Moskau. In Moskau ist der 24. Februar ein Brückentag. Die Menschen nutzen das lange Wochenende. Die Kämpfe in der Ukraine erscheinen weit weg.

Der 24. Februar, der Jahrestag des Kriegsbeginns - und Russlands offizielle Politik schweigt. Nur der frühere Kremlchef Dmitri Medwedew drohte. Er wiederholte den Moskauer Vorwurf, dass die Ukraine von Neonazis beherrscht werde und deshalb für Russland gefährlich sei. „Deshalb ist es so wichtig, dass die militärische Spezialoperation ihr Ziel erreicht. Um die Grenze der Gefahr für unser Land so weit wie möglich zurückzudrängen, selbst wenn das die Grenze Polens ist“, schrieb Medwedew auf Telegram.

Der Jahrestag ist in Moskau arbeitsfrei, ein Brückentag zwischen dem „Tag des Vaterlandsverteidigers“, einem Feiertag, und dem Wochenende. Viele Menschen haben die Stadt verlassen, andere nutzen den Tag zum Shoppen. Wladimir Putins selbstsichere Rede „zur Lage der Nation“, die Feierlichkeiten im Moskauer Luschniki-Stadion, sind vorbei.

Größere Demonstrationen gegen die Kämpfe in der Ukraine gibt es nicht mehr

Der Jahrestag ist ein ganz normaler Tag, soll wohl ein ganz normaler Tag sein. Größere Demonstrationen gegen die Kämpfe in der Ukraine gab es nur kurz nach der Invasion. Der Protest wurde rasch unterdrückt. Die Bürgerrechtsorganisation OVD-Info spricht von mehr als 21.000 Verhaftungen.

Doch den stillen, den leisen Protest gibt es nach wie vor. Seit nunmehr Wochen legen Menschen am Denkmal der ukrainische Dichterin Lessja Ukrajinka in der Moskauer Innenstadt Blumen nieder. Zum Jahrestag ist ein gutes Dutzend gekommen, beobachtet von der Polizei, die sich aber zurückhält. „Ich hoffe, dass das alles enden wird und die Ukraine gewinnen wird“, sagt eine Frau. „Und ich schäme mich auch sehr, dass ich in dem Land lebe, das das angefangen hat. Aber die Leute sind hier, viele unterstützen die Ukraine und lieben die Ukraine.“ Und ihre Freundin fügt hinzu: „Man kann nicht alle Menschen in Russland beschimpfen. Es gibt viele im Land, die die Kriegspolitik nicht unterstützen.“

„Die Angst der Menschen wächst“

Protestveranstaltungen gibt es auch in anderen russischen Städten keine. Doch viel Nachdenklichkeit. Alexeiy, ein 37-jähriger Ingenieur aus Sankt Petersburg, sagt gegenüber unserer Redaktion: „Ich habe nicht erwartet, dass ich im 21. Jahrhundert, im Jahr 2022, einen echten Krieg beobachten werde und dass mein Land in dieser Situation als Angreifer auftritt.“ Wladimir lebt Chabarowsk, arbeitet im medizinischen Bereich. „In letzter Zeit habe ich begonnen, Kontakt mit Freunden zu vermeiden, wir streiten uns wegen unterschiedlicher Positionen in der Kriegsfrage.“ Wladimir ist über den Jahrestag nach Armenien gereist, dort leben Freunde, die vor der Teilmobilisierung geflohen waren. „Sie versuchen dort, das Leben neu zu ordnen.“

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Sie habe sich die Rede des Präsidenten angeschaut, „das Versprechen auf ein besseres Leben. Die Russen hören das seit 20 Jahren. Nur ein gutes Leben ist für uns nie gekommen“, meint die Rentnerin Walentina aus der Region Samara. „Natürlich habe ich zuerst die Maßnahmen gegen die Ukraine unterstützt, aber jetzt sehe ich ein Jahr später, dass das Leben nur noch schlimmer wird und die Angst der Menschen wächst.“ Und fügt hinzu: „Es ist schade, dass die Jungs in diesem Krieg sterben.“

LandUkraine
KontinentEuropa
HauptstadtKiew
Fläche603.700 Quadratkilometer (inklusive Ostukraine und Krim)
Einwohnerca. 41 Millionen
StaatsoberhauptPräsident Wolodymyr Selenskyj
RegierungschefMinisterpräsident Denys Schmyhal
Unabhängigkeit24. August 1991 (von der Sowjetunion)
SpracheUkrainisch
WährungHrywnja