Berlin. Der monatelange Ausnahmezustand verändert die Kindheit. Für einige Kinder zum Positiven. Doch um zwei Gruppen muss man sich sorgen.

Wächst da eine neue „Generation C“ heran? Reden wir eines Tages von der „Corona-Kindheit“? Noch ist das Spekulation, doch fest steht schon jetzt: Der Ausnahmezustand in der Pandemie prägt das Leben von Millionen Kindern, vom Säugling bis zum Abiturienten.

Dabei gibt es drei Gruppen von Kindern. Um zwei davon muss man sich große Sorgen machen.

Die erste Gruppe – das sind die Behüteten. Sie erleben die Zeit als großes Experiment. Es ist nicht lustig, aber richtig schlimm ist es für die meisten dieser Kinder auch nicht. Sie haben Eltern, die sie an die Hand nehmen können, mit ihnen spielen, ihnen den Computer fürs Homeschooling einrichten, ihnen streckenweise sogar die Freunde ersetzen.

Die drei Gruppen der Generation Corona – nur eine kann profitieren

Julia Emmerich kommentiert die Auswirkungen des monatelangen Lockdowns auf die Kinder.
Julia Emmerich kommentiert die Auswirkungen des monatelangen Lockdowns auf die Kinder. © Reto Klar | Reto Klar

Diese Kinder können eine ganz Zeit lang auf die regelmäßige Förderung in Kita und Schule verzichten, ohne größeren Schaden zu nehmen. Mehr noch: Sie lernen, dass Familien in schwierigen Lagen zusammenhalten und das Beste draus machen.

Diese Kinder und (vor allem!) deren Eltern brauchen faire Angebote für Notbetreuung und eine klare Perspektive, wer wann wieder in die Kita oder in die Schule gehen kann. Was sie nicht brauchen, ist eine überstürzte Öffnung, die im Chaos endet und schlimmstenfalls in einer zweiten Infektionswelle.

Verlorene Monate – für den Spracherwerb oder den Sprung aufs Gymnasium

Die zweite Gruppe – das sind die Kinder, für die die Monate ohne Alltagsbetrieb in Kita und Schule verlorene Monate sind. Weil sie, zum Beispiel, in ihren Familien jetzt über viele Wochen hinweg kein Deutsch sprechen – aber im Herbst eingeschult werden sollen.

Oder: Weil sie es aufs Gymnasium schaffen wollen, aber zu Hause keinen stillen Platz zum Lernen haben. Oder schlicht deshalb, weil es dort niemanden gibt, der kontrolliert, ob sie drei oder dreizehn Stunden lang vor einem Ballerspiel hocken oder TikTok-Videos drehen.

Das Ausmaß der Förderlücke wird sich erst im Normalbetrieb zeigen

Das ganze Ausmaß der Förderlücke wird sich im Herbst zeigen, wenn die Schulen langsam wieder zum Normalbetrieb zurückkehren. Leicht wird es nicht, diese Lücke zu schließen. Ein Kind, das einmal den Anschluss komplett verloren hat, schleppt den Rückstand oft bis zum Schulende mit sich herum.

Für diese Kinder (und deren Eltern) muss es jetzt kluge Angebote geben: Warum nicht den Sommer fürs Lückenschließen nutzen? Warum nicht Studenten, Pensionäre und andere Freiwillige einbinden und mit den Kleinen lesen üben und mit den Großen Kurvendiskussion?

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Corona-Krise bedeutet für manche Kinder ein Mehr an Gewalt und Hunger

Für die dritte Gruppe ist die Corona-Krise dagegen der blanke Horror. Weil alles wegfällt, was sie schützt. Vor dem prügelnden Vater, der drogensüchtigen Mutter, dem übergriffigen Onkel. Ohne Kontakt zu vertrauten Erziehern oder Lehrern, zu Nachbarn oder Sozialarbeitern sind gerade kleinere Kinder ihren Peinigern rund um die Uhr ausgesetzt.

Dabei geht es nicht nur um Gewalt. Es geht oft auch um existenziellen Mangel: Ohne die regelmäßigen Mahlzeiten in Kita und Schule müssen diese Kinder oft sehen, wo sie bleiben, wenn sie Hunger haben.

Benachteiligte Kinder brauchen jetzt besondere Hilfe und Fürsorge

Hinzu kommt: Experten warnen längst, dass auch hier das ganze Ausmaß erst sichtbar wird, wenn die Kinder wieder Kontakt zu ihren Helfern haben. Ganz klar: Diese Kinder müssen deswegen nicht nur als erste zurück in die Kitas und Schulen. Für sie braucht es dort auch besondere Fürsorge – und vor allem ein Gespür für das, was sie zu Hause erlebt haben. Wer die personelle Realität in vielen Kitas und Schulen kennt, ahnt jedoch, wie unsicher das ist.

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Wichtig ist jetzt, dass sich Bund und Länder bei ihrer Runde am Mittwoch über die nächsten Öffnungsschritte bei Kitas und Schulen verständigen. Mindestens genauso wichtig ist es aber, dass es rasch konkrete Hilfen für benachteiligte Kinder gibt, damit sie nicht ihr Leben lang an den Folgen des Lockdowns leiden müssen.

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