Bochum. Der Ukraine-Krieg verschärft das Problem mit mulitresistenten Keimen in deutschen Kliniken. Dabei geht es um ein bestimmtes Bakterium.

Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine werden in deutschen Krankenhäusern bestimmte Erreger, die gegen viele Antibiotika resistent sind, häufiger nachgewiesen. Dieser Zusammenhang lasse sich eindeutig nachweisen und stelle sich auch in den Meldezahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) dar, teilt das an der Ruhr-Universität in Bochum ansässige Nationale Referenzzentrum für gramnegative Krankenhauserreger (NRZ) mit.

Konkret handelt es sich um das Bakterium Klebsiella pneumoniae, das den Angaben zufolge seit Frühjahr 2022 stark vermehrt in Proben aus deutschen Kliniken nachgewiesen wurde. Zwei Stämme des Bakteriums seien auch gegen Reserveantibiotika resistent.

Krankenhauskeim: Gesunde Menschen merken Besiedlung nicht

„Unsere Analysen haben gezeigt, dass es in der Folge der Hospitalisierung ukrainischer Patienten sehr wahrscheinlich bereits zu Ausbruchsgeschehen in Deutschland mit diesen Bakterienstämmen gekommen ist“, sagt Niels Pfennigwerth vom NRZ laut Mitteilung. Die Patientinnen und Patienten seien Geflüchtete oder Kriegsverletzte gewesen.

Ansonsten gesunde Menschen bemerken von der Besiedlung mit diesen Keimen oft nichts. Im Krankenhaus können die Erreger jedoch vor allem über die Hände des Personals auf Personen übertragen werden, die aufgrund von Erkrankungen oder Verletzungen stark vorgeschädigt sind. Lesen Sie auch:Viren gegen Bakterien: Phagentherapie für Patienten

Im schlimmsten Fall ist keine Behandlung mehr möglich

In diesem Fall kann Klebsiella pneumoniae unter anderem Lungenentzündungen oder Wundinfektionen auslösen. Aufgrund der Resistenz auch gegen Reserveantibiotika, die ausschließlich schweren Fällen vorbehalten sind, sei dann im schlimmsten Fall überhaupt keine Behandlung mehr möglich, so Pfennigwerth. NRZ und RKI empfehlen deswegen ein vorsorgliches Screening von Personen mit Bezug zur Ukraine bei Aufnahme in deutschen Krankenhäusern.

Eine Resistenz gegen Antibiotika ist Teil der Evolution, also eine natürliche Entwicklung. Sie bedeutet, dass Bakterien Abwehrstrategien gegen Wirkstoffe oder -mechanismen entwickeln. Resistenzen entstehen überall dort, wo Antibiotika eingesetzt werden.

Das Vorkommen ist von Land zu Land unterschiedlich. Osteuropa gehört nach Angaben des RKI zu den Gebieten mit besonders starker Ausbreitung. In Deutschland gibt es laut RKI pro Jahr ungefähr 50.000 Erkrankungen mit multiresistenten Keimen. Zwei Drittel davon werden im Krankenhaus erworben, etwa 2500 Männer und Frauen würden daran versterben. Lesen Sie auch: Weltweite Allianz gegen Keime

Multiresistente Keime: Studie spricht von 35.000 Toten in Europa

Eine Anfang 2022 im Fachjournal „The Lancet“ veröffentlichte Studie aus den USA zeigt das gesamte Ausmaß des Problems: Demnach starben 2019 weltweit mehr als 1,2 Millionen Menschen unmittelbar an einer Infektion mit einem Antibiotika-resistenten Erreger, in Europa waren es etwa 35.000, Tendenz steigend. Bei fast fünf Millionen Todesfällen sei eine solche Infektion mitverantwortlich für den Tod gewesen, schreiben die Forscher der University of Washington. (kai)

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt