Berlin/Brüssel. Berlin und Brüssel machen ernst: Gas-Steuer runter, Stromgewinne weg, Preisbremsen kommen. Damit können Verbraucher rechnen.

Jetzt greift die Politik gegen hohe Energiepreise durch. Der Bundestag beschloss am Freitag eine Sofort-Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas. Auf diese Weise sollen Verbraucher um hunderte Euro entlastet werden.

Parallel beschlossen die EU-Energieminister, in Deutschland und der gesamten Union Milliarden-Gewinne der Stromkonzerne abzuschöpfen. Die Einnahmen wollen sie zur Unterstützung der Stromkunden verwenden.

Darüber hinaus bereitet die Ampel-Koalition eine Gaspreisbremse vor, wie es auch die Bundesländer gefordert hatten. Alles in allem können sich Haushalte nach Expertenangaben auf spürbare Entlastungen einstellen, teils um mehrere tausend Euro im Jahr. Was jetzt kommt, was es bringt:

Gaspreis: Die Mehrwertsteuer sinkt

Der Bundestag beschloss mit großer Mehrheit, die Mehrwertsteuer auf Erdgas von 19 auf sieben Prozent zu senken – gültig schon ab Sonnabend, befristet bis zum 31. März 2024. Der Staat verzichtet zur Entlastung der Verbraucher so auf 11,3 Milliarden Euro Steuereinnahmen, zwei Milliarden Euro noch in diesem Jahr.

Ein Haushalt mit vier Personen kann nach Regierungsberechnungen eine Ersparnis um knapp 400 Euro im Jahr erwarten. Das Vergleichsportal Check 24 rechnet vor, dass ein Single-Haushalt in einer 50-Quadratmeter-Wohnung (Gasverbrauch 5000 Kilowattstunden) 119 Euro jährlich spart.

Ein Ehepaar auf 100 Quadratmeter käme auf 230 Euro Kostensenkung. Voraussetzung: „Es wird erwartet, dass die Unternehmen die Mehrwertsteuersenkungen 1:1 an die Verbraucher weitergeben“, heißt es in der Begründung zu dem mit großer Mehrheit beschlossenen Gesetz.

Mit der Entlastung profitieren die Bundesbürger vom Hick-Hack um die Gasumlage. Eigentlich sollte die Mehrwertsteuer-Senkung einen Teil der Mehrbelastung durch die Gasumlage ausgleichen. Doch die Ampel-Koalition hatte am Donnerstag nach heftigem Streit entschieden, die Gasumlage doch nicht einzuführen.

Bei der Mehrwertsteuersenkung bleibt es nun trotzdem. Das Gesetz betrifft nur Gaslieferungen aus dem Erdgasnetz und – kurzfristig noch eingefügt – Fernwärme. Es gilt aber nicht für Kartuschen oder Gas, das per Tankwagen kommt.

EU-Beschluss: Milliarden von Stromversorgern gehen an die Verbraucher

Die EU-Energieminister beschlossen am Freitag in Brüssel drastische Maßnahmen zur Senkung des Strompreises. Ab 1. Dezember gilt für Strom aus erneuerbaren Quellen (Wind, Sonne, Wasserkraft, Biomasse), Atomkraft, Braunkohle, Öl und Abfall eine Preisgrenze von 180 Euro pro Megawattstunde.

Die Milliarden, die die Unternehmen durch höhere Preise einnehmen, gehen an die Staatskasse – die Regierungen sollen damit Haushalte und Unternehmen entlasten. Aktuell liegt der Strompreis im deutschen Großhandel bei 315 Euro. Die Regelung ist zunächst bis März 2023 befristet, dürfte aber verlängert werden.

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Nach Berechnungen des Berliner Beratungsunternehmens Enervis energy advisors kämen für Deutschland 30 Milliarden Euro zusammen, wenn die Regelung auf ein gesamtes Jahr ausgedehnt wird. Laut EU-Beschluss sollen zudem europaweit fossile Energieunternehmen, die nicht von der Obergrenze betroffen sind – aus dem Öl-, Kohle-, Gas- und Raffineriebereich – ein Drittel ihrer krisenbedingten Extra-Gewinne abführen, rückwirkend ab Jahresanfang 2022. Die EU-Kommission rechnet durch beide Maßnahmen zusammen mit 140 Milliarden Euro.

Der Beschluss legt, wie von der Koalition erwartet, das Finanz-Fundament für die geplante Strompreis-Bremse in Deutschland. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte in Brüssel: „Das kann schnell gehen, wir sind vorbereitet.“

Vorläufige Pläne sind schon durchgesickert: Danach könnte für 75 Prozent des Durchschnittsverbrauchs der Preis auf 30 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt, zusätzlich die Netzentgelte um zwei Cent reduziert werden. Nach Berechnungen des Vergleichsportals check24 würde eine vierköpfige Familie mit einem Gesamtverbrauch von 5000 kWh damit um 346 Euro entlastet werden, ein Single mit einem Verbrauch von 1500 kWh um 141 Euro.

Das kann die Gaspreisbremse bringen: Entlastung bis 3000 Euro?

Wie genau die von der Koalition am Donnerstag angekündigte Gaspreisbremse aussehen soll, steht noch nicht fest. Eine Expertenkommission soll bis Mitte Oktober einen Vorschlag ausarbeiten. Ziel ist es laut Koalition, die Preise zumindest für einen Teil des Verbrauchs auf ein Niveau zu bringen, „welches private Haushalte und Unternehmen vor Überforderung schützt.“

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Wahrscheinlich wird der Gaspreis für etwa 80 Prozent des durchschnittlichen Verbrauchs von Privathaushalten und Unternehmen vom Staat bezuschusst, diese Quote nennen Minister Habeck und SPD-Chefin Saskia Esken – für Gas über dem Basisverbrauch müsste dann der reguläre, höhere Tarif bezahlt werden.

Experten des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung haben schon Modelle durchgerechnet. Sie sind sicher: Die Gaspreisbremse verspricht „erhebliche Entlastungen". Ein Single-Haushalt könnte demnach je nach Ausgestaltung im Durchschnitt um 570 Euro bis 1010 Euro im Jahr entlastet werden, ein 3-Personen-Haushalt würde zwischen 1.024 Euro und 2.316 Euro sparen, ab 5 Personen läge die Entlastung bei bis zu 2.875 Euro im Jahr.

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