Verfassungsschutz bereitet die Beobachtung der AfD vor
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Von Tobias Kisling, Theresa Martus, Miguel Sanches, Christian Unger
Berlin. Der Parteitag wird überschattet von neuen Vorwürfen in der Spendenaffäre. Eine Überwachung durch den Inlandsgeheimdienst rückt näher.
Eigentlich waren sie nach Magdeburg gekommen, um den Europa-Wahlkampf im nächsten Jahr vorzubereiten. Doch am Freitagmorgen musste der AfD-Bundesvorstand erst einmal Position beziehen zu den Großspenden aus dem Ausland, die die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel in den vergangenen Tagen in Bedrängnis gebracht haben.
Der Sachverhalt werde „sehr intensiv“ aufgeklärt, teilte der Parteivorstand am Vormittag mit. Und trotz der noch laufenden Aufklärung sah er sich in der Lage, zu sagen, dass man „keinerlei Verschulden“ bei Weidel sehe.
Weitere Spenden bekannt von niederländischer Stiftung bekannt geworden
Währenddessen zog die Spendenaffäre weitere Kreise: Denn wie am Freitag öffentlich wurde, hatte auch der AfD-Landesverband Nordrhein-Westfalens Geld von jener niederländischen Stiftung erhalten, die dem Bodensee-Verband 150.000 Euro geschickt hatte.
Die 49.000 Euro, die nach NRW gingen, seien aber innerhalb weniger Tage zurücküberwiesen worden, berichteten der „Spiegel“ und das ARD-Magazin „Report Mainz“.
„In großen Schritten Richtung Beobachtung“
Spenden aus zwielichtigen Quellen sind nicht das einzige Problem, das die Partei im Moment hat: Sie gerät auf Druck der Bundesländer mehr und mehr ins Visier der Verfassungsschützer. Erst einen Tag im Amt, deutete der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, schon an, worin er sich von seinem Vorgänger Hans-Georg Maaßen unterscheiden will. Die Partei versucht unter anderem, unangenehme Mitglieder loszuwerden.
Zur Beobachtung befragt, beteuerte Haldenwang im Bundestag, er wolle dem Rechtsextremismus „mehr Aufmerksamkeit geben“. Bis zum Jahreswechsel will er entscheiden, ob die AfD beobachtet wird. Der Druck aus der Politik und aus den Ländern nimmt zu, auch, wenn keine Einigkeit herrscht. „Im Moment bewegt sich die AfD mit großen Schritten in Richtung Beobachtung“, meint Torsten Voß, Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes.
Drei Länder „beobachten“ längst die Jugendorganisation
In Teilen haben die Länder schon längst Fakten geschaffen: Sie beobachten wie in Bayern seit Langem vereinzelt Funktionäre der AfD. Der Thüringische Verfassungsschutz rief die Partei zu einem „Prüffall“ aus. Nach Bremen und Niedersachsen ging im November der baden-württembergische Verfassungsschutz dazu über, die Jugendorganisation Junge Alternative (JA) zu beobachten.
Das sind die AfD-Politiker im Bundestag
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Amtschefin Beate Bube zog eilig eine Zusage für einen für den 5. Dezember geplanten Vortrag zum Thema „Islamistischer Extremismus und Terrorismus“ vor einem AfD-Kreisverband zurück. Wie die Behörde erklärte, liegen bei der JA „tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ vor.
Diese würden sich aus den programmatischen Schriften der JA, aber auch aus den Äußerungen und Positionen von Funktionären sowie Gliederungen ergeben. Zudem bestünden Bezüge der JA zu Rechtsextremisten, die auf gemeinsame verfassungsfeindliche Ziele hindeuten.
„Patriotische Plattform“ wird beobachtet
Ende September hatte der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz eine Beobachtung der „Patriotischen Plattform“ gefordert, der vermutlich radikalsten Untergruppe der Rechtspopulisten. Seit Anfang Oktober liegt dem Bundesamt eine Materialsammlung der Länder zur AfD vor. Man sei „versorgt“, kommentierte Haldenwang.
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Bis Jahresende wolle sein Amt „eine valide, gründliche Auswertung“ vorlegen. Sollte auch nur die JA bundesweit zum Prüffall werden, weist Voß darauf hin, „dass viele JA-Funktionäre gleichzeitig in wichtigen Funktionen der AfD tätig sind“. Insofern strahle es „auch auf die Gesamtpartei aus“, sagte er unserer Redaktion. Man werde sich „intensiv anschauen, welche ideologische Nähe die AfD zum Rechtsextremismus hat“.
In Berlin beteuerte Innenminister Horst Seehofer (CSU) bei Haldenwangs Amtseinführung, über die AfD-Frage werde „nicht politisch oder parteipolitisch entschieden“. Er lege großen Wert auf eine „neutrale Wahrnehmung“ der Aufgaben des Amtes; und dass es „weder auf dem rechten noch auf dem linken Auge blind“ sei.
Beobachtung galt für AfD lange als absurd
Nach außen hin hatte die AfD die Möglichkeit einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz lange in den Bereich des Absurden gerückt. Doch die Sorge ist groß, dass sich die bürgerlich-konservativen Wähler, die einmal die Stammklientel der Partei waren, vollständig von der AfD abwenden könnten, sollte sie zum offiziellen Beobachtungsobjekt werden. Auch Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes, von denen sich viele in der Partei finden, stünden im Fall einer Beobachtung wohl vor einem Problem.
Auf Betreiben einer vom Bundesvorstand eingesetzten Arbeitsgruppe greift die Partei deswegen jetzt härter durch, treibt Ausschlussverfahren voran, will Handreichungen entwickeln, wie Parteimitglieder Äußerungen vermeiden können, die den Verfassungsschutz auf den Plan rufen. Ob all das reicht, um einer Beobachtung zu entgehen, ist offen. Denn zur DNA der Partei gehört es, dass sich Mitglieder und Funktionäre nur ungern erklären lassen, wo die Grenzen des Sagbaren verlaufen. Zumal es innerhalb der AfD auch Kritik gibt daran, dass man am rechten Rand vorsichtiger sein will.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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