest.
39 Prozent Luftanteil stellten die Verbraucherschützer bei der Kontrolle des italienischen Gebäcks fest. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Auch die Verpackung „Hütten Schmaus“ von Knorr haben das Eichamt Fellbach und die Verbraucherzentrale Hamburg unter die Lupe genommen.
Auch die Verpackung „Hütten Schmaus“ von Knorr haben das Eichamt Fellbach und die Verbraucherzentrale Hamburg unter die Lupe genommen. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
44 Prozent Luftanteil wurde beim „Hütten Schmaus“ bei der Untersuchung festgestellt.
44 Prozent Luftanteil wurde beim „Hütten Schmaus“ bei der Untersuchung festgestellt. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Was bei normalen Mehl-Verpackungen keinerlei Probleme bereitet, scheint beim Falafel-Mehl der Bio-Zentrale nicht möglich.
Was bei normalen Mehl-Verpackungen keinerlei Probleme bereitet, scheint beim Falafel-Mehl der Bio-Zentrale nicht möglich. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Statt die Tüte vollständig zu füllen, gesellt sich zum Falafel-Mehl 42 Prozent Luft.
Statt die Tüte vollständig zu füllen, gesellt sich zum Falafel-Mehl 42 Prozent Luft. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Den Spitzenplatz der Mogelpackungen nimmt bei den Kosmetika die „Augenpflege Nacht“ von Biocura ein.
Den Spitzenplatz der Mogelpackungen nimmt bei den Kosmetika die „Augenpflege Nacht“ von Biocura ein. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
Nach Berechnungen der Verbraucherzentrale Hamburg liegt der Luftanteil bei 68 Prozent.
Nach Berechnungen der Verbraucherzentrale Hamburg liegt der Luftanteil bei 68 Prozent. © Verbraucherzentrale Hamburg | Verbraucherzentrale Hamburg
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Deutschland könne sich ein Beispiel an seinem Nachbarn nehmen. In Frankreich bekommen die Unternehmen acht Prozent der Verpackungsgebühren erlassen, wenn sie nachweisen, dass sie weniger Material einsetzen.

Das spiegelt sich in den dortigen Müllmengen wider: Die Menge an Plastikabfall blieb über die letzten zehn Jahre gleich. In Deutschland habe sie sich hingegen beinahe verdoppelt, so das statistische Amt der Europäischen Union.

Deutschland importierte Alt-Plastik aus dem Ausland

Bisher importierte die Bundesrepublik sogar weiteres Alt-Plastik, um seine bislang nicht ausgelasteten Anlagen zu füllen. Laut Branchenverband ITAD rund 1,15 Millionen Tonnen Müll allein 2015, allen voran aus Großbritannien und den Niederlanden.

Aktuell ist hier jedoch einiges in Bewegung: Die Anlagen sind bis obenhin voll – und das vorrangig mit einheimischen Abfällen. Der Grund: Bis April dieses Jahres wurden trotz der hiesigen Verbrennungsanlagen jährlich etwa 560.000 Tonnen Alt-Plastik nach China verschifft.

Denn die dortigen Abnehmer zahlten häufig fast doppelt so hohe Preise wie deutsche Verwerter. Sie nutzten das gebrauchte Plastik, um daraus wieder Shampooflaschen oder Gartenmöbel herzustellen.

Das war für sie immer noch günstiger, als Erdöl oder neues Rohplastik zu importieren. Mit wachsendem Wohlstand produziert das Land jedoch selbst genügend Müll – und beschloss, die Importe zu stoppen. „Dadurch entsteht in Deutschland plötzlich eine Konkurrenz um die Öfen. Die Verbrennungspreise steigen, Recycling wird wieder lukrativer“, so Wilts.

Wie sich das langfristig auf die Recyclingquote auswirkt, könne aber noch nicht abgeschätzt werden.

Lidl ist in das Recyclinggeschäft einstiegen

Größere Hoffnungen in Bezug auf die Quote setzt Wilts in eine andere Entwicklung, die er „als eine der interessantesten überhaupt“ bezeichnet: Kürzlich ist der Discounter Lidl in das Recyclinggeschäft einstiegen.

Als erstes Handelsunternehmen hat der Lidl-Mutterkonzern – die Schwarz-Gruppe – ein eigenes sogenanntes duales System gegründet. Zu den bekanntesten Vertretern der dualen Systeme zählt der „Grüne Punkt“.

Prangt dessen Logo auf einer Verpackung, wissen Verbraucher, dass Hersteller und Vertreiber des Produkts sich an den Kosten für die Verwertung der Verpackung beteiligen. Nach Branchenschätzung zahlt Lidl dafür bisher zwischen 70 und 80 Millionen Euro im Jahr.

Hier wolle der Discounter vermutlich sparen. Betreibt er nun sein eigenes System, könne das aus Sicht von Experten auch dazu führen, dass mehr Plastik wiederverwendet wird.

Bislang wissen die Stellen, an denen der gesammelte Müll ankommt, nicht, welche Stoffe in jeder Verpackung stecken. Das macht es zusätzlich schwer, sie weiterzuverarbeiten. Kommen Herstellung und Recycling nun aus einer Hand, könne sich das ändern, glaubt Wilts. Es liege in ihrem eigenen Interesse, möglichst wenig zu verschwenden.