Stockholm. Die Türkei blockiert Schwedens Aufnahme in die Nato. Außenministerin Baerbock versucht, die Haltung zu lockern. Es gibt eine Chance.

Erdogans langer Arm reicht bis nach Stockholm. Der türkische Präsident hatte kürzlich signalisiert, dass er sich einen Nato-Beitritt Finnlands, aber nicht Schwedens vorstellen könne. Beide Länder hatten sich unter den Schockwellen des Ukraine-Krieges um die Mitgliedschaft im Nato-Verteidigungsbündnis beworben.

Schwedens Außenminister Tobias Billström steht am Dienstag im schlichten Presseraum seines Ministeriums und gibt sich nüchtern und gelassen: „Wir haben gemeinsam den Antrag gestellt. Aber die Ratifizierung ist ein nationaler Prozess. Das gilt auch für das türkische Parlament.“

Es ist eine Reverenz gegenüber Erdogan, der nun alle Karten in der Hand hat. Oder ist es ein taktisches Manöver, damit sich der Türke mächtig fühlen kann? Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte wenige Stunden zuvor überraschend signalisiert hatte, dass er offen für einen getrennten Beitritt der skandinavischen Länder sei. Eine Abkehr von der bisherigen Linie: beide gemeinsam.

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Nato: Militärexperten halten eine Aufnahme von Schweden für wichtig

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) steht neben Billström und hält die Fahne der Nato-Solidarität hoch. „Alle Mitgliedsstaaten der Nato sollen den Beitritt umsetzen und keine Verzögerung in den Raum stellen“, sagt sie. Ein Appell an Erdogan, aber nur ein sanfter.

Militärexperten sagen, eine Aufnahme Schwedens in die Nato sei wichtig, da nur dann die Allianz Finnland im Fall eines russischen Angriffs wirksam verteidigen könne. Finnland hat eine 1340 Kilometer lange Grenze zu Russland. Auch bei einer möglichen russischen Attacke auf die baltischen Staaten komme Schweden eine Schlüsselrolle zu.

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Schweden so etwas wie der Staatsfeind Nummer eins für Erdogan

Schweden ist derzeit so etwas wie der Staatsfeind Nummer eins für Erdogan. Der Türke verlangt von Stockholm die Auslieferung von etwa 120 „Terroristen“. Auf der Liste stehen zahlreiche türkische Regierungskritiker und Bürgerrechtler, die in den vergangenen Jahren in Schweden Zuflucht vor politischer Verfolgung suchten. Schweden hat dies bislang abgelehnt.

Stockholm versuchte zumindest mit Gesten, Erdogan zu besänftigen. So beteiligte sich das Land mit Millionen Euro, Rettungsmannschaften und Medikamenten an der internationalen Erdbebenhilfe für die Türkei. Billström brachte am Dienstag sogar eine Geberkonferenz ins Spiel.

Doch die Chancen, dass sich Ankara durch eine derartige SOS-Diplomatie doch noch zu einem Nato-Beitritt Schwedens hinreißen lässt, werden als gering erachtet. „Es wäre naiv, das zu glauben, dass dies Eindruck auf Erdogan macht“, heißt es in deutschen Delegationskreisen.

F-16-Kampfjets zum Umstimmen von Erdogan?

Sollte Erdogan am 14. Mai wiedergewählt werden, bleibt den Schweden noch der Hoffnungsschimmer Amerika. In westlichen Hauptstädten kursiert ein Szenario, wie ein Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands doch noch klappen könnte.

Die USA machen demnach noch vor den Türkei-Wahlen eine Zusage über die Lieferung der von Ankara heißersehnten F16-Kampfjets. Erdogan würde sich das im Wahlkampf auf die Fahnen schreiben und möglicherweise davon profitieren.

Die Gegenleistung: Noch vor dem Nato-Gipfel im Juli in Litauen erteilt der Türke grünes Licht für den Beitritt von Schweden und Finnland. Waffen und Macht: Dieser Köder könnte für einen Autokraten wie Erdogan durchaus verlockend sein.

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