Paris. . Das letzte Telefonat zwischen Macron und Putin vor dem Ukraine-Krieg wurde veröffentlicht. Wie das Gespräch Putins Absichten entlarvt.

Mit Kremlfürst Wladimir Putin zu sprechen, zumal am Telefon, ist offenbar auch dann alles andere als ein Vergnügen, wenn man sich wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stets bemüht hat, ein halbwegs vernünftiges Verhältnis mit dem russischen Staatsoberhaupt aufrechtzuerhalten.

Am 20. Februar jedenfalls, vier Tage vor dem russischen Überfall auf die Ukraine, platzt dem Franzosen der Kragen. „Ich schere mich einen Dreck um die Forderungen der ukrainischen Separatisten“, schimpft Macron und fügt hinzu: „Ich weiß nicht, wo dein juristischer Berater Jura studiert hat, aber seit wann werden Gesetzestexte in einem souveränen Land von Separatisten ausgearbeitet und nicht von seiner demokratisch gewählten Regierung?“

Putin bleibt seinem Gegenüber in diesem an einem Sonntagnachmittag geführten Telefonat nichts schuldig. Hatte er sich zuvor darüber beschwert, dass „unser lieber Kollege Selenskyj“ „dich anlügt“ und nichts tue, um das Minsker Abkommen umzusetzen oder den Vorschlägen der ukrainischen Separatisten Rechnung zu tragen, antwortet er nun: „In Kiew sitzt keine demokratische Regierung. Die sind durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen. Es gab Leute, die bei lebendigem Leib verbrannt wurden, ein Blutbad und Selenskyj ist einer der Verantwortlichen.“

Ukraine-Krieg: Telefonat zwischen Macron und Putin veröffentlicht

Dass der Inhalt dieses Gesprächs nun öffentlich wurde, ist dem französischen Journalisten Guy Lagache zu verdanken. Macron hatte ihm im Rahmen der Arbeiten an einem Dokumentarfilm über die französische Ratspräsidentschaft erlaubt, bei dem Telefonat eine Kamera mitlaufen zu lassen. Der um einige Passagen gekürzte Mitschnitt wurde nun vom Elysée-Palast freigegeben und wird am 30. Juni von dem Sender France 2 als Teil einer am Ende in erster Linie dem Ukraine-Krieg gewidmeten Dokumentation ausgestrahlt. Das Gesprächsprotokoll wiederum ließ der TV-Sender zu Beginn der Woche französischen Medien vorab zukommen.

Gleich am Anfang spricht Macron die wachsenden Spannungen an der russisch-ukrainischen Grenze an und bittet Putin um eine Lagebewertung. „Du siehst doch selbst, was passiert“, entgegnet der Kremlfürst: „Du und Kanzler Scholz habt mir gesagt, Präsident Selenskyj sei bereit zu einer Geste guten Willens. Stattdessen erklärte er gestern, die Ukraine müsse Atombomben bekommen.“ „Was für ein Unsinn“, entfährt es daraufhin im Hintergrund Macrons diplomatischem Chefberater Emmanuel Bonne, der sich gemeinsam mit zwei weiteren Mitarbeitern ebenfalls im Büro des Präsidenten aufhält.

„Wenn du behauptest, du hättest es mit einer nicht legitimen und terroristischen Regierung zu tun, lässt das an deinem Willen zweifeln, das Minsker Abkommen zu respektieren“, moniert Macron. Putin geht darauf nicht ein, sondern beschwert sich darüber, dass in diesem Zusammenhang von Anfang an kein Druck auf die Ukrainer ausgeübt worden sei. Macron: „Aber doch, ich lasse da nichts unversucht, das weißt du doch.“ “Leider ohne Resultat“, antwortet Putin trocken.

Putin: Gesprächsprotokoll entlarvt Kremlchef

Das Gesprächsprotokoll vermittelt nicht nur den Eindruck, dass Putin zu keinem Moment an einer friedlichen Lösung interessiert war, sondern sich auch nicht scheut, Halbwahrheiten oder gar Lügen ins Feld zu führen. „Wenn wir dem Dialog eine Chance geben wollen, dann müssen wir das Spiel beruhigen“, beschwört ihn Macron und fragt, wie der Kremfürst die Militärmanöver beurteilt. „Sie laufen nach Plan“, entgegnet Putin kurz angebunden. „Das bedeutet, dass sie heute Abend beendet werden?“ hakt Macron nach. „Ja, wahrscheinlich heute Abend“, weicht der Russe aus.

Auch auf den Vorschlag Macrons für ein baldiges Treffen zwischen Putin und US-Präsident Joe Biden in Genf reagiert Putin ausweichend. Er sei im Prinzip einverstanden, wolle sich aber noch nicht auf ein Datum festlegen. Als ihn der Franzose bedrängt mit den Hinweisen, dass Biden sein Einverständnis gegeben habe und wie wichtig ein solches Treffen wäre, wird Putin ungeduldig: „Du, ich möchte jetzt Eishockey spielen, ich telefoniere mit dir aus meiner Sporthalle. Lass mich erst einmal mit meinen Beratern sprechen.“

Macron hat später seinen Eindruck durchsickern lassen, dass er bei diesem Telefonat von dem zum Angriff auf die Ukraine längst entschlossenen Putin schamlos hinters Licht geführt wurde. Dennoch tut er bis heute alles, um den direkten Kontakt zu dem Russen nicht abreißen zu lassen. Seit Mitte Dezember und bis heute gab es neben ihrem Treffen in Moskau am 7. Februar laut dem Elysée-Palast 21 Telefonate zwischen den beiden Staatschefs. Vertrauliche Gespräche wohlgemerkt, deren Details Macron bis vor wenigen Tagen nie hatte bekannt geben wollen.

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