Berlin. Die Inflation ist so hoch wie seit Jahrzehnten nicht. Rentnerinnen und Rentner sind besonders betroffen. Doch Besserung ist in Sicht.

  • Die Inflationsrate lag 2021 über der Rentenanpassung
  • Dadurch entsteht für Rentnerinnen und Rentner ein höherer Kaufkraftverlust als für andere Bevölkerungsgruppen
  • Worauf man achten sollte

Die Corona-Pandemie hinterlässt unliebsame Spuren im Portemonnaie der Verbraucherinnen und Verbraucher: Die Inflation ist im vergangenen Jahr auf den höchsten Stand seit 1993 gestiegen, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte.

Der durchschnittliche Warenkorb verteuerte sich demnach 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 3,1 Prozent – eine höhere Rate hatte es zuletzt 1993 gegeben, als die Teuerungsrate 4,5 Prozent betragen hatte. Vor allem zur Vorweihnachtszeit mussten Verbraucherinnen und Verbraucher noch einmal deutlich tiefer in die Tasche greifen: Im Dezember stieg die Inflationsrate auf 5,3 Prozent, Ökonomen hatten mit einem geringen Anstieg gerechnet.

Der Kaufkraftverlust, der durch die Inflation verursacht wird, betrifft alle Verbraucher, also auch die Rentnerinnen und Rentner. Denn auch für sie steigen im Alltag die Preise, egal ob für Lebensmittel (6 Prozent mehr im Dezember im Vergleich zum Vorjahreszeitraum), Mieten (1,4 Prozent), Konsumgüter (7,8 Prozent) oder Dienstleistungen (3,1 Prozent). Zwischen 2010 und 2020 waren die Rentenerhöhungen zwar stets höher als die Inflation. Doch das Jahr 2021 hat diesen Trend jäh unterbrochen.

Rentner haben durch Inflation 2021 an Kaufkraft verloren

Wegen der wirtschaftlichen Verwerfungen in der Corona-Krise und der rückläufigen Lohnentwicklung mussten West-Rentner im vergangenen Jahr eine Nullrunde hinnehmen. Für Ost-Rentner gab es nur ein Miniplus von 0,72 Prozent. Durch die zeitgleiche Inflation in Höhe von 3,1 Prozent haben die Rentnerinnen und Rentner somit im vergangenen Jahr deutlich an Kaufkraft verloren.

2022 könnte es den Prognosen zufolge schon wieder besser aussehen: Die Bundesregierung rechnet nach vorläufigen Berechnungen im laufenden Jahr wieder mit einer Rentenerhöhung von 4,4 Prozent. Zugleich erwarten Ökonomen, dass die Inflationsrate im Jahresmittel 2022 wieder auf unter drei Prozent fallen wird. Das wäre eine einigermaßen beruhigende Nachricht. Denn damit bliebe das vergangene Jahr tatsächlich ein Ausreißer nach unten.

In den vergangenen Jahren stigg die Standardrente stärker als die Inflation

Eine Analyse der Deutschen Rentenversicherung (DRV) hatte nämlich kürzlich ergeben, dass die Erhöhung der gesetzlichen Altersbezüge zwischen 2010 und 2020 über der Inflationsrate lag. Diese betrug 13,5 Prozent. Die Rente dagegen stieg in dieser Zeit im Westen um 25,7 Prozent und im Osten um 37,7 Prozent.

Auch bei der Betrachtung des größeren Zeitraums von 2000 bis 2020 ergibt sich der Analyse zufolge im Westen ein Anstieg um 37,6 Prozent und im Osten von 53,8 Prozent. Die Verbraucherpreise erhöhten sich zwischen 2000 und 2020 dagegen um 32,4 Prozent.

Nicht alle Rentner können sich mehr leisten

Bei der Berechnung der Standardrente wird unterstellt, dass jemand 45 Jahre lang jedes Jahr genau durchschnittlich verdient und entsprechend Rentenbeiträge zahlt. Laut DRV beträgt die Bruttostandardrente im Westen aktuell 1538,55 und im Osten 1506,15 Euro, also vor Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung und vor Zahlung von Steuern.

Jedoch kann die direkte Gegenüberstellung der Quoten von Rentenerhöhungen und Inflation zu falschen Rückschlüssen verleiten. Es bedeutet nämlich nicht, dass Senioren unterm Strich auch mehr Kaufkraft haben. Denn ein Teil der Rentenerhöhung wird vom Ausgleich des Geldwertverlusts aufgewogen. Folglich können sich viele Ruheständler trotz mehr Rente nicht unbedingt mehr leisten, auch wenn sie höhere Bezüge überwiesen bekommen.

VdK-Präsidentin warnt vor Vergleich der Renten mit Inflation

Der Rentenexperte des Ifo-Instituts, Joachim Ragnitz, warnt davor, in der Debatte über die Rentenhöhe die Inflation zu einem zentralen Kriterium zu machen. Rentenanpassungen richteten sich an der Höhe des durchschnittlichen Lohnanstiegs aus.

Damit solle eine zumindest ungefähre Teilhabe der Rentnerinnen und Rentner an den allgemeinen Wohlstandssteigerungen erreicht werden, sagte Ragnitz unserer Redaktion. „Prinzipiell halte ich das auch für gerechtfertigt. Eine alleinige Orientierung an der Inflationsrate würde ja bedeuten, dass die Rentner zwar den Realwert ihrer Rente sichern können, aber von den allgemeinen Wohlfahrtssteigerungen ausgeschlossen werden.“

Aus Sicht des Sozialverbands VdK verbietet es sich, Rentensteigerungen und Inflation in einen direkten Zusammenhang zu stellen. „Der Vergleich der Entwicklung der Renten mit der Inflation hinkt: Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen“, kritisierte Verbandspräsidentin Verena Bentele. Die Rentenanpassungen orientierten sich „prinzipiell an den Löhnen und nicht an der Inflation“.

Linken-Fraktionschef fordert Deckel für Energiepreise

Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, kritisierte mit Blick auf die Inflation: „Die kommende Rentenerhöhung im Juli schrumpft real immer weiter“, sagte er unserer Redaktion. 2021 sei für die Mehrheit im Land „ein Wohlstandsfresser“ gewesen.

Vor allem die hohen Energiekosten haben die Teuerung zuletzt getrieben. Im Dezember 2021 zahlten Verbraucherinnen und Verbraucher fast ein Fünftel mehr etwa für Strom, Gas Heizöl und Sprit. Bartsch verlangte, mit einer „Energiesteuerregel“ die gesetzlichen Abgaben für Energie auf maximal 50 Prozent zu deckeln. Zudem forderte er eine „Inflationsbremse“, etwa mit einer Steuerreform, die kleine und mittlere Einkommen entlaste. „Die Bürger brauchen mehr Brutto und mehr Netto im Portemonnaie“, sagte Bartsch.

Mittelstand dringt auf „Entlastungsoffensive“

Auch Unternehmen setzen insbesondere die hohen Energiekosten zu. Der Chef des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), Markus Jerger, forderte gegenüber unserer Redaktion eine „Entlastungsoffensive“ der Bundesregierung für Unternehmen und Verbraucher.

Jerger hält auch für das derzeitige Jahr eine Teuerungsrate von mehr als drei Prozent für immer wahrscheinlicher. „Damit droht über die Lohn-Preis-Spirale ein zusätzlicher Kostenschub für die unter der Corona-Pandemie leidenden Unternehmen“, warnte der Unternehmerverbandschef. Er forderte eine Abschaffung der EEG-Umlage und des Solidaritätszuschlags sowie eine Absenkung der Stromsteuer.

Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.