Moskau/Berlin/Bachmut. „Strategisch ist Bachmut von untergeordneter Bedeutung“, sagt Militärexperte Carlo Masala. Warum die Kämpfe dennoch unerbittlich sind.

Es ist eine grausame, blutige Schlacht von hohem Symbolwert für beide Seiten: der Kampf um Bachmut in der Ostukraine. In brutalen Häuserkämpfen ringen russische und ukrainische Truppen um jeden Straßenzug. Glaubt man russischen Militärbloggern, dann ist Bachmut praktisch eingekesselt. Soldaten der berühmt-berüchtigten Söldnergruppe Wagner kämpfen sich Richtung Stadtzentrum vor, die ukrainischen Soldaten weichen nicht. „Wir stellen uns ihnen entgegen“, sagt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensky. „Ich bin jedem Soldaten dankbar, der sich mit seiner Entschlossenheit für den Widerstand einsetzt.“

Die Stadt sei „zunehmend isoliert“, schätzt der britische Geheimdienst die Lage ein. Früher lebten dort 70.000 Einwohnern. Heute sind nur noch gut 8000 Bewohner vor Ort. Die Industrie und die gesamte Infrastruktur sind infolge der Kämpfe völlig zerstört. Die Stadt gleicht einer Trümmerwüste.

Ukraine-Krieg: Prigoschin fordert Selenkyj zum Duell

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin forderte mit Helm und Pilotenmaske Selenkyj zum Duell. „Wenn Sie den Willen haben, treffen wir uns am Himmel. Wenn Sie gewinnen, bekommen Sie Artemowsk zurück, wenn nicht, gehen wir bis zum Fluss Dnipro“, sagt Prigoschin. Artemowsk ist der russische Name für Bachmut.

„Strategisch ist Bachmut von untergeordneter Bedeutung“, sagt der Militärexperte Carlo Masala im Gespräch mit dieser Zeitung. „Wenn die Russen Bachmut einnehmen würden, könnten Sie von dort vielleicht in den Westen der Ukraine vorstoßen.“ Die Strategie der Russen bestehe aber vor allem darin, „so viele Ukrainer wie möglich zu töten“. Umgekehrt hätten die Ukraine dass Ziel, „so viele Soldaten der russischen Privatarmee Wagner auszuschalten“, glaubt Masala. Nach Schätzungen der Geheimdienste, so sagt der Militärexperte, hätten rund 1000 Wagner-Mitglieder ihr Leben verloren.

Bachmut: Schlüssel für die Eroberung des Donbass

Kriegsentscheidend wäre der Fall oder die erfolgreiche Verteidigung wohl nicht. Aber sowohl Russlands Präsident Wladimir Putin als auch der ukrainische Staatschef brauchen einen Erfolg. Denn der 24. Februar steht an, vor einem Jahr begann die russische Invasion.

Ukrainische Soldaten bereiten eine Kanone an der Frontlinie in der Nähe von Bachmut.
Ukrainische Soldaten bereiten eine Kanone an der Frontlinie in der Nähe von Bachmut. © dpa | Libkos

„Wenn es den Russen gelänge, Bachmut zu erobern, würden sie dies als Propagandasieg ausschlachten – genauso, wie sie das bei der Einnahme von Soledar getan haben. Dann hätten sie nach langer Zeit wieder Städte erobert. Seit August waren die Russen überall auf dem Rückzug und haben Verteidigungsstellungen aufgebaut“, schätzt Masala die Lage ein. Aus der Sicht Moskaus aber wäre Bachmut der Schlüssel für die Einnahmen des Donbass – eines der erklärten Kriegsziele Putins.

Putin braucht schnelle Erfolge

Russlands Präsident braucht dringend Erfolge. Nach den schmerzhaften Niederlagen im Herbst, als russische Truppen sich aus dem Gebiet Charkiw im Norden und später aus Cherson im Süden der Ukraine zurückziehen mussten, scheint das russische Militär nunmehr wieder erfolgreicher zu sein. Zu verdanken ist dies der erbarmungslos kämpfenden Wagner-Truppe, jener Privatarmee Jewgeni Prigoschins, die schwere Verluste hinnehmen muss.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Selenskyj aber erklärt die Stadt zur „Festung Bachmut“. Vom Westen will Kiew weitere Milliarden, weitere Waffen. Doch die zugesagten Panzerlieferungen verzögern sich. Und der Ukraine scheinen die Soldaten auszugehen. Die seit Kriegsbeginn laufende Mobilmachung wird allem Anschein nach verstärkt betrieben. Im Kiewer Stadtteil Holossijiw sollen sich bei Strafandrohung alle Männer im wehrfähigen Alter bis Monatsende beim Kreiswehrersatzamt melden. In sozialen Netzwerken machen Videos die Runde, wie auf den Straßen der Großstädte Odessa, Charkiw und Mykolajiw Vorladungen verteilt werden.

Zieht sich die ukrainische Armee aus Bachmut zurück, würde die Frontlinie zusammenbrechen. Für die russischen Truppen würde sich möglicherweise der Weg zum Ballungsraum Slowjansk und Kramatorsk öffnen. Trotzdem haben die USA nach Medienberichten Kiew bereits den Rückzug empfohlen. Doch den will Selenskyj nicht befehlen. In einer seiner Videoansprachen sagte er: „Niemand wird Bachmut aufgeben. Wir werden solange kämpfen, wie wir können.“

LandUkraine
KontinentEuropa
HauptstadtKiew
Fläche603.700 Quadratkilometer (inklusive Ostukraine und Krim)
Einwohnerca. 41 Millionen
StaatsoberhauptPräsident Wolodymyr Selenskyj
RegierungschefMinisterpräsident Denys Schmyhal
Unabhängigkeit24. August 1991 (von der Sowjetunion)
SpracheUkrainisch
WährungHrywnja