Berlin. In den USA bröckelt die Zustimmung zur Ukraine-Hilfe. Die Republikaner könnten bald davon profitieren – ein Warnsignal für die EU.

Der Ukraine-Krieg hat die Welt zutiefst erschüttert. Und doch ist das Fundament noch intakt. Die USA und Europa stützen die Ukraine im russischen Angriffskrieg. Vor allem die USA sind die Lebensversicherung für das attackierte Land: Rund 70 Milliarden Dollar Hilfe flossen bislang an die Regierung in Kiew, bei den Waffenlieferungen stehen die Vereinigten Staaten an erster Stelle. Präsident Joe Biden, der seinen Fokus zunächst auf China richten wollte, hat sich als Bannerträger der transatlantischen Partnerschaft erwiesen.

Doch das könnte sich bald ändern. Anfang November finden in den USA die Zwischenwahlen zum Kongress statt. Verlieren Bidens Demokraten eines der beiden Häuser, weht dem Chef des Weißen Hauses der Wind innenpolitisch noch mehr ins Gesicht. Seine Umfragewerte sind bereits seit Längerem im Keller. Die Inflationsrate ist hoch, die Benzinpreise sind es auch – ein Ärgernis für viele SUV-vernarrte Amerikaner, die einen niedrigen Spritpreis fast als Verfassungsgarantie ansehen. Zu allem grassiert noch die Angst vor einer Rezession.

USA: Zustimmung für Russland-Sanktionen sinkt

Vor diesem Hintergrund beginnt die Zustimmung für die opulente Ukraine-Unterstützung zu bröckeln. Die oppositionellen Republikaner sind Trittbrettfahrer dieser Stimmung. Donald Trump, der in der Partei noch immer die Fäden zieht, befeuert die „Uns-ist-das-innenpolitische-Hemd-näher-als-der-außenpolitische-Rock“-Haltung. Der Ex-Präsident hatte Kremlchef Wladimir Putin unmittelbar vor dessen Invasion in die Ukraine noch als „genial“ und „ziemlich gewieft“ bezeichnet.

Sollten die Republikaner eine der beiden Kongresskammern – oder gar beide – gewinnen, steht Amerika ein Gezeitenwechsel bevor. Biden wäre geschwächt und bekäme zunehmend das Etikett eines politischen Auslaufmodells. Die neue Dynamik würde auf die vermeintlichen Heilsbringer bei den Republikanern zulaufen.

Wahlen in den USA: Ukraine könnte von Hightech-Waffen abgeschnitten werden

Trump hat seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl im November 2024 zwar noch nicht angekündigt, doch er kokettiert immer ungenierter damit. Aber selbst wenn es nicht Trump würde, sondern ein jugendlicher Wiedergänger wie etwa Ron DeSantis, hätte Europa nichts zu lachen. Der Gouverneur von Florida fährt programmatisch auf einer ähnlichen Linie und wird als „Trump mit Gehirn“ tituliert.

Für die Europäer wäre dies der perfekte Sturm. Nicht nur, dass dann ein neuer Schmusekurs zwischen Washington und Moskau droht. Die Ukraine wäre von den Hightech-Waffen der USA abgeschnitten. Putin könnte sich gleichzeitig ermutigt fühlen, nicht nur die ganze Ukraine zu annektieren, sondern seinen Aggressionskurs auf den Rumpf-Westen auszudehnen.

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Republikaner: USA könnte bei einem Sieg der Partei die Nato verlassen

Die EU müsste sich zudem auf ein neues Protektionismus-Gewitter mit hohen Zöllen und vielleicht sogar einen Handelskrieg mit Amerika einstellen. Die militärische Präsenz der USA auf dem Alten Kontinent würde ausgedünnt. Parallel dazu dürfte über den Europäern wieder das Damoklesschwert eines Nato-Austritts der Vereinigten Staaten schweben.

Und damit nicht genug. Trump, DeSantis & Co. würden daran arbeiten, die EU in eine Konfrontation mit dem US-Lieblingsfeind China zu treiben. Für die deutsche Exportindustrie, deren wichtigster Handelspartner die Volksrepublik ist, könnte der Albtraum größer nicht sein.

Was folgt daraus für Europa? Zweierlei. In diesen unsicheren Zeiten benötigt die EU absolute Geschlossenheit und ein besseres Risiko-Management. In der Verteidigungspolitik, aber auch bei der Cyberabwehr und dem Schutz der kritischen Infrastruktur braucht es einen Plan B und C. Die Gemeinschaft muss sich neu erfinden. Viel Zeit bleibt ihr nicht.