Berlin. Der Bundestag hat beschlossen, den Solidaritätszuschlag für rund 90 Prozent aller Zahler abzuschaffen. Kritik kommt aus der Wirtschaft.

Der Solidaritätszuschlag, auch Soli genannt, wird für 90 Prozent der Zahler ab 2021 abgeschafft. Das hat der Bundestag am Donnerstag beschlossen. Alle anderen zahlen ab 2021 keinen Soli mehr – das steht jetzt fest. Nur die Reichsten sollen weiter zur Kasse gebeten werden.

Was das für den Einzelnen bedeutet, ist noch fraglich und pauschal nicht zu beantworten. So zahlen beispielsweise nicht alle Rentner den Solidaritätszuschlag, sondern nur die, die auch Steuern zahlen. Dementsprechend fällt er auch nur für die Rentner, die Einkommenssteuer abführen, weg. Lesen Sie auch: Soli, Rente und Mindestlohn: Das ändert sich 2021

Aus der Wirtschaft kommt massive Kritik an der vom Bundestag beschlossenen Abschaffung – verbunden mit Ankündigungen einer Verfassungsbeschwerde. Der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven, sagte am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur: „Die Mehrzahl der Abgeordneten des Deutschen Bundestags hat heute mit dem Soli-Beschluss sehenden Auges gegen unsere Verfassung verstoßen.“

Soli wird abgeschafft – Das Wichtigste in Kürze:

  • Der Bundestag hat die Abschaffung des Solidaritätszuschlags beschlossen
  • Er wird für 90 Prozent der bisherigen Zahler abgeschafft
  • Allerdings nicht sofort: Erst ab 2021 greift die neue Regelung
  • Kritik kommt aus der Wirtschaft
  • Eine Verfassungsbeschwerde wurde bereits angekündigt
  • Der Soli-Rechner berechnet die Entlastung für Bürger

Ist Soli-Abschaffung verfassungswidrig?

Vor allem Unternehmer, Selbstständige, aber auch gut verdienende Facharbeiter würden weiter belastet.„Der Soli ist somit eine Strafsteuer für die Mitte der Gesellschaft“, so Ohoven. „Dagegen muss und wird sich der Mittelstand wehren. Wir haben eine Verfassungsbeschwerde ausgearbeitet. Sobald das verfassungswidrige Gesetz in Kraft getreten ist, werden wir sie beim Bundesverfassungsgericht einreichen.

Laut Finanzministerium wird eine Familie mit zwei Kindern in etwa bis zu einem Jahresbruttolohn von 151.000 Euro voll entlastet, Singles bis zu einem Jahresbruttolohn von rund 73.000 Euro. Besonders Steuerzahler mit mittleren Einkommen profitieren.

Soli-Rechner berechnet Entlastung

Ab welchem Einkommen künftig noch Soli fällig wird, kann man nur ungefähr sagen, da es bei der Einkommensteuer unterschiedliche Freibeträge etwa für Kinder oder verheiratete Paare gibt.

Keine vollständige Soli-Abschaffung

Mit der Abschaffung endet möglicherweise ein ewiges Streitthema. Viele Menschen kritisierten die Soli-Zahlungen zuletzt. Es sei genug Geld in den Osten geflossen, auch viele Kommunen in den alten Bundesländern hätten Unterstützung bitter nötig, war immer wieder zu hören.

Während Grüne und Linke gegen die Abschaffung votierten, plädierten AfD und FDP für einen sofortigen Wegfall. Bundesfinanzminister Olaf Scholz erteilte solchen Forderungen eine Absage. Es gebe mit Blick auf die noch zu schulternden Aufgaben bei der deutschen Einheit „gute Gründe“, die Abgabe nicht vollständig abzuschaffen, sagte der SPD-Politiker.

Eine vollständige Abschaffung auch für die einkommensstärksten zehn Prozent der Bevölkerung würde laut Finanzministerium zusätzlich fast 11 Milliarden Euro kosten.

Scholz verteidigte, dass die Spitzenverdiener weiter zahlen müssen. Eine Entlastung hoher Einkommen wäre nicht gerecht, sagte er. Steuerzahler mit hohen und sehr hohen Einkommen müssten dazu beitragen, dass öffentliche Aufgaben finanziert werden könnten.

