Berlin. Vorzeitiger Ruhestand und gleichzeitig Vollzeit arbeiten: Das kann lukrativ sein. Was der Wegfall der Zuverdienstgrenze ermöglicht.

Viele Arbeitsplätze sind anscheinend wenig attraktiv oder verschleißen die Beschäftigten frühzeitig. Das könnte eine Erklärung für den Trend zur Frühverrentung sein. Ein Viertel Neurentnerinnen und Neurentner ist nach Zahlen der Deutschen Rentenversicherung im vergangenen Jahr in den Ruhestand gegangen, bevor die Altersgrenze erreicht wurde. Dafür nahmen sie deutlich weniger Rente in Kauf.

Andere Arbeitnehmer halten dagegen durch, weil sie auf das Einkommen und die volle Höhe der späteren Rente angewiesen sind. Doch es gibt Gestaltungsmöglichkeiten für den Übergang ins Rentenalter.

Die Bundesregierung will mit der Abschaffung der Zuverdienstgrenze bei einem vorzeitigen Ruhestand den Übergang vom Arbeits- ins Rentenleben flexibilisieren. Das schafft in der Praxis den Raum für eine neue Strategie: Rente kassieren und trotzdem weiter Vollzeit arbeiten.

Frührente: So stark sinkt der Rentenanspruch

So können Versicherte zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Rente gehen. Das ist der Fall, wenn sie 35 Jahre lang Pflichtbeiträge entrichtet haben und mindestens 63 Jahre alt sind. Dann müssten sie eigentlich bis zu 14,4 Prozent Abschläge auf ihre Rente hinnehmen. Doch wenn sie die Abschläge durch freiwillige Beiträge ausgleichen, entfällt dieser Malus.

In diesem Fall arbeiten sie ganz normal in ihrem Beruf weiter, bekommen aber schon Rente. Das muss dem Arbeitgeber nicht einmal gemeldet werden. Denn der Betrieb überweist ja weiterhin die regulären Rentenbeiträge für den Lohn oder das Gehalt. Damit steigt auch die Rente weiter an, die nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze gezahlt wird.

In der Zwischenzeit erhalten die „Teilrentner“ monatlich neben ihrem Arbeitsentgelt schon mal eine Rente und bekommen später auch noch mehr heraus.

Wie lukrativ diese Strategie in Euro und Cent ist, hängt vom Einzelfall ab. Möglich ist dieser Weg auch ohne freiwillige Ausgleichszahlungen. Ob es dann auch ein finanzieller Vorteil ist, hängt von der Lebensdauer ab. Stirbt jemand vergleichsweise früh, fährt er mit dieser Strategie besser, bei einer langen Lebensdauer schlechter.

Mehr zum Thema Rente:Altersarmut ist binnen drei Jahren stark angestiegen

Ein Problem für die älteren Beschäftigten sind die hohen Abschläge bei der Frührente. Für jeden Monat vor der Regelaltersgrenze zieht die Rentenversicherung 0,3 Prozent von der Rente ab. Wer also drei Jahre früher aufhören will, bekommt 10,8 Prozent weniger heraus. Aus einem Rentenanspruch von 1200 Euro wird einer von 1070 Euro.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Abschläge lassen sich mit freiwilligen Beitragszahlungen ausgleichen

Schon länger gibt es allerdings die Möglichkeit, die Abschläge durch freiwillige Beitragszahlungen auszugleichen. Das ist ab einem Alter von 50 Jahren möglich, so dass die vergleichsweise hohe Zahlung auch scheibchenweise eingezahlt werden kann.

Die Regelung ist nicht nur für jene Beschäftigten geeignet, die tatsächlich früher in Rente gehen wollen. Sie ist auch für jene attraktiv, die bis zur Regelaltersgrenze von – je nach Jahrgang – bis zu 67 Jahren im Berufsleben bleiben wollen. Denn für sie erhöht sich der Anspruch durch die freiwillige Beitragszahlung. Aus 1200 Euro werden im Beispielfall rund 1330 Euro.

Dafür müssten die Betreffenden aktuell laut Rentenversicherung 29.200 Euro extra bezahlen. Wie teuer der Ausgleich von Abschlägen tatsächlich ist, errechnet die Rentenversicherung individuell auf Antrag. Das entsprechende Formular kann unter dieser Webadresse heruntergeladen werden.

Sondereinzahlung in die Rentenkasse kann von der Steuer abgesetzt werden

Die Höhe der Sondereinzahlungen entpuppt sich bei genauer Rechnung als gar nicht mehr so hoch. Denn die Beitragszahlung kann von der Steuer abgesetzt werden. Angenommen, ein Versicherter verteilt die Gesamtsumme auf drei Jahre und überweist in diesem Jahr freiwillige Beiträge in Höhe von 10.000 Euro an die Rentenkasse. Dann spart er oder sie je nach individuellem Tarif zwischen 1316 Euro und 3948 Euro bei der Einkommensteuer.

Auch interessant:Für Frauen hat ein später Renteneintritt fatale Folgen

Für die Altersvorsorge gilt in diesem Jahr der Höchstbetrag von 25.639 Euro. Davon geht noch die reguläre Aufwendung für die Rentenbeiträge ab. Und das Finanzamt erkennt 2022 nur 94 Prozent der Sonderzahlung steuermindernd an. Erst ab 2023 kann der volle Betrag geltend gemacht werden.

Wer freiwillige Beiträge leisten will, kann dies im Jahr 2022 besonders günstig tun. Denn der Wert eines für die Rentenberechnung maßgeblichen Entgeltpunktes ist aufgrund der schlechten Lohnentwicklung im Corona-Jahr 2020 besonders günstig. Er beträgt in diesem Jahr 7235,59 Euro. Im kommenden Jahr kostet ein Entgeltpunkt mit 8063,29 Euro gut 800 Euro mehr.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.