Berlin. Die „Peanuts“ sind eigentlich uncoole Verlierer. Denn Gewinnen ist großartig, aber niemals lustig. Jetzt werden die Kids 70 Jahre alt.

Vor den Zumutungen des Erwachsenwerdens flohen einige Kinder, indem sie sich in die Kostüme von Comichelden wie Superman oder Batman hineinträumten. Andere blieben lieber bei den „Peanuts“, einer Gruppe normal-neurotischer Cartoon-Knirpse. Denn es stimmt ja: Superhelden retten vielleicht die Welt, haben aber keinen Witz.

„Gewinnen ist großartig, aber nicht lustig“, sagte „Peanuts“-Schöpfer Charles M. Schulz, ein schüchterner Mann aus Minneapolis. „Die meisten von uns haben mehr Erfahrungen mit dem Verlieren als mit dem Gewinnen.“

Als er vor genau 70 Jahren, am 2. Oktober 1950, die Figur Charlie Brown in seinem ersten Comic einführte, war klar: Der Junge im gelben Nerd-Pulli ist keiner von den coolen Kids. Sogleich wird er von einem unbekannten Jungen angegangen: „Der gute alte Charlie Brown“, ruft dieser ihm scheinbar wohlwollend zu – um im letzten Bild zu sagen: „Wie ich ihn hasse!“

Schulz’ Vater, ein Friseur wie später der seines Alter Ego Charlie Brown, war Nachfahre deutscher Einwanderer. Charles wuchs in den schwierigen Jahren der großen Depression auf. Im Zweiten Weltkrieg musste er als Soldat nach Europa. „Ich lernte in dieser Zeit, was Einsamkeit ist“, schrieb er einmal.

Die Erwachsenen leben in einer anderen Welt

Seine von zahlreichen Sonntagszeitungen gedruckten „Peanuts“ verwehrten sich dem Klischee, dass Kindheit etwas mit Unbeschwertheit zu tun hätte: Lucy tarnt ihre romantische Natur mit Diva-Allüren und einer chirurgisch scharfen Zunge. Lucys Bruder Linus ist ohne seine Schmusedecke ein psychisches Wrack und mit ihr – nun, eben ein Junge mit Schmusedecke, der gern philosophiert.

Sally fragt sich jeden Morgen verzweifelt, warum sie zur Schule muss. Peppermint Patty will sich nicht so richtig in die Mädchenrolle fügen. Schroeder spielt Beethoven auf einem Klavier, dessen Tasten nur aufgemalt sind. Gelassen bleibt da nur Hund Snoopy auf seiner Hundehütte.

„Peanuts“-Erfinder Charles M. Schulz
„Peanuts“-Erfinder Charles M. Schulz © Bettmann Archive

Er durchschaut, wie die Welt der Menschen funktioniert, und lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Aber auch der Beagle hat Träume. Er will als Schriftsteller berühmt werden. Über den ersten Satz kommt er allerdings nicht hinaus: „Es war eine dunkle und stürmische Nacht.“ Doch sein Scheitern betrübt Snoopy keineswegs.

Die bittersüßen Geschichten mit ihrer lebensklugen Melancholie sind zwar getragen von der Erkenntnis, dass die Kindheit vor allem ein Vorhof zur Erwachsenenhölle ist – aber sie sind auch voller Hoffnung. Verständnis von den Großen ist jedoch nicht zu erwarten, und verstehen kann man sie sowieso nicht: Wenn Erwachsene – meist Lehrer – sprechen, bleiben das bedeutungsleere Laute.

Lesen Sie hier: Generation Corona: So leiden die Kinder unter dem Lockdown

Es erklingt nur ein gedehnter Posaunenton, etwa „Wah-woah-wah“. Zu sehen sind sie schon einmal gar nicht. Sie leben eben in einer anderen Welt.

Batman-Comic wird 80

weitere Videos

    Peanuts: „Komplexe Einfachheit der Figurenbeziehungen“

    Der große Erfolg der kleinen Leute liegt an der „universellen Schlichtheit im Zeichenstil und der komplexen Einfachheit der Figurenbeziehungen“, erklärt der Hamburger Comicexperte Andreas C. Knigge im „Hamburger Abendblatt“. „Sie stehen ja mehr für bestimmte Situationen. Es sind sehr menschliche Situationen, die Schulz erzählt. Das ist aber keine Vermarktungsidee. Er erzählt eigentlich immer von sich.“

    Mehr zum Thema: So lassen Wissenschaftler im Comic Luft aus der Terror-Angst

    18.000 Strips in mehr als 20 Sprachen veröffentlichte Schulz in Zeitungen, Büchern und als Film. Am 12. Februar 2000, einen Tag vor der Veröffentlichung des letzten, starb er. Nach seinem Willen sollte die Serie nicht mehr fortgesetzt werden. Gehalten hat man sich nicht daran. Immer wieder erscheinen neue „Peanuts“-Comics anderer Autoren.

    Was Charlie Brown wohl zu dieser Missachtung seines Schöpfers sagen würde? Wahrscheinlich: „Seufz.“