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Verfassungsbeschwerde angedroht

Nach einer Rechnung des Finanzministeriums wird der Staat durch diese Entlastung der Bürger alleine im ersten Jahr 10,9 Milliarden Euro weniger einnehmen. Je nach Einkommen sparen Steuerzahler zwischen wenigen Hundert und mehr als Tausend Euro.

Der Soli beträgt 5,5 Prozent der Körperschaft- oder Einkommensteuer und brachte dem Staat im vergangenen Jahr insgesamt 18,9 Milliarden Euro ein. Arbeitnehmer zahlen ihn genauso wie selbstständige Handwerker und Unternehmen. Das Geld ist, wie alle Steuereinnahmen, nicht zweckgebunden und fließt in den Bundeshaushalt ein. Es wird also nicht direkt etwa in neue Straßen oder Schwimmbäder in den ostdeutschen Bundesländern gesteckt.

Solidaritätszuschlag: Für wen er wegfällt

Für 90 Prozent der heutigen Zahler soll der Soli komplett entfallen, für weitere 6,5 Prozent zumindest zum Teil. Nur die Top-Verdiener, 3,5 Prozent der heutigen Zahler, bekommen ihn weiter in voller Höhe abgezogen. Ab welchem Einkommen künftig noch Soli fällig wird, hängt nicht nur vom Einkommen, sondern auch von den Lebensumständen ab.

Der Zuschlag hängt vor allem von der Höhe der Einkommensteuer ab, für die es unterschiedliche Freibeträge etwa für Kinder, Alleinerziehende oder verheiratete Paare gibt. Das Finanzministerium hat einige Beispiele berechnet. Hier die Details.

1. Singles

Ledige sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer zahlen ab 2021 keinen Soli mehr, wenn sie im Jahr nicht mehr als etwa 73.000 Euro brutto verdienen. Bis zu einem Einkommen von 109.000 Euro fällt nur noch ein Teil ab, wer mehr verdient, zahlt wie bisher.

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    2. Familien ohne Kinder

    Hier kommt es darauf an, ob beide Partner verdienen oder nur einer.

    • Ein zusammen veranlagtes kinderloses Ehepaar, bei dem nur ein Partner verdient, wird bis zu einem Bruttolohn von etwa 136.000 Euro voll entlastet und bis rund 206.000 Euro teilweise.
    • Wenn beide gleich viel verdienen, muss bis zu einem gemeinsamen Bruttolohn von rund 148.000 Euro kein Soli gezahlt werden. Ab etwa 219.000 Euro Jahresbruttolohn fällt der volle Zuschlag an.

    3. Familien mit Kindern

    Auch hier kommt es darauf an, ob beide Elternteile verdienen oder nicht. Bei einer Familie mit Alleinverdiener und zwei Kindern liegt die untere Grenze bei einem Bruttojahreslohn von circa 152.000 Euro, bis 221.000 Euro fällt nur ein Teil-Soli an. Wenn beide Eltern gleich viel verdienen, zahlen sie bis zu einem gemeinsamen Bruttojahreslohn von rund 164.000 Euro keinen Soli mehr, ab 234.000 Euro fiele er dann wieder voll an.

    Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister, im Bundestag.
    Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister, im Bundestag. © dpa | Michael Kappeler

    4. Selbstständige Unternehmen

    Nach Rechnung des Ministeriums sind 88 Prozent der zur Einkommensteuer veranlagten Gewerbetreibenden vom Soli befreit. Das sind etwa 370.000 Personen, zum Beispiel selbstständige Handwerker. Weitere 27.000 müssen zumindest nicht mehr die volle Summe zahlen und profitieren so enorm von den Steuerplänen der Regierung.

    5. Unternehmen

    Wer eine GmbH betreibt und dafür Körperschaftssteuer zahlt, ist von der Reform ausgenommen – das kritisiert etwa der Steuerzahlerbund.

