Berlin. . Ein Bericht legt nahe, die USA seien für die Explosionen an der Nord Stream 2-Pipeline verantwortlich. Washington reagiert entschieden.

„Wenn Russland in die Ukraine einmarschiert, wird es kein Nord Stream 2 mehr geben. Wir werden dem ein Ende bereiten. Ich verspreche Ihnen, dass wir in der Lage sein werden, das zu tun.“ Der Satz, den Joe Biden am 7. Februar 2022 im Beisein des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz im Weißen Haus sprach, hallt zwölf Monate später schrill nach.

Der durch die Aufdeckung des Massakers von My Lai im Vietnam-Krieg und die US-Folter-Praxis im irakischen Gefängnis Abu Ghraib zur Reporter-Legende gewordene US-Journalist und Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh schreibt in einem Enthüllungsbericht, dass Präsident Biden die Sprengung der Gas-Pipelines nahe der dänischen Insel Bornholm persönlich angeordnet habe.

Nach seiner Darstellung sollen Spezial-Taucher der US-Marine im Juni vergangenen Jahres die Nato-Übung „Baltops” in der Ostsee genutzt haben, um C-4-Sprengstoff an den Pipelines zu platzieren. Sie seien am 26. September mittels einer aus einem Militärflugzeug abgeworfenen Solar-Boje ferngezündet worden.

USA sollen Explosionen an Nord Stream 2 verursacht haben – aus bestimmten Grund

Laut Hersh hat der Auslandsgeheimdienst CIA mit Hilfe norwegischer Sicherheitsbehörden die verdeckte Operation akribisch geplant und durchgeführt, die intern lange Zeit kontrovers diskutiert worden sei. Die Vorbereitungen für den Anschlag seien schon Ende 2021 begonnen worden, in einer von Jake Sullivan, dem Nationalen Sicherheitsberater Bidens, geleiteten Arbeitsgruppe.

Motiv: Die USA hätten mit der Zerstörung der Leitungen nach Deutschland verhindern wollen, dass Moskau zusätzliche Milliarden-Einnahmen durch den Export von Erdgas bekommt.

Das Weiße Haus und die CIA dementierten den von Hersh auf dem Blog-Portal „substack” veröffentlichten Bericht als „völlig falsch und eine vollkommene Erfindung”. Auch die Regierung in Oslo wies Hershs Darstellung zurück.

Enthüllungsbericht: Bundesregierung bezieht bisher nicht Stellung

Die Bundesregierung in Berlin hat bisher keine Stellungnahme abgegeben. Die Generalbundesanwaltschaft erklärte auf Anfrage, man kenne den Hersh-Bericht, kommentiere aber Medienberichte grundsätzlich nicht. „Die Ermittlungen dauern an.” Parallel zur deutschen Justiz sind auch Ermittler aus Schweden und Dänemark an dem Fall.

Hersh beruft sich auf eine einzige, anonyme Quelle "mit direkten Kenntnissen über die operative Planung". Bei ähnlicher Vorgehensweise unterliefen dem in Washington lebenden Journalisten, der lange für die New York Times und das Magazin New Yorker geschrieben hat, zuletzt Fehler. Sie brachten ihm den Vorwurf ein, unseriös zu sein und Verschwörungstheorien auf den Leim zu gehen. Auf telefonische Anfrage dieser Redaktion lehnte Seymour Hersh am Mittwochabend ein Interview ab. "Ich habe drei Monate an der Geschichte gearbeitet. Journalisten können sie glauben oder nicht."

Dagegen fordert die Regierung in Moskau eine internationale Untersuchung. Kreml-Sprecher Peskow erklärte, die Recherche Hershs verdiene Aufmerksamkeit. Russland hatte bereits kurz nach der Pipeline-Explosion die USA verantwortlich gemacht.

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Im Bundestag hat die AfD den bisher von keiner großen US-Zeitung aufgegriffenen Hersh-Bericht zum Anlass genommen, einen Untersuchungsausschuss zu fordern. Zu klären sei, ob „die Führungsmacht der Nato in europäischen Gewässern einen Anschlag auf lebenswichtige kritische Infrastruktur unseres Landes verübt” hat, sagte der Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, müssten sämtliche US-Truppen Deutschland verlassen.

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Bei den Linken machten sich die Politikerinnen Sarah Wagenknecht und Sevim Dagdelen, Obfrau der Fraktion im Auswärtigen Ausschuss, den umstrittenen Wahrheitsgehalt der Enthüllung von Seymour Hersh zu eigen. „Während die Bundesregierung die transatlantische Freundschaft beschwört und USA kritiklos folgt, sorgt die US-Regierung für die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines, wie Pulitzer-Preisträger Hersh minutiös recherchiert hat”, schrieb Wagenknecht auf Twitter. Wessen Interessen vertritt die Bundesregierung eigentlich? Dagdelen stellte ebenfalls auf Twitter diese Frage: „Wann klärt die Ampel diese Terroranschläge endlich auf?”

Anfragen von Linken und AfD im Bundestag zur Urheberschaft der Pipeline-Explosion hatte die Regierung zuvor mit dem Hinweis abschlägig beschieden, dass dazu aus Gründen des „Staatswohls" öffentlich nichts gesagt werden könne.

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