Berlin. Eine neue Studie zeigt: Frauen und Männer sind bei der Digitalisierung im Job nicht gleichauf. Woran das liegt und was helfen kann.

Frauen sind mit Blick auf die digitale Zukunft bei ihrer beruflichen Tätigkeit gegenüber Männern deutlich im Nachteil. Das zeigt eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung, die dieser Redaktion vorliegt. Frauen und Männer arbeiten heute zwar ähnlich oft am Computer. Jedoch zeigt die Studie: Je anspruchsvoller die im Job verwendeten Softwareanwendungen sind, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass Frauen die Programme nutzen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Männer spezielle Programme verwenden, liegt bei 50 Prozent, bei Frauen hingegen bei nur 34 Prozent.

Besonders groß ist demnach der Rückstand bei Frauen, die Teilzeitstellen haben. Allein schon die Wahrscheinlichkeit, überhaupt einen Computer im Job zu nutzen, liegt für Frauen in Vollzeit bei 93 Prozent, für Frauen in Teilzeit bei nur 84 Prozent.

Arbeit: Frauen schätzen Berufschancen schlechter ein als Männer

Frauen schätzen daher im Durchschnitt auch ihre Berufschancen auf einem zunehmend digitalisierten Arbeitsmarkt schlechter ein: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich berufstätige Frauen gut auf den Umgang mit vernetzten digitalen Technologien vorbereitet fühlen, liegt laut Studie bei 34 Prozent, bei Männern immerhin bei 49 Prozent. Frauen erwarten zudem nur mit einer Wahrscheinlichkeit von zehn Prozent, dass sich durch die Digitalisierung ihre Arbeitsmarktaussichten verbessern, gegenüber 18 Prozent bei Männern.

„Die digitale Transformation kann die Geschlechterungleichheit auf dem Arbeitsmarkt verstärken – und zwar aufgrund des bestehenden Gender Digital Gap“, warnt Studienautorin Yvonne Lott. Zwar arbeiten derzeit deutlich mehr Männer (7,1 Millionen) als Frauen (4,2 Millionen) in Berufen, bei denen viele Tätigkeiten auch von Computern übernommen werden können. Jedoch seien insbesondere frauentypische Berufe häufiger von technischen Rationalisierungen betroffen.

Besonders hoch sei das Risiko laut Studie beispielsweise für Bürokauffrauen, während Männer häufiger als Manager, Geschäftsführer oder Projektleiter arbeiten – Berufe, in denen es weniger Rationalisierungspotenzial gibt. Und schließlich würden in frauendominierten Berufen solche Rationalisierungspotenziale häufiger auch tatsächlich umgesetzt als bei Berufen, in denen viele Männer arbeiten. Es gehen also bislang in Berufen mit vielen weiblichen Beschäftigten besonders häufig Jobs durch Automatisierung verloren.

Digitalisierung: Frauen erhalten seltener und kürzere Weiterbildungen als Männer

Außerdem zeige die Forschung seit Langem, dass Frauen seltener und kürzere Weiterbildungen als Männer erhalten, und diese würden auch seltener die Chance auf Beförderung oder Lohnerhöhungen erhöhen. Studienautorin Lott fordert deshalb, bei der Förderung von Qualifizierungen gleiche Chancen für Frauen in den Vordergrund zu stellen.

Zudem empfiehlt sie, dass Digital-Kompetenzen verstärkt bereits in der frühkindlichen Bildung und an Schulen vermittelt werden müssten, noch bevor sich geschlechtsspezifische Diskriminierungen einstellen könnten. Das würde eine Ausbildung oder ein Studium im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie für Frauen attraktiver machen, so Lott.

Digitalbildung: Schon im frühkindlichen Stadium ansetzen

Carolin Wagner (SPD) will mit der Digitalbildung schon im Kindergarten beginnen, damit Mädchen und Buben schon auf demselben Stand sind.
Carolin Wagner (SPD) will mit der Digitalbildung schon im Kindergarten beginnen, damit Mädchen und Buben schon auf demselben Stand sind. © picture alliance / photothek | Thomas Imo

Mit diesen Forderungen trifft sie in der Bundespolitik auf offene Ohren. Carolin Wagner, die für die SPD im Digitalausschuss im Bundestag sitzt, sieht folgenden Knackpunkt: „Das Bild, dass Mädchen nichts mit Technik anfangen können, wird in unserer Gesellschaft noch von klein auf vermittelt. Das kann dazu führen, dass Mädchen sich weniger Kompetenzen dazu aneignen.“ Diese Fähigkeiten fehlten später im Berufsleben. Wagner will sich deshalb für MINT-Förderung bereits in der frühkindlichen Bildung sowie ein Pflichtfach Informatik einsetzen.

Die Innen- und Digitalpolitikerin Misbah Khan (Grüne) verweist auf die Digitalstrategie. Darin erkenne die Bundesregierung erstmals das Konzept einer feministischen Digitalpolitik an. Die Notwendigkeit, zu handeln sei also da, „denn nur wer Digitalisierung gestaltet, wird maßgeblichen Einfluss darauf haben, wer von ihr profitiert“, sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete unserer Redaktion.

Die CDU-Abgeordnete Franziska Hoppermann will zukunftsträchtige Digitalthemen nicht den Männern überlassen.
Die CDU-Abgeordnete Franziska Hoppermann will zukunftsträchtige Digitalthemen nicht den Männern überlassen. © AFP | Tobias Schwarz

Hier gibt sich Franziska Hoppermann (CDU) kämpferisch: „Blockchain, KI, Softwareentwicklung, Digitalisierung – das sind alles zukunftsträchtige Themen, die wir nicht nur den Männern überlassen dürfen.“ Es reiche nicht, nur bei den Kindern anzusetzen, sagte die CDU-Bundestagsabgeordnete: „Diese Qualifikationen und das Wissen muss auch in die Lehrerausbildung einfließen.“

Studienautorin Yvonne Lott will außerdem eine neue Arbeitskultur: weg von sehr langen Arbeitstagen, zeitlicher Entgrenzung und Stigmatisierung von Teilzeitarbeit, wie sie gerade in der Branche der Informations- und Kommunikationstechnologie verbreitet sei. Solche Prägungen würden dazu beitragen, dass selbst in Digital-Unternehmen beschäftigte qualifizierte Frauen eher am Rande blieben. „Die Norm der idealen Arbeitskraft, die im Leben keine anderen Verpflichtungen außer der Erwerbsarbeit hat, muss durch eine neue Arbeitszeitnorm ersetzt werden, die den tatsächlichen diversen Lebensrealitäten der Beschäftigten Rechnung trägt“, erklärt Lott.