Berlin. Kanzler Scholz ruft die Bürger trotz Krisen zur Zuversicht auf – und nimmt Anleihen bei seiner Vorgängerin. Die Reaktion ist heftig.

Ukraine-Krieg, Energiekrise und Klimawandel: Bundeskanzler Olaf Scholz ruft die Bundesbürger angesichts der riesigen Herausforderungen zur Zuversicht auf – und folgt rhetorisch dem berühmten „Wir-schaffen-das“-Motto seiner Vorgängerin Angela Merkel.

In seiner Regierungserklärung im Bundestag sagte Scholz am Donnerstag, in Europa müssten jetzt Frieden, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand verteidigt werden: „Jetzt geht es darum, dass wir gemeinsam aufbrechen und anpacken, damit eine gute neue Zeit möglich wird“. Dann verwies Scholz darauf, dass es in Deutschland im vorigen Jahr trotz Ukrainekrieg und Energiekrise keinen wirtschaftlichen Einbruch gegeben habe und niemand frieren musste.

„Wenn’s drauf ankommt, dann können wir Aufbruch und Umbruch, Tempo und Transformation“, so der Kanzler. „Jetzt kommt es darauf an, dass wir aus dieser Erfahrung Zuversicht mitnehmen. Ja, es ist möglich, wir werden den großen Umbruch hinbekommen.“

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Vor acht Jahren, im August 2015, hatte die damalige Kanzlerin Angela Merkel auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise ganz ähnlich formuliert, allerdings eingängiger als Scholz: „Deutschland ist ein starkes Land“, hatte Merkel gesagt. „Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft - wir schaffen das!“

Scholz kündigt neue Waffenlieferungen an die Ukraine an

Scholz wies darauf hin, dass sich Deutschland in nur acht Monaten von Gas, Öl und Kohle aus Russland unabhängig gemacht und die Versorgung umgestellt habe. Angesichts der zahlreichen internationalen Krisen müssten die deutsche und die europäische Wirtschaft rasch auf eine modernere Grundlage gestellt werden. Mit Blick auf den EU-Gipfel in der kommenden Woche forderte Scholz eine Stärkung des Binnenmarkts und der Wettbewerbsfähigkeit der EU: „Dabei kommt es entscheidend darauf an, klimagerechte Investitionen und Innovationen in Europa noch stärker und gezielter voranzubringen“.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht in seiner Regierungserklärung auch die Hilfe für die Ukraine an.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht in seiner Regierungserklärung auch die Hilfe für die Ukraine an. © dpa | Wolfgang Kumm

Scholz kündigte neue Waffenlieferungen an die Ukraine an. Gemeinsam mit anderen EU-Staaten werde Deutschland dafür sorgen, dass das Land Waffen und Munition erhalte, um in dem Krieg durchzuhalten und sich zu verteidigen. Deutschland sei dabei bereit, seine Beschaffungsvorhaben auch für andere Mitgliedsstaaten zu öffnen.

Merz: Worte und Taten klaffen bei Regierung weit auseinander

In der Debatte um die Flüchtlingsunterbringung verzichtete Scholz auf neue Zusagen, wie Länder und Kommunen sie fordern: Stattdessen betonte er, dass der Bund bereits den „allergrößten Teil“ der Kosten für Unterkunft und Verpflegung von Flüchtlingen trage und damit seiner Verantwortung gerecht werde. Der Kanzler drängte auf eine europäische Antwort auf die Flucht- und Migrationsfrage: Die irreguläre Migration müsse verringert werden, es sollten sich weniger Menschen auf den Weg über die Flüchtlingsrouten machen - dafür brauchten Deutschland und Europa mehr reguläre Migration von Fachkräften.

Wer aus humanitären Gründen nach Deutschland komme und hier Schutz begehre, müsse aber diesen Schutz auch bekommen, betonte Scholz. Wer andererseits kein Aufenthaltsrecht habe, „muss zügig in sein Heimatland zurückkehren. Das funktioniert noch nicht genug.“

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Unions-Fraktionschef Friedrich Merz beklagte, bei der Bundesregierung klafften Worte und Taten weit auseinander. „Zuversicht kann man nicht verordnen und künstlich herbeireden“, sagte Merz in seiner Entgegnung auf die Scholz-Rede. Die Bürger müssten das Gefühl haben, dass die Regierung einen Kompass besitze und durch ihre Taten Grund zur Zuversicht bestehe – das sei aber bei dieser Regierung nicht der Fall. „Bei Ihnen fallen mittlerweile Selbstwahrnehmung und die tatsächliche Lage im Land in fast schon besorgniserregender Weise auseinander“, sagte Merz an die Adresse des Kanzlers.

Scholz verliere den Bezug zur Realität, es gebe zahlreiche Versäumnisse bei der Reaktion auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. „Wenn fast ein Jahr nach dem Beschluss eines Sondervermögens von 100 Milliarden Euro noch kein Euro und kein Cent bei der Bundeswehr angekommen sind, dann ist das ein Skandal“, sagte der Oppositionsführer.