Genf. Das erste Kriegsjahr in der Ukraine war voller Gräueltaten. UN-Ermittler gehen Verdachtsfällen nach. Ihr Abschlussbericht schockiert.

Russische Truppen haben im Ukraine-Krieg nach Darstellung einer Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats zahlreiche Kriegsverbrechen begangen. Der am Donnerstag in Genf vorgelegten Abschlussbericht belastet Russland schwer und zählt die schockierenden Verstöße auf:

  • Vorsätzliche Tötungen,
  • Angriffe auf Zivilisten,
  • Rechtswidrige Gefangenschaft,
  • Vergewaltigung;
  • Zwangsabschiebungen von Kindern,
  • Folter.

Darüber hinaus könnten die Angriffswellen der russischen Streitkräfte auf die Energieinfrastruktur der Ukraine ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen.

Auch der Ukraine wird die Folterung von Kriegsgefangenen vorgeworfen

Auch die ukrainischen Streitkräfte kommen nicht ohne Kritik weg. Willkürliche Angriffe und zwei Fälle von Folterung russischer Kriegsgefangener seien Kriegsverbrechen, so die Kommission. Das könnte Sie auch interessieren: Hat Russland ein Raketenproblem, Professor Masala?

Viele der vorsätzlichen Tötungen, rechtswidrigen Einsperrungen, Vergewaltigungen und sexuellen Gewalttaten wurden dem Bericht zufolge im Rahmen von Hausdurchsuchungen begangen. Die willkürlich verhafteten Menschen seien von den russischen Streitkräften oft in überfüllten Zellen unter schlimmsten Umständen gefangen gehalten worden.

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"In einem Fall starben zehn ältere Menschen an den Folgen der unmenschlichen Bedingungen in einem Schulkeller, während die anderen Inhaftierten, darunter auch Kinder, denselben Raum mit den Leichen der Verstorbenen teilen mussten“, heißt es im Bericht. Bei Vergewaltigungen seien Familienmitglieder, darunter auch Kinder, gezwungen worden, dem Verbrechen zuzusehen.

Ukraine-Krieg: Kinder wurden nach Russland verschleppt

Die Kommission dringt auf die Verfolgung der Straftäter. Eine Liste der mutmaßlichen Verantwortlichen sei erstellt und beschränke sich nicht nur auf das Militär, sagte der norwegische Vorsitzende der Kommission, Erik Møse. Das Mandat der Kommission umfasse vielmehr alle Ebenen. "Wir haben Fortschritte bei der Identifizierung von Personen und zum Beispiel Einheiten gemacht“, sagte Kommissionsmitglied Pablo de Greiff. Diese Liste werde dem UN-Hochkommissar für Menschenrechte übergeben und sei nicht Teil des Berichts, hieß es.

Ein besonders übles Kapitel sind die Abschiebungen von Kindern. Die Ukraine spricht von mehr als 16.000 Fällen. Die UN-Ermittler konnten die Zahlen nicht bestätigen. Sie verwiesen jedoch auf Hinweise, wonach russische Behörden ukrainische Kinder in Kinderheimen oder Pflegefamilien unterbringen und ihnen die russische Staatsbürgerschaft verleihen.

UN-Ermittler griffen sogar auf Satellitenbilder zurück

Auch die Bundesregierung dringt auf juristische Konsequenzen für Täter. "Ganz besonders abscheulich ist die dokumentierte systematische Entführung von ukrainischen Kindern“, sagte die deutsche Botschafterin in Genf, Katharina Stasch. "Wir werden diese Verbrechen lückenlos aufklären und die Täter zur Rechenschaft ziehen. Daher wollen wir die Untersuchung der Kindesentführungen auch explizit in das neue Mandat der Untersuchungskommission aufnehmen.“

Für die Ermittlungen reiste die Kommission nach eigenen Angaben acht Mal in die Ukraine und besuchte 56 Städte und Siedlungen. Außerdem seien Gräber, Haft- und Folterstätten inspiziert sowie Fotos und Satellitenbilder ausgewertet worden. Insgesamt seien 600 Betroffene befragt worden. Laut UN-Zahlen wurden seit Beginn des Krieges mehr als 8000 Zivilisten getötet und mehr als 13 000 verletzt. Diese Zahlen spiegelten aber wohl nur einen Teil der wirklichen Situation wider. (fmg) Auch interessant: Ukraine-Krieg: So erlebt Kommandant Scholz die Front

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