    Deutschlands drängendste Probleme

    Was sind die drängendsten Aufgaben der neuen Bundesregierung? Nach einer Umfrage von Kantar Emnid im Auftrag unserer Redaktion auf Platz 1: Sicherung der Rente. 95 Prozent der Befragten finden, dass die neue Bundesregierung die Rentenentwicklung rasch thematisieren sollte. Nur 4 Prozent halten das für unwichtig oder völlig unwichtig.
    Was sind die drängendsten Aufgaben der neuen Bundesregierung? Nach einer Umfrage von Kantar Emnid im Auftrag unserer Redaktion auf Platz 1: Sicherung der Rente. 95 Prozent der Befragten finden, dass die neue Bundesregierung die Rentenentwicklung rasch thematisieren sollte. Nur 4 Prozent halten das für unwichtig oder völlig unwichtig. © dpa | Julian Stratenschulte
    Platz 2: Auch die Einbruchskriminalität beschäftigt die Deutschen. 91 Prozent wünschen sich, die große Koalition möge sie eindämmen. Für 7 Prozent ist das Problem irrelevant.
    Platz 2: Auch die Einbruchskriminalität beschäftigt die Deutschen. 91 Prozent wünschen sich, die große Koalition möge sie eindämmen. Für 7 Prozent ist das Problem irrelevant. © dpa | Frank Rumpenhorst
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    Platz 3: Seit drei Jahren gibt es die Mietpreisbremse, doch eine Mehrheit der Deutschen hält sie offenbar nicht für wirksam. 85 Prozent gaben in der Umfrage an, es sei sehr wichtig oder wichtig, die Mietpreisentwicklung zu bremsen. 12 Prozent sehen das nicht so. © dpa | Frank Molter
    Platz 4: Vor allem in den sozialen Medien wimmelt es von Hasskommentaren. Diese zu bekämpfen halten 84 Prozent der Deutschen für sehr wichtig oder wichtig, 12 Prozent hingegen für unwichtig oder völlig unwichtig.
    Platz 4: Vor allem in den sozialen Medien wimmelt es von Hasskommentaren. Diese zu bekämpfen halten 84 Prozent der Deutschen für sehr wichtig oder wichtig, 12 Prozent hingegen für unwichtig oder völlig unwichtig. © imago/photothek | Thomas Trutschel/photothek.net
    Platz 5: 78 Prozent der Bürger sehen die Entlastung von Steuern und Abgaben als eine wichtige oder sehr wichtige Aufgabe der neuen Regierung. Für 18 Prozent ist das unwichtig bis völlig unwichtig.
    Platz 5: 78 Prozent der Bürger sehen die Entlastung von Steuern und Abgaben als eine wichtige oder sehr wichtige Aufgabe der neuen Regierung. Für 18 Prozent ist das unwichtig bis völlig unwichtig. © dpa-tmn | Robert Günther
    Platz 6: Im Mittelfeld der drängendsten Probleme landet der Ausstieg aus der Kohlenergie. 69 Prozent der Befragten gaben an, dass sie ihn für wichtig bis sehr wichtig halten, 27 Prozent halten das Problem für (völlig) unwichtig.
    Platz 6: Im Mittelfeld der drängendsten Probleme landet der Ausstieg aus der Kohlenergie. 69 Prozent der Befragten gaben an, dass sie ihn für wichtig bis sehr wichtig halten, 27 Prozent halten das Problem für (völlig) unwichtig. © dpa | Julian Stratenschulte
    Platz 7: 67 Prozent der Deutschen möchten, dass die Regierung die Bundeswehr schnell besser ausstattet. Für 28 Prozent ist das kein drängendes Thema.
    Platz 7: 67 Prozent der Deutschen möchten, dass die Regierung die Bundeswehr schnell besser ausstattet. Für 28 Prozent ist das kein drängendes Thema. © REUTERS | POOL
    Platz 8: Die Begrenzung der Zuwanderung hat für 66 Prozent der Bundesbürger Priorität, 32 Prozent sehen sie als weniger drängendes Problem.
    Platz 8: Die Begrenzung der Zuwanderung hat für 66 Prozent der Bundesbürger Priorität, 32 Prozent sehen sie als weniger drängendes Problem. © dpa | Carsten Rehder
    Platz 9: 56 Prozent der Befragten finden, dass die große Koalition Diesel-Fahrverbote dringend abwenden sollte. Für 39 Prozent ist das überhaupt nicht relevant.
    Platz 9: 56 Prozent der Befragten finden, dass die große Koalition Diesel-Fahrverbote dringend abwenden sollte. Für 39 Prozent ist das überhaupt nicht relevant. © imago/Arnulf Hettrich | imago stock&people
    Platz 10: 52 Prozent der Deutschen ist es wichtig bis sehr wichtig, dass die Hartz-IV-Sätze erhöht werden, 40 Prozent gaben an, eine Erhöhung sei (völlig) unwichtig.
    Platz 10: 52 Prozent der Deutschen ist es wichtig bis sehr wichtig, dass die Hartz-IV-Sätze erhöht werden, 40 Prozent gaben an, eine Erhöhung sei (völlig) unwichtig. © dpa | Oliver Berg
    Platz 11: Die Rundfunkgebühren sollen weg – das halten 50 Prozent der Deutschen für wichtig bis sehr wichtig. 46 Prozent sind entgegengesetzter Meinung.
    Platz 11: Die Rundfunkgebühren sollen weg – das halten 50 Prozent der Deutschen für wichtig bis sehr wichtig. 46 Prozent sind entgegengesetzter Meinung. © dpa | Arno Burgi
    Platz 12: Höhere Investitionen in Europa steht bei den Deutschen an letzter Stelle der drängendsten Probleme. 42 Prozent halten das für wichtig bis sehr wichtig, 52 Prozent hingegen für unwichtig bis völlig unwichtig.
    Platz 12: Höhere Investitionen in Europa steht bei den Deutschen an letzter Stelle der drängendsten Probleme. 42 Prozent halten das für wichtig bis sehr wichtig, 52 Prozent hingegen für unwichtig bis völlig unwichtig. © imago/Manngold | imago stock&people
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    6. Sparer

