Berlin. Ein Gesetz zu Regelschmerzen sorgt für Aufsehen. Dabei ist es ein logischer Schritt, wenn Politik die Bedürfnisse von Frauen mitdenkt.

Mit den Worten "Ich bin Feminist", begründet Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez, dass spanische Frauen zukünftig mit Lohnfortzahlung von der Arbeit fernbleiben können, wenn sie zu starke Schmerzen während ihrer Periode haben.

Für viele in Deutschland klingt diese Nachricht erst einmal skurril: Krank schreiben lassen für etwas, was jeden Monat passiert? Tatsächlich können auch in Deutschland Millionen Frauen nur unter Einsatz heftiger Schmerzmittel während ihrer Menstruation arbeiten – und selbst die helfen oft nicht.

Nach Angaben der Techniker Krankenkasse sind bei einer von zehn Frauen in Deutschland die Regelbeschwerden so intensiv, dass sie bis zu drei Tage im Monat ihren Alltag kaum bewältigen können: Das betrifft deutlich über zwei Millionen Frauen. In der deutschen Gesetzgebung, die bei Arbeitsrechtlern gerne mal zehn Meter im Bücherregal einnimmt, werden diese zwei Millionen Frauen bisher ignoriert.

Feministische Politik: Schröder nannte das "Gedöns"

"Feministischer Politik" hängt allzu oft das Vorurteil an, es ginge um irgendwelche Exoteninteressen – "Gedöns" lautet das berühmte Zitat Altkanzler Gerhard Schröder. Tatsächlich geht es darum, so Gesetze zu machen, dass sie für 100 Prozent der Bevölkerung taugen und eben nicht nur für 50.

Spaniens Premier Pedro Sánchez sagt: "Der Feminismus konstruiert gerechtere Gesellschaften." In Deutschland haben das viele noch nicht verstanden. Erst kürzlich mokierte sich CDU-Chef Friedrich Merz im Bundestag darüber, dass Außenministerin Annalena Baerbock feministische Außenpolitik als eine ihrer Leitplanken begreift.

Dabei zeigen die Bilder und Berichte aus der Ukraine gerade auf grausamste Weise, dass Krieg eben nicht nur mit Raketen geführt wird, sondern auch mit Massenvergewaltigungen.

Gleichberechtigung ist sicherheitsrelevant

Gerade in der Außenpolitik sind besonders vulnerable Menschen wie Kinder und Alte überproportional von Konflikten betroffen. Also jene, um die sich noch immer vor allem Frauen kümmern. Feministische Außenpolitik setzt sich unter anderem dafür ein, dass Frauen bei Friedensverhandlungen am Tisch sitzen, was den Frieden laut Untersuchungen stabiler macht. Zudem zeigen Studien, dass Staaten umso friedlicher agieren, je gleichberechtigter Frauen sind. Gleichberechtigung ist sicherheitsrelevant.

Die Bedürfnisse von und die Gefahren für Frauen mitzudenken, und die sind teils nunmal anders als jene von Männern, sollte selbstverständlich für jeden Politikbereich sein.

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In der Arbeitsmarktpolitik gilt nach wie vor das "Normalarbeiterverhältnis" als Standard, obwohl allen klar ist, dass zwei 40-Stunden-Jobs, Kindererziehung, Haushalt und ein Rest an Lebensqualität kaum vereinbar sind. Aber unsere Arbeitsmarktgesetze entstanden eben auch in einer Zeit, in der man davon ausging, dass jeder Mann eine Frau zuhause hat, die sich um jegliche Care-Arbeit schon kümmert.

Spanien wird in der EU Vorreiter für ein Gesetz, das Frauen das Recht einräumt, bei Regelschmerzen zu Hause zu bleiben, und das bei vollem Lohnausgleich.
Spanien wird in der EU Vorreiter für ein Gesetz, das Frauen das Recht einräumt, bei Regelschmerzen zu Hause zu bleiben, und das bei vollem Lohnausgleich. © iStock

Und in der Gesundheitspolitik überblickt Karl Lauterbach ein System, indem Frauen mit Herzinfarkt immer noch später und schlechter behandelt werden als Männer. Medizinische Studien und Medikamententests werden überwiegend an Männern durchgeführt. Die Konsequenz: vermeidbare Todesfälle bei Frauen und unnötige Komplikationen sowie Nebenwirkungen. Feministische Gesundheitspolitik rettet Leben.

Die Politik muss sich eingestehen, dass sie die Hälfte der Menschheit bisher nicht ausreichend im Blick hatte. Das spanische Kabinett mit 14 Frauen ist die weiblichste Regierung ganz Europas und die will genau das ändern. Drei freie Tage bei heftigen monatlichen Schmerzen ist ein kleiner, aber richtiger Schritt in diese Richtung.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.