Berlin. Mehr Geld für Hartz-IV-Empfänger – dafür spricht sich nun CDU-Chef Merz aus. Er will damit den Streit um das Bürgergeld beruhigen.

Die Fronten sind verhärtet, die Vorwürfe massiv. SPD-Chef Lars Klingbeil kontert die Kritik der Union am Bürgergeld mit einem Donald-Trump-Vergleich, die Union nennt solche Parallelen politisches „Brunnenvergiften“. Acht Wochen vor dem geplanten Start des Hartz IV-Nachfolgers am 1. Januar scheint alles auf ein komplettes Scheitern der ehrgeizigen Sozialreform zuzulaufen. Doch so weit wird es wohl nicht kommen.

Klingbeil hatte der Union am Wochenende vorgehalten, dass sie unter CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder Geringverdiener gegen Menschen ausspiele, die auf den Staat angewiesen seien. „Wer sich so verhält, wer den Weg von Donald Trump der Verbreitung von Fake News einschlägt, wer der Meinung ist, man müsse das Land spalten, hat nichts mehr in der politischen Mitte dieses Landes verloren.“ In der Union war die Empörung am Montag groß: Fraktionsvize Hermann Gröhe warf der Ampel politische Arroganz vor, der Trump-Vergleich komme einer Beleidigung gleich, die Ampel fahre „ihr vermeintliches Prestigeprojekt gegen die Wand“.

Was folgt auf Hartz IV? Darüber streiten Ampel und Union

Die Ampel will zum 1. Januar nicht nur das umstrittene Hartz-IV-System ersetzen, sondern im gleichen Zug auch die Regelsätzen deutlich anheben. Für einen alleinstehenden Erwachsenen soll der Betrag von 449 auf 502 Euro im Monat angehoben werden. Letzteres unterstützt auch die Union.

Bei den grundsätzlichen Änderungen am staatlichen Hilfesystem dagegen liegen Ampel und Union weit auseinander. Kritikpunkte der Union sind unter anderem das deutlich erweiterte Schonvermögen und die großzügigeren Karenzzeiten. Aus Sicht von CDU und CSU setzt das Bürgergeld hier „falsche Anreize“ und beendet das Prinzip „Fördern und Fordern“.

Konkret soll es nach den Ampel-Plänen in den ersten zwei Jahren Bürgergeld geben, wenn kein „erhebliches Vermögen“ vorhanden ist. Hier soll künftig die Grenze von 60.000 Euro für den eigentlichen Leistungsbezieher und 30.000 Euro für jeden weiteren Menschen in der Bedarfsgemeinschaft gelten. Bei einer vierköpfigen Familie wären dadurch 150.000 Euro Erspartes geschützt. Zudem sollen die Jobcenter in den ersten beiden Jahren nicht überprüfen, ob eine Wohnung angemessen ist. Im ersten halben Jahr will die Ampel darüber hinaus eine „Vertrauenszeit“ gelten lassen, in der Betroffenen nur eingeschränkt Leistungskürzungen drohen.

Bürgergeld: Die Union findet das neue Schonvermögen zu großzügig

Die Union dagegen fordert unter anderem ein gestaffeltes Schonvermögen. Es müsse einen Unterschied geben zwischen jenen, die lange gearbeitet hätten und jenen, die etwa noch nie gearbeitet, aber beispielsweise geerbt hätten, erklärte CDU-Generalsekretär Mario Czaja am Montag. Entscheidend sei zudem, dass die Ampel in einer Karenzzeit von faktisch 18 Monaten, also sechs Monaten Vertrauenszeit und zwölf Monaten Kooperationszeit, das System des Förderns und Forderns aussetzen wolle.

Die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP haben zwar mittlerweile Änderungen an den ursprünglichen Plänen vorgenommen, doch die Union bleibt bei ihrer Ablehnung – die Änderungen seien nur „Kosmetik“, hieß es aus der Fraktion.

Reform von Hartz IV: Jetzt ist der Zeitplan in Gefahr

Das Problem für die Ampel: Für die Einführung des neuen Bürgergelds ist die Zustimmung des Bunderats nötig. Die nächste reguläre Sitzung ist am 25. November. Sollten die CDU-Länderchefs das Bürgergeld blockieren, könnte der Zeitplan gefährdet werden.

Im Ringen um die Reform hatte CDU-Chef Merz am Sonntag vorgeschlagen, noch in dieser Woche einen verbindlichen Beschluss des Bundestages über die Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze zu treffen. Das müsse spätestens zum 1. Januar geschehen. „Und dann müssen wir uns über diesen Systemwechsel unterhalten, der mit diesem sogenannten Bürgergeld vorgenommen wird.“ Heißt: Die Regelsätze steigen, aber das Bürgergeld in der Ampel-Variante wäre erstmal vom Tisch.

Merz‘ Vorschlag lehnte die Regierung strikt ab: „Das wäre arbeitsmarktpolitisch zu kurz gesprungen. Deshalb werben wir für eine große Reform“, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). „Einfach nur die Regelsätze erhöhen, ohne Leistungsgerechtigkeit und Aufstiegschancen durch Reformen zu verbessern - das kommt für die FDP nicht in Frage“, sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Johannes Vogel. „Dass die Union das vorschlägt, zeigt, dass es ihnen und insbesondere Friedrich Merz offenbar gar nicht um Arbeitsanreize, sondern nur um die eigene Wahrnehmung in der Debatte geht.“

Bürgergeld: Kommen die neuen Regelsätze zum 1. Januar?

Doch wie geht es nun weiter? Erwartet wird, dass die Ampel ihr Bürgergeld-Gesetz an diesem Donnerstag im Bundestag beschließt. Dann muss der Bundesrat entscheiden. „Das ist hier nicht die Zeit mehr für parteitaktische Spielchen, sondern es geht um viele Menschen, die Unterstützung brauchen, aus der Not rauszukommen, darauf konzentrieren wir uns“, mahnte Heil. Aus Ampel-Kreisen hieß es am Montag, die nächste Bundesratssitzung könne möglicherweise vorgezogen werden. Dann bliebe mehr Zeit, um im Fall einer Ablehnung den Vermittlungsausschuss einzuschalten und doch noch zum 1. Januar mit einem kompletten Paket inklusive der höheren Regelsätze zu starten.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hatte am Montag erklärt, dass die Anhebung der jetzigen Hartz-IV-Sätze nur dann zum 1. Januar umgesetzt werden könne, wenn spätestens am 30. November ein Bundesratsbeschluss da sei.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.