Essen. Im Streit um die Macht im Industriekonzern Thyssenkrupp wirft auch Aufsichtsratschef Ulrich Lehner hin. Droht nun eine Zerschlagung?

Ein Machtkampf droht den Industriekonzern Thyssenkrupp zu zerreißen. Mit dem Vorstandsvor­sitzenden Heinrich Hiesinger und nun auch mit Aufsichtsratschef Ulrich Lehner haben die beiden wichtigsten Manager die Brocken hingeworfen. Die Börse wettete gestern auf eine Zerschlagung des Dax-Konzerns.

Der Konzern mit seinen weltweit 160.000 Mitarbeitern befindet sich im Umbruch. Nach der beschlossenen Ausgliederung des Stahl-Geschäfts bleiben als Kernbereiche Aufzüge, Autoteile, Werkstoffhandel und Industrieanlagen samt dem Marinebereich mit U-Booten und Kriegsschiffen. Lehner erklärte, mit seinem Rücktritt wolle er das Bewusstsein schaffen, „dass eine Zerschlagung des Unternehmens und der damit verbundene Verlust von vielen Arbeitsplätzen keine Option darstellt – weder im Sinne des Stifters noch im Sinne unseres Landes“.

Klagen über „Psychoterror“ von Großaktionären

Im Fokus stehen nun die beiden größten Anteilseigner: Die Krupp-Stiftung, die den Konzern zusammenhalten soll. Sie hält mit rund 21 Prozent nur knapp mehr Aktien als der schwedische Finanzinvestor Cevian, der einer Zerschlagung das Wort redet. Etwa durch einen Verkauf der florierenden Aufzugssparte. Hiesinger und Lehner haben das stets abgelehnt. Hiesinger hat gerade erst die Ausgliederung der Stahlsparte durch die Fusion mit Tata durchgesetzt. Das reicht den Investoren nicht. Lehner klagte über „Psychoterror“ aktivistischer Großaktionäre. Damit meinte er Cevian und den US-Fonds Elliott.

Heinrich Hiesinger und Ulrich Lehner.
Heinrich Hiesinger und Ulrich Lehner. © Funke Foto Services | Ralf Rottmann

Wie Hiesinger vermisste Lehner Rückendeckung durch die Krupp-Stiftung unter Führung der Dortmunder Uni-Rektorin Ursula Gather. Ihr Vorgänger Berthold Beitz hatte Lehner zu Thyssenkrupp geholt. Der begründete seinen Rücktritt nun mit großen Worten: „Mein Versprechen an Berthold Beitz, das Unternehmen im Interesse von Aktionären, Mitarbeitern und Kunden erfolgreich weiterzuentwickeln“, habe er nur mit dem Vertrauen der Aktionäre und einem gemeinsamen Verständnis im Aufsichtsrat über die Ausrichtung des Konzerns erfüllen können. „Das ist heute nicht mehr gegeben“, so Lehner.

„Einheit des Unternehmens wahren“

Eine Zerschlagung will auch die IG Metall verhindern. Dafür lotet sie die Möglichkeit einer Grundsatzvereinbarung mit der Krupp-Stiftung und Cevian aus. „Wir sind für entsprechende Gespräche bereit“, sagte Markus Grolms. Er vertritt als Vizeaufsichtsratschef im Konzern die Interessen der Gewerkschaft. Cevian-Gründer Lars Förberg begrüßte den Vorschlag.

Große Unruhe löste auch aus, dass kurz vor Lehners Rücktritt ein Treffen von Stiftungschefin Gather mit Antti Herlin, Haupteigner des Aufzugsriesen Kone, bekannt wurde. Das liegt jedoch zwei Jahre zurück. Die Beschäftigten schauen nun auf die Villa Hügel, wo die Stiftung über das Erbe der Krupps wachen soll. Nach einer Sondersitzung des Kuratoriums hatte Gather unlängst erklärt, die Krupp-Stiftung sehe sich weiter dem Ziel verpflichtet, „die Einheit des Unternehmens möglichst zu wahren und seine weitere Entwicklung zu fördern“.

Im Internet stellt sie dieses Zitat von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach vornan: „Vorstellungen einer falsch verstandenen Tradition dürfen uns nicht hindern, zu neuen Wegen zu finden.“ Dass die Weiterentwicklung den Bruch mit der Tradition bedeuten kann, lässt ihr alle Möglichkeiten offen.