Waco/Texas. . Ex-Präsident Trump spricht in Waco/Texas. Das Problematische: Vor 30 Jahren starben dort viele Menschen einer apokalyptischen Sekte.

Es ist kein x-beliebiger Ort, an dem Donald Trump am Samstag nach monatelanger Enthaltsamkeit wieder das Bad in der Menge sucht. Für seine erste große Kundgebung unter freiem Himmel in diesem Jahr hat sich der zurzeit klar favorisierte republikanische Präsidentschaftskandidat für 2024 - ungeachtet juristischer Scharmützel in New York - den Schauplatz einer der größten Tragödien der jüngeren amerikanischen Geschichte ausgesucht: Waco. Bundesstaat Texas.

Waco/Texas: Schauplatz eines tödlichen Sekten-Infernos

Nahe des unspektakulären Ortes fand am 19. April 1993 nach 51 Tagen Belagerung durch Polizei und FBI das Drama um den pseudo-religiösen Fanatiker David Koresh und seine apokalyptische Davidianer-Sekte sein traumatisches Ende.

Unter nach wie vor strittigen Umständen (war es inszenierter Massen-Selbstmord oder haben Blend-Granaten des FBI das verhängnisvolle Feuer ausgelöst?) ging Mount Carmel, der Sitz der okkulten Bewegung, in der Pädophilie und Viel-Ehe praktiziert wurden, in Flammen auf. 86 Menschen, darunter 21 Kinder, kamen ums Leben. Nur wenige überlebten. Die Schreckensbilder der brennenden weißen Trutzburg gingen, verschwommen aufgenommen mit starken Teleobjektiven, via Fernsehen um die Welt.

Jahrelang beschäftigten sich Gerichte und politische Ausschüsse in Washington mit der Katastrophe, die nie vollends aufgeklärt wurde. Bis heute hält sich in rechten Verschwörungs-Zirkeln die Behauptung, dass Staatsversagen den massenhaften Tod begünstigt hat.

Davidianer-Sekte: Netflik-Doku zeigt unveröffentlichtes Filmmaterial

Koresh glaubte, er und seine Anhänger seien von Gott auserwählt, am Jüngsten Tag die Welt zu führen. Der Mann mit den dunklen Locken zog seine Anhänger mit einer Kombination aus bizarren Bibelinterpretationen und einer charismatischen Persönlichkeit in seinen Bann.

Die Belagerung durch das FBI begann am 28. Februar 1993, weil „Davidianer” vier Polizisten erschossen hatten, als Sekten-Führer Koresh festgenommen werden sollte. Waco zeitigte fatale Folgen. Zwei Jahre nach dem Feuertod der Davidianer explodierte 450 Kilometer weiter nördlich in Oklahoma City ein Bundesgebäude. 168 Menschen kamen ums Leben. Der später hingerichtete Bombenleger und Rechtsextremist Timothy McVeigh wollte mit dem Attentat auch die Toten von Waco rächen.

30 Jahre danach beschäftigt sich eine sehenswerter Doku-Dreiteiler auf Netflix mit dem Jahrhundert-Ereignis. Regisseur Tiller Russell lässt in „Waco: American Apocalypse” beteiligte Scharfschützen, Politiker, Überlebende und Sekten-Anhänger zu Wort kommen. Bisher unveröffentlichtes Film-Material wird gezeigt. Ohne dass am Ende eindeutig klar ist, wer die Verantwortung trägt.

Trump: Ortswahl erregt Besorgnis unter Beobachtern

Dass Donald Trump Waco ausgerechnet rund um den 30. Jahrestag des Infernos zu seiner Bühne macht, löst Irritation und wachsendes Unbehagen aus. „Ein Kult-Führer hält eine Kundgebung da ab, wo ein anderer Kult-Führer sich vor 30 Jahren weigerte, sich der Staatsmacht zu ergeben”, schreibt der ehemalige FBI-Vize-Direktor Frank Figliuzzi.

Die Journalistin Marcy Wheeler, renommiert in Fragen der inneren Sicherheit, befürchtet, dass der 76-Jährige, der sich zurzeit massiver Verfolgung durch die Justiz ausgesetzt sieht und sich als Opfer einer politisch motivierten Hexenjagd inszeniert, seine Anhänger in Waco zur Gewalt gegen Staats-Organe anstacheln könnte.

Dabei verweisen Experten auf jüngste Äußerungen Trumps zu den Dutzenden inhaftierten Trump-Anhängern, die wegen ihrer Beteiligung am blutigen Sturm auf das Kapitol in Washington im Januar 2021 teilweise zu langen Gefängnisstrafen verurteilt worden sind.

Trump, der den Aufstandsversuch mit einer Hetz-Rede inspiriert hatte, hält sie für „amerikanische Patrioten”, die „wie Tiere in Gefangenschaft gehalten werden”, während es „Kriminellen und linken Gaunern gestattet ist, mordend und brandschatzend ohne Vergeltung durch die Straßen zu ziehen”.

Trump bietet sich Anhängern, denen „Unrecht getan wurde und die betrogen wurden” nach eigenen Worten als „Krieger” an. „Bei der Tagung der erzkonservativen CPAC-Bewegung sagte der Ex-Präsident vor wenigen Tagen wörtlich: „Ich bin eure Rache.”