Emma Thompson verrät ihr Rezept für ein erfülltes Leben
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Von Ulrich Lössl
München. Emma Thompson ist in „Kindeswohl“ als Richterin zu sehen. Ein Gespräch über den Film, die Adoption ihres Sohnes und das Leben an sich.
Als einziger Filmstar schaffte Emma Thompson (59) den Doppelschlag: Sie räumte einen Oscar als Schauspielerin für „Wiedersehen in Howards End“ ab und gewann einen Oscar für das beste adaptierte Drehbuch nach Jane Austens Roman „Verstand und Gefühl“. Nun ist die britische Schauspielerin im Film „Kindeswohl“ (ab 30. August im Kino) zu sehen.
Beim Interview in einem Münchner Luxushotel gibt sie sich lässig und gut gelaunt. Ihre weißblonde Kurzhaarfrisur unterstreicht ihren jugendlichen Elan enorm. Ein Gespräch über ihren Film, über Verantwortung und die Adoption ihres Sohnes.
Mrs Thompson, was hat Sie dazu bewogen, bei dem Film „Kindeswohl“ nach dem Roman von Ian McEwan die Hauptrolle zu spielen?
Emma Thompson: Es ist ein Drama über die oft schwere Last, Verantwortung zu übernehmen. Wie kann ich Verantwortung übernehmen? Für mich, meinen Mann oder meine Familie? Und wie bei „Kindeswohl“ für einen komplett Fremden? Ich spiele eine Familienrichterin, die über Leben und Tod eines 17-jährigen Jungen entscheiden muss. Er ist an Leukämie erkrankt und braucht dringend eine Bluttransfusion. Seine Eltern sind Zeugen Jehovas und lehnen die Blutspende aus religiösen Gründen ab.
Es geht also um die Entscheidung, was richtig und was falsch ist?
Thompson: Ja. Und dieses Dilemma, das Richtige zu tun, hat Ian McEwan sehr eindrucksvoll in seiner Geschichte veranschaulicht. Diese sehr mächtige Richterin zu spielen, hat mich also sehr gereizt. Denn sie ist eine Frau, die ihre Macht nicht etwa missbraucht, sondern sich sehr viele Gedanken macht.
Sie haben vor Jahren Tindyebwa Agaba adoptiert, einen 16-jährigen Kriegsflüchtling aus Ruanda. Da haben Sie sich sicher auch die Frage nach der Verantwortung gestellt.
Thompson: Oh ja. Mein Mann (der britische Schauspieler Greg Wise, A. d. Red.) und ich haben uns die Adoption ganz und gar nicht leicht gemacht. Wir haben uns immer wieder geprüft, ob wir auch wirklich bereit und fähig sind, die Verantwortung für ein fremdes Leben zu übernehmen. Tindy ist nicht plötzlich, sondern Schritt für Schritt in unser Leben getreten.
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Wie haben Sie Tindy kennengelernt?
Thompson: Er ist mit 16 aus den Kriegswirren Ruandas nach London ausgeflogen worden. Ich bin ihm zum ersten Mal bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung des Refugee Council begegnet. Danach haben wir uns angefreundet, und er wurde langsam ein Teil unserer Familie. Eine Deportation nach Ruanda wäre für ihn lebensgefährlich gewesen. Das war die absolut richtige Entscheidung. Mittlerweile hat er seinen Universitätsabschluss gemacht.
Wie hat Ihre Tochter Gaia eigentlich auf ihren neuen Bruder reagiert?
Thompson: Sehr gut. Gaia war damals ja noch sehr klein, aber sie hat ihn sofort sehr herzlich angenommen. Jetzt ist sie auch schon 18 Jahre alt. Wir verstehen uns alle bestens. Wir sind eine sehr lebhafte Familie. Bei uns wird sehr viel diskutiert. Da fliegen auch schon mal die Fetzen. Aber das Wichtigste ist, dass man immer miteinander redet und sich dem anderen wirklich mitteilen will. Wenn man auf Augenhöhe miteinander kommuniziert, dann halten auch Beziehungen lange.
Was ist für Sie eine wichtige Eigenschaft im Leben?
Thompson:
Man muss die Bereitschaft haben, sich selbst zu ändern. Ich kann Ihnen da ein gutes Beispiel geben: Ich habe lange Zeit für andere – vor allem für Familienmitglieder und Freunde – viel zu viel und viel zu oft Verantwortung übernommen. So nach dem Motto: Ja, ja, ich regle das, ich mache das für euch. Ich wollte damit zwar helfen, aber was ich wirklich gemacht habe, war bevormunden. Und das kann manchmal sehr arrogant wirken. Also habe ich mir das abgewöhnt. Es hat zwar einige Zeit gedauert, bis ich loslassen konnte, doch es war sicher gut so.
Was hilft Ihnen denn, wenn Sie einmal einen rabenschwarzen Tag haben?
Thompson: Mein Humor. Ich kann wirklich über vieles lachen – mich selbst eingeschlossen. Aber natürlich gibt es auch Sachen, da vergeht einem das Lachen. Wenn ich zum Beispiel an die Flüchtlingskrise denke. Oder an die Erderwärmung. Oder den Brexit. Und es gibt noch viel mehr. Doch im Grunde meines Herzens bin ich sicher eher ein Optimist als ein Pessimist.