Berlin. Immer mehr Stimmen aus der Ampel-Koalition fordern Leopard-2-Panzer für die Ukraine. Frankreich hatte zuvor Spähpanzer angekündigt.

Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter, dringt auf die Lieferung zahlreicher europäischer Kampfpanzer an die Ukraine. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) müsse "jetzt eine europäische Initiative starten zur Lieferung von Leopard-2-Panzern", sagte der Grünen-Politiker gegenüber unserer Redaktion am Donnerstagnachmittag.

Tags zuvor hatte Frankreich ankündigt, die Ukraine mit schwer bewaffneten Spähpanzern ausstatten zu wollen. Hofreiter hatte daraufhin agumentiert, das Argument eines deutschen Alleingangs sei hinfällig. Leopard 2 würden in mehr als zehn europäischen Ländern genutzt, betonte Hofreiter.

"Es gibt in Europa circa 2000 aktive Leopard 2. Nur zehn Prozent an die Ukraine geliefert, wären eine große Hilfe", sagte er. Die Ukraine brauche angesichts der fortwährenden russischen Angriffe noch mehr Unterstützung. Es sei deshalb mehr als begrüßenswert, dass Frankreich sich entschieden hat, Spähpanzer zu liefern.

Rufe nach Panzer-Lieferungen aus der Ampel werden laut

Auch die Vizepräsidentin des Bundestages, Katrin Göring-Eckardt, fordert die Lieferung deutscher Kampfpanzer an die Ukraine. "Wenn Frankreich nun bei den Panzerlieferungen weiter vorangeht, sollte sich Deutschland daneben an die Spitze der Bewegung stellen", sagte die Grünen-Politikerin dieser Redaktion.

Göring-Eckardt betonte: "Die Ukraine steht vor entscheidenden Wochen und Monaten. Wir dürfen bei unserer Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen, sondern müssen im Gegenteil weiter zulegen. Wir müssen jetzt wirklich alles tun, was möglich ist."

Selbst in der SPD wird die Frage nach Panzerlieferungen nun offenbar anders bewertet. Die Entscheidung "dürfte wieder mehr Bewegung in die deutsche Diskussion bringen", sagte der SPD-Verteidigungspolitiker Andreas Schwarz dem "Spiegel". "Es ist eine Möglichkeit, mit den westlichen Partnern die nächste Stufe der Unterstützung der Ukraine abzustimmen. Deutschland sollte die Initiative ergreifen, da weitere Lieferungen einen Vorlauf an Ausbildung und Aufbau von Versorgungsketten nach sich ziehen."

"Der Bundeskanzler ist dazu in engen Gesprächen mit den besonderen Partnern und Freunden und das wird auch weiterhin der Fall sein", sagte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken dem Sender RTL/ntv. "Und dann werden wir entsprechende Entscheidungen auch treffen."

SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetovic sagte: "Ich begrüße die Ankündigungen der USA und Frankreichs, unter anderem Spähpanzer in die Ukraine liefern zu wollen." Und weiter: "Die Ukraine wird nur aus der Position der Stärke Erfolge erzielen können – auch bei diplomatischen Verhandlungen. Das lehren uns auch die Entwicklungen aus den Kriegen nach dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens Anfang der Neunzigerjahre."

Frankreich liefert schwer bewaffnete Radpanzer

Am Donnerstagabend kam Bewegung in die Sache. Berlin und Washington kündigten an, die Ukraine künftig mit Schützenpanzern beliefern zu wollen. Zuvor hatte der französische Präsident Emmanuel Macron der Ukraine im Krieg gegen Russland Spähpanzer des Typs AMX-10 RC angekündigt. In einer Videoansprache gestern Abend erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj: "Frankreich hebt die Verteidigungsunterstützung für die Ukraine auf ein neues Level, und ich danke Präsident Macron für diese Führungsrolle." Er bezeichnete die Zusage als wichtiges Signal auch an andere westliche Staaten.

Die geplante Lieferung der Panzer hatte Macron nach einem Telefonat mit Selenskyj bekannt gegeben. Noch ist unklar, wann und wie viele Panzer Frankreich an die Ukraine liefern will. Aus dem Élyséepalast hieß es, dies seien die ersten Kampfpanzer westlicher Bauart, die an die ukrainischen Streitkräfte gelangen würden. "Das sendet ein klares Signal an alle unsere Partner: Es gibt keinen rationalen Grund, weshalb Panzer westlicher Bauart bislang nicht an die Ukraine geliefert wurden", lobte Selenskyj.

Bereits in der Vergangenheit hatte die Ukraine westliche Panzer erhalten. Dabei handelte es sich um Truppentransporter wie das US-Modell M113, ein kleineres Kettenfahrzeug. Auch Deutschland hat der Ukraine im Krieg gegen Russland 30 Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard zur Verfügung gestellt. Ein vollwertiger westlicher Kampfpanzer wie zum Beispiel das französische Modell Leclerc oder der deutsche Leopard war bislang jedoch nicht erhalten. Lesen Sie hier: Ukraine spricht mit Deutschland über Kampfpanzer-Lieferung

Schon im August besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das Ausbildungsprogramm für ukrainische Soldaten. Hier geht er an einem Flugabwehrkanonenpanzer Gepard vorbei.
Schon im August besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das Ausbildungsprogramm für ukrainische Soldaten. Hier geht er an einem Flugabwehrkanonenpanzer Gepard vorbei. © Marcus Brandt/dpa

Kiew: Dutzende Russen im Gebiet Saporischschja getötet oder verletzt

Im besetzten Teil des Gebiets Saporischschja gelang der ukrainischen Armee unterdessen eigenen Angaben zufolge erneut ein Schlag gegen russische Soldaten. In der besetzten Stadt Tokmak im südukrainischen Gebiet Saporischschja seien bei einer Offensive am Dienstag 80 russische Soldaten getötet oder verletzt worden, teilte der Generalstab in Kiew mit. Lesen Sie hier: Russische Soldaten schicken Silvester-SMS mit fatalen Folgen

Ein Sprecher der russischen Besatzungsverwaltung von Saporischschja, Wladimir Rogow, hingegen sagte, der ukrainische Angriff habe dem Kreiskrankenhaus von Tokmak gegolten. Es seien ein Militärarzt und mehrere Patienten getötet worden. Dazu wurden Bilder von einem schwer zerstörten Gebäude gezeigt. Unabhängige Bestätigungen der Angaben lagen jedoch nicht vor.

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Die Ukraine meldet seit Tagen immer wieder massive Schläge auf russische Truppenansammlungen. Alleine bei einem Angriff auf eine russische Militärunterkunft in Makijiwka im Gebiet Donezk sollen den Kiewer Angaben zufolge 400 und bei einer weiteren Offensive in der Ortschaft Tschulakiwka in Cherson 500 feindliche Soldaten getötet worden sein. Moskau hingegen hat mit Blick auf die ukrainischen Artillerieschläge in der Neujahrsnacht bislang nur mindestens 89 Tote in den eigenen Reihen eingeräumt. (jd/mit dpa)

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt