Berlin. Am Dienstagabend ruderte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im “Lanz“-Talk bei einer entscheidenden Corona-Regeländerung zurück.

Mit dieser Entscheidung hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zuletzt für Unverständnis gesorgt: Vor wenigen Tagen verkündete der Politiker, man werde die bisher strenge Isolationspflicht für Corona-Infizierte zum 1. Mai aufheben. Entsprechend appellierte man an die Vernunft der Menschen, sich dennoch aus freien Stücken zurückzuziehen und zu testen.

In der Runde bei "Markus Lanz" am Dienstagabend ruderte Lauterbach nun unerwartet zurück: "Diesen Punkt, dass sich die Infizierten […] selbst isolieren und nicht mehr durch das Gesundheitsamt aufgefordert werden, den werde ich wieder einkassieren."

"Markus Lanz": Das waren die Gäste

  • Karl Lauterbach (SPD), Politiker
  • Katrin Eigendorf, Journalistin
  • Daniela Schwarzer, Politologin
  • Robin Alexander, Journalist

Corona: Lauterbach kippt freiwillige Isolation

Doch woher plötzlich der Sinneswandel? Lauterbach befürchte, dass Corona mit der Eigenverantwortung über die Isolation möglicherweise verharmlost – und eine Quarantäne entsprechend als nicht notwendig empfunden werden könnte. "Das Signal, das davon ausgeht, dass jemand, der isoliert ist, dann selbst entscheidet, ob er zu Hause bleibt oder nicht, das ist so negativ, so verheerend." Das wäre offenbar ein "symbolischer Verlust, der mehr wiegt als der praktische Gewinn".

Der Gesundheitspolitiker fügte in Gegenwart von Markus Lanz hinzu, er sei zuvor von den Gesundheitsämtern "gebeten worden: Mach daraus eine Eigenverpflichtung" – die Ämter seien "schlicht und ergreifend komplett überlastet" und entsprechend nicht mehr in der Lage, Quarantäne und Isolation infizierter Personen zu verfolgen.

Zuletzt hatte die Politik erklärt, mit Aufhebung einer angeordneten Isolationspflicht große Personalausfälle in Unternehmen vermeiden zu wollen.

Corona-Quarantäne: Was jetzt für Kontaktpersonen gilt

Bei "Lanz" gab Lauterbach schließlich das angepasste Infektionsschutzgesetz bekannt: "Wenn jemand krank ist, er hat sich infiziert, dann ordnet das Gesundheitsamt weiter an. Und wenn jemand nur Kontaktperson ist und in Quarantäne, dann macht man es selbst."

Mit dieser weniger gravierenden Regel gewinne man "schon viel Raum für die Gesundheitsämter". Lauterbachs Meinung nach müsse man auch als Minister in der Lage sein, Dinge, die nicht gut gelaufen sind, zu korrigieren.

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Auch auf Twitter äußerte sich Lauterbach am Mittwochmorgen zu Wort: " Die Beendigung der Anordnung der Isolation nach Coronainfektion durch die Gesundheitsämter zugunsten von Freiwilligkeit wäre falsch und wird nicht kommen. Hier habe ich einen Fehler gemacht. Das entlastet zwar die Gesundheitsämter. Aber das Signal ist falsch und schädlich. [...] Der Fehler lag bei mir und hat nichts mit der FDP oder Lockerung zu tun."

"Lanz": Aufnahmen aus Butscha zeigen Folgen des Ukraine-Kriegs

Neben der Pandemie bestimmte auch der fortschreitende Ukraine-Krieg die Sendung. ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf wurde live aus Kiew zugeschaltet. Am 41. Tag des Konfliktes beschrieb die Reporterin die Lage in Butscha, welches nur eine Autofahrt von 45 Minuten von Kiew entfernt ist. "Was wir gesehen haben, ist eine Stadt, die weitestgehend in Trümmern lag", so die Journalistin. Eingeblendete Videos zeigten die verwüstete Stadt, ausgebrannte Fahrzeuge und mehr.

Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj sei sogar angereist, um sich ein Bild von der Situation zu machen. In Butscha würden sich die Indizien häufen, dass es sich beim andauernden Krieg um Völkermord handle.

Zudem gab Eigendorf, die vor wenigen Tagen noch live im Studio gewesen war, überraschend bekannt, dass der Zug nach Kiew bei ihrer Rückreise tatsächlich ausgebucht gewesen sei. Da sich die russische Armee aus der Hauptstadt zurückgezogen hat, würden viele Ukrainerinnen und Ukrainer mittlerweile aus dem Ausland wieder zurückreisen.

Ukraine-Krieg: Kann man von einem Völkermord sprechen?

Politologin Daniela Schwarzer fügte hinzu, weshalb die Aufarbeitung der Lage in Butscha so wichtig sei: "Aus ukrainischer Sicht ist das eine ganz wesentliche und sehr schlimme Einsicht, die mit diesen Bildern verbunden ist. Nämlich, dass Putin neben dem, was er bislang gesagt hat, dass er einen Krieg aus seinen eigenen Sicherheitsinteressen heraus führt – dass er die Ukraine unter seine Kontrolle bringen will, zeigt sich an diesen Bildern. Und wenn das ein strategisches Vorgehen der Armee ist, eben auch, dass er die ukrainische Zivilisation auslöschen will."

Einig war man sich allerdings, dass es trotz erschreckender Aufnahmen zum aktuellen Zeitpunkt zu früh sei, um von einem Genozid zu sprechen.

Waffenlieferung: Hat Deutschland zu spät gehandelt?

"Welt"-Chefredakteur Robin Alexander gab Klarheit über die Waffenlieferung Deutschlands an die Ukraine: So habe die Bundesrepublik als viertgrößter Waffenexporteur der Welt die Erwartung der Ukraine keineswegs erfüllt und viel zu spät gehandelt.

Wie viel und vor allem wann die Lieferungen in der Ukraine angekommen seien, sei Lauterbach zufolge streng vertraulich. Kabinettssitzungen würden bewusst nicht mehr halböffentlich gehalten – Beschlüsse bewusst nicht nach außen kommuniziert. "Diese Geheimhaltung [...] ist absolut notwendig, die ist auch wichtiger ehrlich gesagt als die journalistische Pflicht, darüber zu schreiben", so der Gesundheitsminister.

Auf diese Weise würden unheimlich viele Personengruppen geschützt. Den Vorwurf, Deutschland habe rund dreieinhalb Wochen nicht gehandelt, wies Lauterbach entsprechend zurück, ohne konkret zu werden.

Gas-Embargo: Russland möglichst schwächen

Schwarzer zufolge ändere das nichts daran, dass Deutschland den Eindruck erwecke, immer zu spät zu handeln. Auch, was Sanktionen und die Möglichkeit eines Gas-Embargos betreffe.

Im Moment sei die Prognose, dass sich Deutschland 2024 von russischen Gaslieferungen unabhängig machen könne. Die Forderung, Russland jetzt mit einem Embargo auf Kohle und Öl zu sanktionieren, würde allerdings immer lauter. Russland möglichst weit zu schwächen, sei schließlich Teil der Strategie. Lauterbach zufolge seien die Konsequenzen eines Gas-Embargos allerdings nicht zu unterschätzen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.