    Auch wer gut verzinste Sparguthaben hat, muss auf Kapitaleinkünfte unter Umständen weiter Soli zahlen – nämlich dann, wenn er mehr als 801 Euro Zinsen im Jahr einstreicht. Das betrifft vor allem alte Verträge – denn heutzutage sind die Zinsen deutlich niedriger.

    7. Rentner

    Steigende Renten- So viel Geld gibt es 2020 aufs Konto

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      Nur wer als Rentner auch Einkommenssteuer zahlt, kann sich nun auch über die Entlastung ab 2021 freuen. Alle anderen Rentner zahlen die Abgabe sowieso nicht. Lesen Sie hier: So viel Geld haben Rentner ab 2020 mehr im Geldbeutel.

      Wie viel kann man sparen und was sind die Bedenken?

      Eine Familie, die überhaupt keinen Soli mehr zahlen muss, kann nach Berechnungen des Münchner ifo-Instituts je nach Einkommen und Lebenssituation mehr als 1500 Euro im Jahr sparen.

      • Auch wer noch einen Teil-Soli zahlen muss, kann mehrere Hundert Euro sparen.
      • Wer sehr wenig verdient, profitiert allerdings kaum - weil er nach Angaben des Finanzministeriums schon heute keinen oder nur wenig Soli zahlt.

      Soli-Abschaffung - Kritik aus der Opposition

      Für die Komplett-Abschaffung des Soli hatte sich auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier stark gemacht. Dabei äußern sie auch verfassungsrechtliche Bedenken: Da der Solidarpakt zur Unterstützung der ostdeutschen Bundesländer Ende 2019 auslaufe, dürfe danach auch kein Soli mehr verlangt werden.

      Wenn er nicht reagiere, müsse sich Finanzminister Olaf Scholz (SPD) darauf vorbereiten, den Steuerzahlern in wenigen Jahren 50 Milliarden Euro zurückzuzahlen. Einzelne Verbände haben schon Klagen angekündigt. Die Bundesregierung weist die Bedenken ab: Die finanziellen Lasten der Wiedervereinigung seien noch längst nicht gestemmt. Würde der Soli sofort komplett abgeschafft, würden dem Bund im kommenden Jahr Einnahmen von rund 11 Milliarden Euro fehlen.

      (bekö/jzi/dpa)